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OGH vom 14.09.1988, 9ObA171/88

OGH vom 14.09.1988, 9ObA171/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Elmar A. Peterlunger und Mag.Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut W***, Arbeiter, Wien 16., Albrechtskreithgasse 11a/4, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wieder die beklagte Partei W*** Antriebstechnik Gesellschaft m.b.H., Wiener Neudorf, Johann-Wustinger-Straße 14, Objekt XII, Industriezentrum NÖ-Süd, vertreten durch Dr.Leander Schüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 62.924,45 netto sA (Revisionsstreitwert S 59.672,68 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Ra 19/88-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 13 Cga 1544/87-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des rechtskräftigen abweislichen Teiles des erstgerichtlichen Urteils zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger einen Betrag von S 32.104,25 netto samt 4 % Zinsen seit binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Begehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger einen weiteren Betrag von S 30.820,20 netto samt 4 % Zinsen seit zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Kosten werden gegenseitig aufgehoben."

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger brachte vor, er sei vom bis als Arbeiter und ab im Angestelltenverhältnis bei der beklagten Partei beschäftigt gewesen. Mit Schreiben vom habe die beklagte Partei das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zum gekündigt und ihn mit sofortiger Wirkung dienstfrei gestellt. Zu Unrecht habe die beklagte Partei verlangt, daß der Kläger während der Zeit seiner Dienstfreistellung seinen offenen Urlaub konsumiere. Die Festlegung des Zeitraumes des Urlaubskonsumes bedürfe der Zustimmung des Arbeitnehmers; er habe das Verlangen der beklagten Partei sofort abgelehnt. Der Urlaubskonsum sei in der Zeit der Dienstfreistellung unzumutbar gewesen, weil der Kläger immer nur Urlaub im Juli konsumiert habe und im übrigen die Zeit zur Postensuche benötigt habe, sodaß eine Erholungsmöglichkeit nicht bestanden hätte. Insgesamt sei noch Urlaub in der Dauer von 49 Arbeitstagen offen gewesen. Hieraus ergebe sich ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung im Betrag von S 62.924,45 netto.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger habe auch in früheren Jahren Urlaube nicht nur im Juli, sondern auch in anderen Monaten verbraucht.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers mit einem Teilbetrag von S 59.672,68 brutto statt und wies das Mehrbegehren ab, wobei es seiner Entscheidung im wesentlichen nachstehenden Sachverhalt zu Grunde legte:

Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde von der beklagten Partei am zum gekündigt. Die beklagte Partei forderte den Kläger in diesem Schreiben dazu auf, seinen Gebührenurlaub von insgesamt 49 Arbeitstagen in der Kündigungsfrist zu verbrauchen, und stellte ihn für den Rest dieser Zeit dienstfrei. Der Kläger teilte der beklagten Partei mit Schreiben vom mit, daß er im Hinblick darauf, daß er bereits im Juli 1986 3 Wochen Urlaub verbraucht habe sowie die Zeit der Dienstfreistellung zum Aufsuchen eines neuen Postens verwenden müsse, der Aufforderung zum Urlaubsverbrauch in der Kündigungsfrist nicht nachkomme. Eine Urlaubsvereinbarung wurde nicht getroffen. Der Kläger blieb im weiteren bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der beklagten Partei vom Dienst freigestellt und verwendete die Zeit im wesentlichen zur Suche eines neuen Arbeitsplatzes. Während seiner Beschäftigung bei der beklagten Partei hatte der Kläger in früheren Jahren nahezu regelmäßig in der Sommerzeit Juni, Juli oder August einen Urlaub im Ausmaß von 3 Wochen verbraucht. Gelegentlich kam es dazu, daß darüber hinaus auch in anderen Jahreszeiten Kurzurlaube tageweise oder höchstens eine Woche verbraucht wurden. Diese Urlaube verbrachte der Kläger zu Erholungszwecken in Österreich, teilweise in Ungarn gemeinsam mit seiner Familie. Die Gattin des Klägers ist Hausbesorgerin, sein Sohn ist Lehrling.

