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OGH vom 28.08.2003, 8ObA59/03i

OGH vom 28.08.2003, 8ObA59/03i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johannes K*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wider die beklagte Partei I*****gmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Prokopp, Rechtsanwalt in Baden, wegen 5.938,81 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 341/01w-42, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der seit als kaufmännischer Angestellter bei dem Beklagten beschäftigte Kläger war bereits ein Jahr danach allein für den Bereich des Einkaufs verantwortlich, wobei die Lieferscheine und Rechnungen vom Geschäftsführer nur noch darauf überprüft wurden, ob sie vom Kläger einer Überprüfung unterworfen worden waren. Da die Beklagte mit der Fertigung von Schraub- und Pressverbindungen im Bereich der Heizungs- und Sanitäranlagen tätig ist, benötigt sie als Rohmaterial dafür Stangen und Pressgussteile. Diese können entweder zum Vollpreis oder zu einem sogenannten Umarbeitungspreis bezogen werden; letzterer liegt weit unter dem Vollpreis und beträgt nur etwa ein Drittel des Vollpreises, da als Voraussetzung für den Umarbeitungspreis 110 % Späne an den Lieferanten geliefert werden müssen. Nachdem die Beklagte in finanzielle Schwierigkeiten kam und im ersten Halbjahr 1999 das Ausgleichsverfahren eröffnet wurde, waren Lieferanten nur bereit, Rohmaterial zum Vollpreis zu liefern. Ende Juni 1999 ging jedoch ein Schreiben an alle Lieferanten, in dem die Übernahme der Beklagten durch einen neuen Eigentümer bekannt gegeben und die Lieferanten aufgefordert wurden, eine Belieferung zu den normalen Geschäftsbedingungen durchzuführen. Auch die Mitarbeiter der Beklagten wurden im Rahmen einer Betriebsversammlung im Juli 1999 darauf hingewiesen, dass sie nunmehr keine "Einschüchterungen" durch Lieferanten mehr hinzunehmen hätten, da ja die Finanzkraft des neuen Eigentümers hinter ihnen stehen würde.

Trotz dieser maßgeblichen Änderungen kaufte der Kläger weiterhin das Rohmaterial zum Vollpreis von einem bestimmten Lieferanten, obwohl ihm ein anderer Lieferant, der bereits mit der neuen Muttergesellschaft in ständiger Geschäftsverbindung stand, das Rohmaterial zum Umarbeitungspreis anbot. Die Anrufe des Einkaufsleiters der Muttergesellschaft hatten wenig Erfolg und bei einem vom Kläger im September 1999 geführten Gespräch mit dem Einkaufsleiter der Muttergesellschaft weigerte sich der Kläger, die Einkaufsmodalitäten der Beklagten offenzulegen.

Bei seinem bisherigen Lieferanten hatte der Kläger 1999 noch im Juli 32.700 kg, im August 45.940 kg, im September 16.100 kg sowie weitere 2.062 und 997 kg, im Oktober 15.000 kg und im November 400 kg zum Vollpreis bezogen. Gleiches gilt auch für die Bestellungen des Klägers vom neuen Lieferanten im Juli 1999 über 2.044 kg und im August 1999 über 942 kg.

Hingegen bezog dann der Kläger im September 1999 von seinem bisherigen Lieferanten 14.400 kg zum Umarbeitungspreis und im Oktober 1999 auch vom neuen Lieferanten über 45.000 kg zum Umarbeitungspreis.

Rechtliche Beurteilung

Im ersten Rechtsgang hat der Oberste Gerichtshof zu 8 ObA 30/02y im Wesentlichen ausgehend von dem dargestellten Sachverhalt die Entscheidung des Berufungsgerichtes als mangelhaft aufgehoben. Das Berufungsgericht hatte sich bei seinen eigenen ergänzenden Feststellungen mit Aussagen auseinandergesetzt, ohne die betreffenden Personen jedoch selbst zu vernehmen oder auch nur deren Aussagen unter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen zu verlesen (vgl § 488 ZPO und § 281a ZPO). Auch ging das Berufungsgericht - offensichtlich irrtümlich - davon aus, dass der Kläger erst im Oktober 1999 die Verantwortung für den Einkauf übernommen hatte. Zum Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 letzter Fall AngG wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass dieser Handlung und Unterlassung des Angestellten umfasst, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers als unwürdig erscheinen lassen, weil der Arbeitgeber befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen wird und dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet werden (vgl RIS-Justiz RS0029547 mzwN etwa zuletzt ). Auch ist bei Angestellten mit leitender Stellung ein strenger Maßstab hinsichtlich der Vertrauensunwürdigkeit anzulegen (vgl mwN, etwa RdW 2001, 171 ua). Für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit ist schon Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ausreichend, während das Vorliegen des Entlassungsgrundes der Untreue nach § 27 Z 1 AngG einen vorsätzlichen und pflichtwidrigen Verstoß gegen dienstliche Interessen des Arbeitgebers erfordert (vgl RIS-Justiz RS0029652; RdW 2001, 171 ua).

