OGH vom 11.05.2006, 8Ob41/06x

OGH vom 11.05.2006, 8Ob41/06x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Lydia D***** zuletzt wohnhaft , vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Dr. Ludwig F***** wohnhaft , vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 872.000,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 850.000,-- sA), gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom , GZ 5 R 185/05w-16, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom , GZ 24 Cg 191/04t-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Zwischenurteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die hier strittigen Liegenschaften wurden von der am verstorbenen Erblasserin des klagenden Nachlasses (im Folgenden Klägerin) dem bereits im Jahre 1995 verstorbenen Erblasser des beklagten Nachlasses (im Folgenden Beklagten), ihrem früheren Ehegatten nach der Eheschließung im Jahre 1964, im Jahre 1965 geschenkt. Als dann 1983 der Beklagte die Scheidungsklage einbrachte, erhob die Klägerin 1984 eine Widerklage und widerrief die Schenkung. 1987 brachte sie dann die Klage auf Rückgabe der Liegenschaft ein. Die Ehe wurde 1989 aus gleichteiligem Verschulden geschieden, worauf hin der Beklagte dann 1993 die Grundstücke seiner Tochter überließ. Hinsichtlich des für das Revisionsverfahren maßgeblichen Teils der Grundstücke wurde der Beklagte mit Urteil vom zur Rückgabe verpflichtet, hinsichtlich eines weiteren Teiles der Grundstücke jedoch erst mit einem weiteren Urteil vom , und zwar jeweils hinsichtlich eines 2/5-Anteiles. Nach dem Herausgabeurteil hinsichtlich des ersten, hier für das Revisionsverfahren maßgeblichen Teiles der Grundstücke brachte die Klägerin im Jahr 2000 eine Anfechtungsklage gegen die Tochter des Beklagten, der die Grundstücke überlassen worden waren, ein. Nachdem das Erstgericht diesem Klagebegehren noch stattgegeben hatte, verstarb die Klägerin am . Das Berufungsgericht änderte in diesem Verfahren das klagsstattgebende Urteil im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass eine Einzelanfechtung des Übergabsvertrages nach der Anfechtungsordnung nur hinsichtlich Geldforderungen in Betracht komme, aber nicht hinsichtlich des Herausgabebegehrens. Die gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom zu 9 Ob 134/03a zurückgewiesen. Bereits davor hatten im Juli 2003 zwischen den Streitteilen Vergleichsgespräche stattgefunden, die jedoch dann im Juli 2004 scheiterten, worauf hin die Klägerin am die hier maßgebliche Klage auf Ersatz des Interesses für die ihr rechtskräftig zugesprochenen Liegenschaftsanteile begehrte. Die Klägerin stützt ihr Begehren im Wesentlichen darauf, dass der Beklagte bewusst den Herausgabeanspruch vereitelt habe, obwohl festgestellt worden sei, dass die Schenkungen ihm nur für die Dauer der Ehe die Verfügungsmacht über die Liegenschaften einräumen sollten. Er habe damit das Verbrechen der Untreue nach § 153 StGB sowie der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 StGB verwirklicht, sodass überhaupt eine 30-jährige Verjährungsfrist zum Tragen komme. Selbst die dreijährige Verjährungsfrist sei aber gewahrt, da diese frühestens mit dem Urteil über den Herausgabeanspruch habe beginnen können und es der Klägerin auch freigestanden sei, die Herausgabe durch Einbringung der Anfechtungsklagen durchzusetzen. Im Hinblick auf die geführten Vergleichsgespräche sei der Einwand der Verjährung auch als arglistig