Hiezu führte das Erstgericht aus, daß der Kläger bei Verbrauch seines gesamten offenen Urlaubs innerhalb der Kündigungsfrist gezwungen gewesen wäre, diesen Urlaub größtenteils ohne seine Familie zu verbringen, da seinen Angehörigen entsprechende Urlaubsmöglichkeiten nicht zur Verfügung gestanden wären. Einem Urlaub, den der Kläger von der Familie getrennt verbracht hätte, wäre aber nicht der erforderliche Erholungswert zugekommen. Überdies habe der Kläger Urlaub in dieser Dauer deshalb nicht verbrauchen können, weil er bei der erforderlichen Postensuche behindert gewesen wäre. Zumutbar sei lediglich der Verbrauch eines Urlaubs in der Dauer von 10 Tagen gewesen. Es bestehe daher Anspruch auf Urlaubsentschädigung lediglich für 39 Arbeitstage. Für die restlichen 10 Arbeitstage gebühre keine Urlaubsentschädigung sondern Urlaubsabfindung. Hieraus errechne sich ein Gesamtanspruch in der zuerkannten Höhe, sodaß das übersteigende Begehren nicht berechtigt sei.

Das Berufungsgericht gab der nur von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge; es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren des Klägers zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Gemäß § 2 Abs 3 Urlaubsgesetz sind alle bei demselben Arbeitgeber in unmittelbar vorangegangenen Arbeits(Lehr)- verhältnissen zurückgelegten Zeiten als Einheit anzusehen, gleichgültig in welcher Qualifikation (Lehrling, Arbeiter oder Angestellter) die Beschäftigung erfolgte. Demnach muß bei einer Änderung der vertraglichen Stellung des Arbeitnehmers (z.B. Übernahme eines Arbeiters in das Angestelltenverhältnis, Übernahme eines Lehrlings als Arbeiter oder Angestellter) weder die Wartezeit nach § 2 Abs 2 neu erfüllt werden noch beginnt ein neues Arbeitsjahr (Ausschußbericht 276 BlgNr. 14.GP 2). Es bleibt vielmehr in solchen Fällen das ursprüngliche Eintrittsdatum für den Beginn des Arbeits(Urlaubs)jahres entscheidend (Cerny Urlaubsrecht4, 26). Der Kläger war bei der beklagten Partei vom bis als Arbeiter und ab als Angestellter beschäftigt. Das Urlaubsjahr des Klägers begann daher jeweils am 8. Mai. Sein Urlaubsanspruch betrug nach § 2 Abs 1 UrlG 30 Werktage. Der Kläger geht in seinem Vorbringen abweichend vom Gesetz von der Berechnung des Urlaubsanspruches nach Arbeitstagen aus; dies kommt insbesonders auch in der Anwendung des Teilungsfaktors 22 bei der Berechnung der Höhe der Urlaubsentschädigung zum Ausdruck. Auch die beklagte Partei ermittelte in ihrer Urlaubsaufstellung den Anspruch des Klägers nach Arbeitstagen. Legt man eine 5-Tage-Woche zu Grunde, so entsprechen 6 Werktage 5 Arbeitstagen. Der jährliche Urlaubsanspruch beträgt daher, ausgehend von der offenbar von den Parteien gewählten Form der Ermittlung des Urlaubsanspruches, 25 Arbeitstage.

Der Kläger begehrt Urlaubsentschädigung für 49 Arbeitstage. Da sein Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nur 25 Arbeitstage betrug, ergibt sich, daß 24 Arbeitstage an Urlaub aus einem früheren Urlaubsjahr stammen und daher fast der gesamte Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Vorjahr offen war.

Gemäß § 9 Abs 1 Z 4 UrlG gebührt dem Arbeitnehmer eine Entschädigung in der Höhe des noch ausstehenden Urlaubsentgeltes, wenn das Arbeitsverhältnis nach Entstehung des Urlaubsanspruches jedoch vor Verbrauch des Urlaubs durch Kündigung seitens des Arbeitgebers endet, die Kündigungsfrist mindestens 3 Monate beträgt und der Urlaub während der Kündigungsfrist nicht verbraucht werden konnte, oder dem Arbeitnehmer der Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist nicht zumutbar war. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß in Fällen in denen die Kündigungsfrist mindestens 3 Monate beträgt, der Urlaub grundsätzlich während der Kündigungsfrist zu verbrauchen ist. Der Arbeitnehmer muß den vom Arbeitgeber angebotenen Urlaub konsumieren, wenn für ihn eine Erholungsmöglichkeit besteht (Dusak, Ausgewählte Probleme des Urlaubsrechtes, ZAS. 1985, 54 ff., insbesonders 63). Für diesen Fall besteht daher eine vom § 4 Abs 1 UrlG, welche Bestimmung grundsätzlich vom Vorliegen einer Urlaubsvereinbarung ausgeht, abweichende Regelung. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG ist der Verbrauch des Urlaubes während der Kündigungsfrist als Regelfall vorgesehen. Zu prüfen war aber, ob dem Kläger ein Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht. Das Kriterium für diese Beurteilung bildet die Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers während der für den Urlaubsverbrauch zur Verfügung stehenden Zeit. Ansatzpunkte für die Beurteilung der Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers sind dessen Urlaubspläne (Reisetermin, Buchungen), die Ferienzeit der Kinder, die Situation des berufstätigen Ehegatten, Familienangelegenheiten; ferner bei Mehrfach- oder Teilzeitbeschäftigten die Möglichkeit der Freistellung in anderen Arbeitsverhältnissen, Fortbildungsinteressen und wohl auch ein Bedürfnis einer gewissen Regelmäßigkeit des Urlaubsverbrauches (Arb. 9721).

