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OGH vom 29.06.2020, 8ObA58/20t

OGH vom 29.06.2020, 8ObA58/20t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. WesselyKristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verein A*****, vertreten durch Bartlmä Madl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, in eventu Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 6/20y-28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Frage, ob ein Arbeitnehmer als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG anzusehen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0050979 [T7]) und bildet daher – abgesehen von einer groben Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

1.2 Maßgeblich ist, ob der Arbeitnehmer durch seine Position an der Seite des Arbeitgebers und durch Ausübung von Arbeitgeberfunktionen in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern geraten kann (RS0051002). Bei den Arbeitgeberfunktionen, die die Unterstellung unter den Begriff des leitenden Angestellten rechtfertigen können, steht der Einfluss auf die Eingehung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Vordergrund (vgl auch RS0053034; RS0051011). Wesentlich ist aber auch die Ingerenz in Gehaltsfragen, bei Vorrückungen, bei der Urlaubseinteilung, bei der Anordnung von Überstunden, bei der Ausübung des Direktionsrechts und bei der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb. Völlige Weisungsfreiheit ist hingegen nicht erforderlich und kann mit Rücksicht auf die aus der Sicht des Arbeitsvertragsrechts gegebene Arbeitnehmereigenschaft auch des leitenden Angestellten nicht verlangt werden (RS0050979; RS0051284).

1.3 Der als Geschäftsführer bei dem Beklagten
– einem gemeinnützigen Verein – angestellte Kläger war für die Anstellung und die Kündigung sämtlicher Mitarbeiter (insgesamt 38) zuständig, lediglich hinsichtlich der Abteilungsleiter und des kaufmännischen Leiters hatte er bloß ein Vorschlagsrecht. Er konnte entscheiden, ob eine Vollzeitkraft oder zwei Teilzeitkräfte (á 20 Stunden) eingestellt werden, er konnte Vertragsverhältnisse auf Honorarbasis alleine abschließen, Mitarbeiter verwarnen und Kündigungsschreiben sowie Dienstzeugnisse unterfertigen. Außerdem war er Ansprechpartner des Betriebsrats in Personalangelegenheiten und führte Verhandlungen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung, die er letztlich in Abstimmung gemeinsam mit dem Vorstand unterschrieb.

Davon ausgehend hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger sei als leitender Angestellter anzusehen, im Rahmen der Rechtsprechung. Daran ändert nichts, dass der Kläger Entlassungen nicht alleine aussprechen konnte, er sämtliche Personalentscheidungen, die mit Mehrkosten verbunden waren, vom Vorstand genehmigen lassen musste, er bei Gehaltsverhandlungen keinen Spielraum hatte und ihm nur kostenneutrale Änderungen der Arbeitszeit möglich waren; ebenso wenig, dass Fördergeldverträge zusätzlich von zwei Vorstandsmitgliedern zu unterschreiben waren und der Kläger bei Anschaffungen und Ausgaben ab 2.500 EUR den kaufmännischen Leiter zuzuziehen hatte und er ab 17.000 EUR pro Geschäftsfall überhaupt nicht mehr alleinverantwortlich entscheiden durfte. Weder wird für die Qualifikation als leitender Angestellter eine alleinverantwortliche weisungsunabhängige Entscheidungsbefugnis verlangt (vgl 9 ObA 413/97v) noch schadet es, dass sich der Kläger bei seinen Personalentscheidungen im Rahmen eines vorgegebenen Budgets bewegen musste (vgl 9 ObA 110/92; RS0051011), zumal die finanziellen Beschränkungen hier – wie das Berufungsgericht hervorgehoben hat – in erster Linie der Tätigkeit des Beklagten als gemeinnütziger Verein geschuldet waren.

1.4 Als leitender Angestellter kann sich der Kläger nicht auf die Nichteinhaltung des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens nach § 105 Abs 1 und 2 ArbVG berufen.

2.1 Übereinstimmend haben die Vorinstanzen im Weiteren die geltend gemachte Sittenwidrigkeit der Kündigung des Klägers verneint.

Eine nach § 879 ABGB sittenwidrige Kündigung kann nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht aus gänzlich unsachlichen und insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven, Gebrauch gemacht hätte (RS0016680 [T4]). Ob eine Kündigung sittenwidrig ist, kann nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0016680 [T7]). Dass das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten hätte (RS0042881 [T8]), zeigt der Rechtsmittelwerber nicht auf.

2.2 Das Berufungsgericht hat dem Kläger entgegengehalten, dass den Feststellungen nicht zu entnehmen ist, dass er ausschließlich wegen seiner Bitte um Intervention des Vorstands in seinem Konflikt mit dem Betriebsratsvorsitzenden gekündigt wurde. Vielmehr habe das Erstgericht zahlreiche andere Gründe festgestellt, die allesamt geeignet seien, die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Vorstand des Beklagten zu erschüttern. Überdies sei dem Arbeitgeber auch zuzugestehen, einen leitenden Angestellten in einer Führungsposition zu kündigen, wenn er den Eindruck habe, dieser erfülle vor allem in puncto Konfliktmanagement nicht die in ihn gesetzten Erwartungen.

Dagegen wendet der Kläger nur ein, die Kündigung resultiere aus einem sogenannten Motivbündel, es reiche, dass das verpönte Motiv zumindest mitursächlich gewesen sei. Der Kläger übersieht aber, dass ihm ein Motivkündigungsschutz und damit die Beweiserleichterung nach § 105 Abs 5 ArbVG gerade nicht zukommt. Nicht einmal nach seinen eigenen Behauptungen stellte der Umstand, dass er die Einhaltung der Fürsorgepflicht gegenüber dem Beklagten einforderte, das ausschlaggebende Motiv für die Kündigung dar.

3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00058.20T.0629.000

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