und sittenwidrig zu beurteilen und die grundsätzliche Zahlungsverpflichtung sei auch nie in Abrede gestellt worden. Jedenfalls sei im Hinblick auf den Tod der Klägerin am nach § 1494 ABGB ein Ablauf der Verjährungsfrist nicht möglich gewesen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass sich die Klägerin für den Zuspruch der Liegenschaft entschieden habe und ihr nunmehr ein Umstellen auf den Geldersatz nicht mehr möglich sei. Allfällige Schadenersatzforderungen seien auch verjährt, da sie vom Abschluss des Übergabevertrages im Jahre 1993 Kenntnis gehabt habe. Insoweit treffe den Beklagten auch kein Verschulden. Der Widerruf sei auch nur hinsichtlich 2/5 berechtigt gewesen, nicht aber hinsichtlich des tatsächlich ausgeübten gänzlichen Widerrufs.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in seinem Zwischenurteil dem Grund nach statt. Es folgerte rechtlich, dass erst mit den abweisenden Entscheidungen hinsichtlich der Anfechtung des Übergabevertrages der Eintritt des Schadens wegen der Undurchsetzbarkeit des Herausgabeanspruches ersichtlich gewesen sei. Es sei der Klägerin auch frei gestanden, nach dem Nichtdurchdringen mit dem Herausgabe- bzw Anfechtungsanspruch die Interessenklage nach § 368 EO geltend zu machen. Die Berechtigung des Widerrufes selbst ergebe sich schon aus dem Vorverfahren. Sie habe dem Beklagten auch bei Übergabe an seine Tochter bewusst sein müssen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten hinsichtlich der schon mit Urteil aus dem Jahre 1999 zugesprochenen, nunmehr für das Revisionsverfahren maßgeblichen Liegenschaften statt, im Übrigen wies es die Berufung ab. Rechtlich folgerte es dabei, dass die Frist des § 1489 ABGB für die Interessenklage im Sinne des § 368 EO nach Ablauf der urteilsmäßigen Leistungsfrist beginne und damit hinsichtlich des hier maßgeblichen Teilurteiles mit . Diese habe auch nicht durch die im Sinne der ständigen Rechtsprechung erfolglose Anfechtungsklage unterbrochen werden können. Was die Unterbrechung im Hinblick auf das Ableben der Klägerin und den ruhenden Nachlass zufolge § 1494 ABGB anlange, so sei zwar im Allgemeinen dort eine zweijährige Frist festgelegt, jedoch habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 1 Ob 412/97p ausgesprochen, dass im Einzelfall sorgfältig abzuwägen sei, welche Zeit der neu bestellte gesetzliche Vertreter zumutbarerweise benötige, um sich mit seinen Aufgaben vertraut zu machen und entsprechende Schritte zu unternehmen. Regelmäßig sei nur von einer 6-monatigen Frist auszugehen. Da die Verlassenschaft nach dem Tod am auch nach dem Vorbringen der Klägerin nur bis unvertreten gewesen sei, sei die 6-monatige Frist schon vor Einbringung der Klage abgelaufen gewesen. Da sich die Klägerin auf die Interessenklage im Sinne des § 368 EO gestützt habe, könne sie sich nicht auf die 30-jährige Verjährungsfrist im Zusammenhang mit den behaupteten Verbrechen des Beklagten nach §§ 153, 162 StGB stützen. Im Übrigen sei das Strafverfahren nach § 90 StPO eingestellt worden.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht im Hinblick auf die Übereinstimmung seiner Entscheidung mit der „herrschenden Rechtsprechung" als nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, da das Berufungsgericht von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 5 Ob 212/04v zur Wirkung des § 1494 ABGB abgegangen ist bzw sich mit dieser Entscheidung überhaupt nicht befasst hat.

