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OGH vom 26.04.2011, 8Ob41/11d

OGH vom 26.04.2011, 8Ob41/11d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj D***** B*****, geboren am *****, wohnhaft bei seiner Mutter L***** B*****, geboren am *****, Russische Föderation, über den Revisionsrekurs des Vaters A***** B*****, geboren am *****, vertreten durch Gradischnig Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in Villach, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 298/10s 5, berichtigt durch den Beschluss vom (ON 8), mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 2 P 175/10z 2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Minderjährige ist das außereheliche Kind der beiden anderen Verfahrensbeteiligten; alle sind russische Staatsangehörige. Die Eltern sind jeweils, allerdings nicht miteinander, verheiratet. Das Kind lebt bei seiner Mutter in Moskau, der Vater hat seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich. Mit Adoptionsvertrag vom nahm der Vater seinen außerehelichen Sohn an Kindes statt an. Am stellten der Vater und das durch seine Mutter vertretene Kind den Antrag, den Adoptionsvertrag pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen. Mit Änderungsvereinbarung vom wurde geregelt, dass die Obsorge über das Kind nicht von den Eltern gemeinsam ausgeübt wird, sondern dem Vater allein zukommen soll.

Das Erstgericht wies den Antrag mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück, weil keine der Voraussetzungen des § 113b Abs 1 JN gegeben sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Frage, ob die Gerichtsbarkeit eines Staates zur Behandlung eines Antrags gegeben sei, müsse getrennt von der Frage beurteilt werden, ob nach dem Recht dieses Staates der Antrag auch bewilligt werden könne. Art 123 ff des Familiengesetzbuchs der Russischen Föderation enthalte vielfältige Regelungen zur Adoption minderjähriger Kinder. Warum Russland die Gerichtsbarkeit in Adoptionssachen nicht wahrnehmen solle, sei nicht erkennbar. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zum Bestehen der inländischen Gerichtsbarkeit für die zugrunde liegenden Konstellation höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die Genehmigung der Adoption anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Entscheidung des Erstgerichts lässt sich ausreichend deutlich entnehmen, dass die Eltern des Minderjährigen nicht miteinander verheiratet sind. Das Rekursgericht hat mit Beschluss vom seine gegenteiligen Ausführungen ausdrücklich berichtigt. Dem ursprünglichen Missverständnis des Rekursgerichts kommt für die Entscheidung auch keine Relevanz zu. Ohne Bedeutung bleibt zudem die Abänderung der Obsorgevereinbarung laut Nachtrag zum Adoptionsvertrag.

2. Der Vater steht auf dem Standpunkt, dass die Adoption eines minderjährigen außerehelichen Kindes durch seinen leiblichen Vater nach dem Recht der Russischen Föderation nicht zulässig sei, weshalb er seinen Sohn in Russland nicht adoptieren könne. Der zugrunde liegende Adoptionsvertrag sei daher nach russischem Recht nicht zulässig.

3.1 Zwischen Österreich und der Russischen Föderation besteht kein bilateraler Vertrag zur Regelung von Adoptionsfragen. Abgesehen davon, dass die Russische Föderation das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, BGBl III 1999/145, nicht ratifiziert hat (vgl auch Fuchs , Internationale Zuständigkeit im Außerstreitverfahren FN 669), enthält dieses Übereinkommen (nur) materiell rechtliche und verfahrensrechtliche Garantien zum Schutz der Grundrechte der Kinder (vgl dazu Rudolf , Das Haager Übereinkommen über die internationale Adoption, ZfRV 2001, 183). Die internationale Zuständigkeit zur Durchführung der Adoption wird in diesem Übereinkommen aber nicht geregelt ( Fuchs aaO Rz 295). Die Russische Föderation ist auch nicht Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, BGBl 1980/314, das zudem (lediglich) zur Harmonisierung des materiellen Adoptionsrechts der Vertragsstaaten beitragen soll ( Schütz , Internationale Adoptionen, ÖA 2005, 239 [240]). Vom Haager Minderjährigenschutzübereinkommen sowie vom Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (KSÜ) sind Adoptionsmaßnahmen nicht umfasst ( Fucik in Fasching 2 § 113b JN Rz 2; Mayr in Rechberger 3 § 113b Rz 2; Fuchs aaO Rz 296).