Der Kläger hat zur Begründung seiner Auffassung, daß ihm der Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei, ausschließlich vorgebracht, daß für ihn wegen der erforderlichen Postensuche keine Erholungsmöglichkeit bestanden habe. Die Notwendigkeit der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz während der Kündigungsfrist ist zweifellos für den Arbeitnehmer eine sehr ins Gewicht fallende Belastung, doch darf nicht übersehen werden, daß in diesem Fall der Ausspruch der Kündigung und die gleichzeitig erfolgte Dienstfreistellung rund 4 1/2 Monate vor der Beendigung des Dienstverhältnisses erfolgte. Insbesonders im Hinblick auf diesen Umstand vermag die Tatsache allein, daß der Kläger während der Kündigungsfrist eine neue Arbeitsstelle suchen mußte, nicht die Unzumutbarkeit jedes Urlaubsverbrauches während der Kündigungsfrist begründen. Unter diesen Umständen war ihm jedenfalls der Verbrauch des Resturlaubes in der Zeit seiner Dienstfreistellung zumutbar. Dem Kläger stand auch bei Verbrauch des gesamten Resturlaubes in der Zeit ab Ausspruch der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses noch immer ein Zeitraum von über 3 Monaten zur Postensuche zur Verfügung. Er konnte diese Zeit zur Gänze zur Suche eines neuen Arbeitsplatzes verwenden und war damit besser gestellt als im Fall der Weiterbeschäftigung durch den Arbeitgeber während der Kündigungsfrist, da in diesem Fall (§ 22 AngG) der Zeitaufwand für die Suche eines neuen Arbeitsplatzes jedenfalls erheblich beschränkter gewesen wäre.

Ein Verbrauch des Resturlaubes in der Dauer von 24 Arbeitstagen während der Zeit der Dienstfreistellung war damit zumutbar, nicht hingegen der Verbrauch des darüber hinausgehenden, für das laufende Urlaubsjahr zustehenden Urlaubes von 25 Arbeitstagen. Wie bereits ausgeführt, bildet auch das Bedürfnis nach einer gewissen Regelmäßigkeit des Urlaubsverbrauches ein bei der Prüfung der Zumutbarkeit im Sinn des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG wesentliches Kriterium. Der durchgehende oder auf einen relativ kurzen Zeitraum zusammengedrängte Verbrauch von rund 2 1/2 Monaten Urlaub widerspricht dem Bedürfnis nach einer Regelmäßigkeit des Urlaubsverbrauches, dies umso mehr, als gerade hier mit Fortschreiten der Jahreszeit die Erholungsmöglichkeiten immer mehr eingeschränkt wurden und der Kläger auch durch die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz belastet war.

Es besteht daher Anspruch auf Urlaubsentschädigung für den Urlaub des laufenden Jahres in der Dauer von 25 Arbeitstagen. Unbestritten blieb die Höhe der Urlaubsentschädigung, die sich - ausgehend vom begehrten Gesamtbetrag - mit einem Betrag von S 1.284,17 netto pro Arbeitstag errechnet. Unter Zugrundelegung von 25 Arbeitstagen ergibt sich hieraus ein berechtigter Anspruch des Klägers von S 32.104,25, wobei der Zuspruch entsprechend dem gestellten Begehren in Form eines Nettobetrages zu erfolgen hatte. Da der Verbrauch des Resturlaubes von 24 Arbeitstagen während der Kündigungsfrist zumutbar war, besteht ein Anspruch über die Urlaubsentschädigung insoweit nicht. Da die Vorschriften über die Urlaubsabfindung sich nur auf das im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses laufende Urlaubsjahr beziehen (vgl. Cerny aaO 125, Klein-Martinek Urlaubsrecht 124 f und Mayr in Adametz-Basalka-Mayr-Stummvoll, Kommentar zum Urlaubsgesetz 1977, 97 und 106), gebührt dem Kläger schon aus diesem Grund für den nicht verbrauchen Resturlaub auch keine Urlaubsabfindung (9 Ob A 159/87). Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 43 Abs 1, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens überdies auf § 50 ZPO.