Die Revision der Klägerin ist auch berechtigt.

Voranzustellen ist, dass zufolge § 368 Abs 1 EO durch die Bestimmungen der Exekutionsordnung der Anspruch des betreibenden Gläubigers auf Leistung des Interesses wegen Nichterfüllung der dem Verpflichteten obliegenden Verbindlichkeit oder durch Ersatz des dadurch verursachten Schadens nicht berührt wird. Im Wesentlichen geht es hier um die deliktischen Schadenersatzansprüche aus der Verletzung der Herausgabeverpflichtung (vgl dazu OGH 6 Ob 139/00k; RIS-Justiz RS0004748; RS0004674 uva). Im Kern liegt dem zugrunde, dass ein bestehender materiell-rechtlicher Anspruch -hier auch nach dessen Feststellung durch das Gericht- vom zur Leistung verpflichteten Schuldner nicht erfüllt wurde (vgl RIS-Justiz RS0004674 mwN; zuletzt OGH 7 Ob 209/02i). Genau dies ist hier erfolgt. Das Verschulden des Beklagten ergibt sich schon daraus, dass er trotz des Widerrufes noch eine Übertragung an seine Tochter vorgenommen hat.

Die Verjährung der Ersatzansprüche beginnt nun frühestens mit der endgültigen Entscheidung im Hauptprozess zu laufen (vgl RIS-Justiz RS0004790 unter Hinweis auf OGH 1 Ob 324/75).

Hier ist die Leistungsfrist hinsichtlich der hier maßgeblichen Liegenschaften nach Zustellung des Urteiles am im Jahr 2000 abgelaufen. Die Dreijahresfrist für allgemeine Schadenersatzansprüche im Sinne des § 1489 ABGB war damit im Zeitpunkt des Todes der Klägerin am jedenfalls noch nicht abgelaufen. Nach nunmehr ständiger Judikatur wird aber die Regelung des § 1494 ABGB, wonach gegen solche Personen, welche aus Mangel einer gesetzlichen Vertretung zur Verwaltung nicht befähigt sind, die Verjährungsfrist nie früher als binnen 2 Jahren nach aufgehobenen Hindernis vollendet werden kann, auch analog auf den Fall des unvertretenen Nachlasses angewendet (vgl Bydlinski in Rummel ABGB3 § 1494 Rz 1; RIS-Justiz RS0034619 mit zahlreichen wN). Soweit sich die Beklage nunmehr auf bestimmte Prozessvollmachten in anderen Verfahren sowie § 35 ZPO über den Fortbestand der Prozessvollmacht bezieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung bei Tod des Vollmachtgebers vor Einleitung eines Rechtsstreits nicht zur Anwendung gelangt (vgl Fucik in Rechberger ZPO2 § 35 Rz 1 mwN; Zib in Fasching/Konecny2 II/1 § 35 ZPO Rz 14, auf dessen abweichende Meinung Rz 17 ff hier nicht näher einzugehen ist, weil er sich jedenfalls hinsichtlich einer - im übrigen hier auch nicht konkret behaupteten - Generalvollmacht der herrschenden Ansicht anschließt - Rz 19). Es ist zwar zutreffend, dass der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung vom zu 1 Ob 412/97p (= SZ 71/87 = wobl 1999, 236 [Graf]) zu § 1494 ABGB im Zusammenhang mit der 14-tätigen Frist des § 569 ZPO die Einschränkung ausgesprochen hat, dass im Einzelfall sorgfältig abzuwägen sei, welche Zeit den neu bestellten gesetzlichen Vertreter einzuräumen wäre. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 5 Ob 212/04v wurde jedoch völlig klar ausgeführt, dass jedenfalls allgemein - ein dem § 569 ZPO vergleichbarer Fall liegt ja hier nicht vor - die Zweijahresfrist des § 1494 ABGB schon deshalb heranzuziehen ist, um eine klare Orientierung zu ermöglichen. Dem tritt der erkennende Senat bei. Im Hinblick darauf erweist sich aber die Geltendmachung als jedenfalls rechtzeitig, da die Bestellung der Vertreterin für den klagenden Nachlass erst im April 2002 erfolgt ist und damit im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlungen von Juli 2003 bis Juli 2004 noch offen war. Dass die Einbringung der Klage nach Abschluss der Vergleichsverhandlungen rechtzeitig erfolgte, stellt auch der Beklagte nicht in Abrede.

Im Hinblick darauf war das klagsstattgebende erstgerichtliche Zwischenurteil wiederherzustellen.

Der Kostenvorbehalt fußt auf §§ 50 und 52 ZPO.