3.2 Das Adoptionsstatut des § 26 Abs 1 IPRG enthält nur die kollisionsrechtlichen Anknüpfungen für das anzuwendende Sachrecht bei einer inländischen Adoption mit Auslandsbezug. Über verfahrensrechtliche Aspekte sagt diese Bestimmung konsequenterweise nichts aus (vgl 1 Ob 21/04a).

3.3 Der österreichische Gesetzgeber verlangt vor allem in den Außerstreitmaterien in der Regel einen genau konkretisierten Nahebezug der Rechtssache zum Inland. Aus diesem Grund sehen die Verfahrensvorschriften zahlreiche gesonderte Zuständigkeitstatbestände für Außerstreitverfahren mit Auslandsbezug vor. Für die Heranziehung des § 27a JN bleibt in solchen Fällen kein Raum ( Fuchs aaO Rz 20).

Im gegebenen Zusammenhang findet sich die relevante Zuständigkeitsnorm in § 113b JN. Die Vorinstanzen haben zutreffend dargelegt, dass für die vorliegende Rechtssache von vornherein nur der Zuständigkeitstatbestand des § 113b Abs 2 Z 2 JN in Betracht kommt. Die österreichische Pflegschaftsgerichtsbarkeit für das Kind ist mangels österreichischer Staatsangehörigkeit bzw gewöhnlichen Aufenthalts des Minderjährigen in Österreich nach § 110 Abs 1 JN nicht gegeben. Für die Bejahung der österreichischen internationalen Zuständigkeit wäre daher vorausgesetzt, dass die Heimatstaaten aller Beteiligten keine Adoptionsgerichtsbarkeit gewähren (vgl Schwimann , Inländische Gerichtsbarkeit für Personenrechts-, Familienrechts- und Unterhaltssachen, JBl 1990, 760 [764]). Maßgebend ist in dieser Hinsicht, ob die Gerichtsbarkeit in Adoptionssachen an sich zur Verfügung steht, also ein Forum gegeben ist. Ob die konkrete Adoptionsform erlaubt bzw bewilligungsfähig ist, stellt hingegen eine rein materiell rechtliche Frage dar, auf die es für die Beurteilung der inländischen Gerichtsbarkeit bzw der internationalen Zuständigkeit nicht ankommt.

Wie im zugrundeliegenden Antrag auch ausdrücklich zugestanden wird, ist die Adoption minderjähriger (auch außerehelicher) Kinder nach den vielfältigen Regelungen der Art 123 ff des Familiengesetzbuchs der Russischen Föderation unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen. Daraus folgt, dass für die Adoption minderjähriger Kinder die Gerichtsbarkeit in Russland zur Verfügung steht. Mit der Schlussfolgerung des Vaters, dass eine bestimmte Adoptionsform in Russland „unzulässig“ sei, wird entgegen seiner Ansicht nicht die Ablehnung der Gerichtsbarkeit, sondern nur der Umstand dokumentiert, dass eine Genehmigung der Adoption bei Vorliegen einer bestimmten Konstellation materiell rechtlich nicht erlangt werden kann.

3.4 Angemerkt wird, dass der Vater in Bezug auf das anzuwendende Recht zutreffend auf das Recht der Russischen Föderation verweist (§ 26 Abs 1 iVm § 9 IPRG). Gleichzeitig steht er allerdings auf dem Standpunkt, dass die von ihm angestrebte Adoption seines außerehelichen Kindes nach russischem Recht nicht zulässig sei.

4. Zusammenfassend ergibt sich: Für die internationale Zuständigkeit nach § 113b Abs 2 Z 2 zweite Variante JN ist vorausgesetzt, dass die Heimatstaaten aller Beteiligten keine Adoptionsgerichtsbarkeit gewähren und daher in diesen Staaten keine Gerichtsbarkeit in Adoptionssachen zur Verfügung steht. Aus dem Hinweis, dass eine bestimmte Adoptionsform im Heimatstaat aller Beteiligten unzulässig sei, folgt nicht die Ablehnung der Gerichtsbarkeit in der zugrunde liegenden Sachmaterie an sich.

Damit haben die Vorinstanzen die internationale Zuständigkeit bzw inländische Gerichtsbarkeit für die vorliegende Adoptionssache zu Recht verneint. Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.