Der Oberste Gerichtshof führte aus, dass nach den Feststellungen der Kläger, obwohl die Arbeitnehmer darauf hingewiesen wurden, keine "Einschüchterungen" durch Lieferanten mehr hinzunehmen und der neue Lieferant auch bereit war zum wesentlich günstigeren Umarbeitungspreis (ca ein Drittel des Vollpreises) zu liefern, bei seinem alten Lieferanten auch noch im Juli bis September 1999 im großem Umfang zum höheren Vollkaufpreis bestellte. Dies verstoße eindeutig gegen die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers. Auch weil der Kläger die Feststellungen hinsichtlich der Bereitschaft, des neuen Lieferanten zum günstigeren Preis zu liefern, in seiner Berufung bekämpft hatte und insoweit die Berufung jedoch vom Berufungsgericht unbehandelt geblieben war, verwies der Oberste Gerichtshof das Verfahren an das Berufungsgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück.

Nunmehr hat aber das Berufungsgericht das Beweisverfahren umfangreich wiederholt und neue Feststellungen getroffen. Die wesentlichen Änderungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass sich auch nach der Übernahme durch einen neuen Eigentümer im Juni 1999 die Lieferanten der Beklagten von Juli bis September 1999 nur bereit waren, Bestellungen zum Vollpreis entgegenzunehmen. Der vom Kläger herangezogene Hauptlieferant verlangte eine Garantieerklärung von der Beklagten, die aber verweigert wurde. Auch der andere Lieferant der Beklagten war nur bereit zum Umarbeitungspreis zu liefern, wenn bereits davor entsprechende Kontingente an Spänen geliefert wurden.

Der Hauptlieferant wurde deshalb vom Kläger bevorzugt, da er entgegenkommenderweise auch zum Umarbeitungspreis lieferte, wenn noch keine Späne geliefert waren. Dies erfolgte aus wirtschaftlichen Gründe, da die Beklagte beim Hauptlieferanten sehr hohe Außenstände hatte und dieser daher die Produktion aufrecht erhalten wollte, um seinen Schaden zu minimieren.

Ausgehend davon erachtete das Berufungsgericht weder den Entlassungsgrund der Untreue noch der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG als verwirklicht, beurteilte daher die Entlassung als unberechtigt und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist.

Die Beklagte vermag nun ausgehend von dem nunmehr festgestellten Sachverhalt in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfragen darzustellen, die über die Beurteilung des Einzelfalles hinaus Bedeutung hätten und als erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu qualifizieren wären.

Soweit die Beklage releviert, dass es eine erhebliche Rechtsfrage in diesem Sinne darstelle, dass eine Prüfpflicht des Vorgesetzten die dienstlichen Verfehlungen des Angestellte nicht entschuldige, verweist sie selbst schon auf die grundlegende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 4 Ob 100/71 (= RIS-Justiz RS0021553 = Arb 8938), die dies festhält. Dass dem berechtigten Vertrauensverlust des Arbeitgebers aus Handlungen des Arbeitnehmers, die gegen die Interessen des Arbeitgebers verstoßen oder den Arbeitnehmer im Sinne der obigen Judikatur als vertrauensunwürdig erscheinen lassen, nicht damit entgegen getreten werden kann, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht ausreichend kontrollierte, also eben Vertrauen schenkte, hat aber auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr geht es bei den Ausführungen des Berufungsgerichtes zum Verhalten der Geschäftsführer im Wesentlichen darum, darzustellen, dass dieses nicht ausreichend war, um die mangelnde Bereitschaft der Lieferanten der Beklagten, zu günstigeren Bedingungen zu liefern, zu ändern.

Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang im Rahmen der rechtlichen Beurteilung davon ausgeht, dass es an ausreichenden Spankontingenten gemangelt habe, um die Bestellungen zu den niedereren Umarbeitungspreisen vorzunehmen, ist der Beklagten zwar zuzugestehen, dass es an detaillierten Feststellungen dazu fehlt. Dies ist jedoch deshalb ohne Relevanz, weil die Beklagte zwar allgemein die Behauptung aufgestellt hat, dass auch Späne verkauft worden seien, dies jedoch gar nicht so präzisiert hat, dass beurteilt werden könnte, ob die Spanverkäufe und der Ankauf des Rohmaterials zum Vollkaufpreis in einer zeitlichen Abfolge stattfanden, die es erlaubt hätte, statt des gesonderten Verkaufs der Späne diese für das Erlangen der Umarbeitungspreise zu nutzen und dass dies für die Beklagte auch günstiger gewesen wäre. Nähere Ausführungen zum Verhältnis von Vollkaufpreis abzüglich Spanverkaufspreis einerseits zum Umarbeitungspreis andererseits fehlen.

Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen von Entlassungsgründen trifft aber die Beklagte (vgl RIS-Justiz RS0029127; RIS-Justiz RS0028971 jeweils mwN).

Insgesamt vermag es die Revision jedenfalls nicht eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.