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OGH vom 15.11.2006, 9ObA171/05w

OGH vom 15.11.2006, 9ObA171/05w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat der Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich- Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert EUR 7.300), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 11/05v-29, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 4 Cga 151/03h-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass alle bei der beklagten Partei im Angestelltendienstverhältnis beschäftigten begutachtenden Ärzte, die vor der Zusammenlegung bis zum Stichtag bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eingetreten sind und die außerdem im Rahmen eines sogenannten Konsiliarvertrages oder aufgrund mündlicher Vereinbarung oder aufgrund betrieblicher Übung auf Honorarbasis Begutachtungen von Leistungswerbern der beklagten Partei vornehmen, weiterhin neben dem Gehalt DO. B einen Anspruch auf Bezahlung gegenüber der beklagten Partei auf das bisher jeweils durchschnittlich bezahlte Entgelt aus den aufrechten Konsiliarverträgen bzw aufgrund mündlicher Vereinbarung oder betrieblicher Übung haben, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 4.282,21 (darin EUR 710,37 USt und EUR 20 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit EUR 971,04 (darin EUR 161,84 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist seit Gesamtrechtsnachfolgerin sowohl der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter als auch der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (§ 538a ASVG). Das vorliegende Feststellungsbegehren betrifft 39 Ärztinnen bzw Ärzte, die bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter beschäftigt waren und deren Dienstverhältnis auf die Beklagte übergegangen ist.

Soweit es sich um vollzeitbeschäftigte Ärzte handelt, beträgt deren wöchentliche Normalarbeitszeit 36 Stunden (§ 9 Abs 1 Z 1 DO. B). Bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter war es üblich, Begutachtungen des Gesundheitszustandes von Pensionswerbern, die Invaliditätspensionen, Hilflosenzuschüsse bzw zuletzt vor allem Pflegegeld begehrten, mittels getrennter Vereinbarungen zu vergeben, wenn mit dieser Tätigkeit Hausbesuche verbunden waren. Diese Gutachtenserstellungen wurden sowohl an die bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter beschäftigten Ärzte als auch an außenstehende, niedergelassene Ärzte vergeben. Dafür gab es jährlich festgelegte Honorare, die eine Gutachtenspauschale, einen Zuschuss für den Hausbesuch sowie ein Kilometergeld umfassten. Nach Erhalt eines Aktes durch die Anstalt war es die Aufgabe des Gutachters, den Pensionswerber zuhause aufzusuchen, wobei es für die Begutachtung in Pflegegeldfällen Formblätter gab, welche auszufüllen waren. Die Ärzte fuhren zu diesen Befundaufnahmen (Hausbesuchen) mit eigenen Fahrzeugen, und legten nach Gutachtenserstattung Honorarnoten. Der Zeitpunkt der Besuche war den Ärzten anheim gestellt, desgleichen oblag ihnen die Versteuerung bzw das Abführen der Abgaben. Es gab keine Zustimmung des Hauptverbandes für Sonderverträge iSd § 1 Abs 5 DO. B, welche die Ausführung dieser Tätigkeiten und insbesondere deren gesonderte Honorierung im Rahmen von Dienstverträgen ermöglicht hätte. Wenn angestellte Ärzte der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter im Rahmen ihrer Zusatztätigkeit derartige Gutachten erstellt und abgegeben hatten, wurden diese vom fachärztlichen Begutachtungsdienst der Anstalt nur formal geprüft.

In den einzelnen Bundesländern wurden die Einstellungsgespräche mit Ärzten, die in ein Dienstverhältnis zur Pensionsversicherung der Arbeiter treten wollten, von den jeweils leitenden Ärzten der Landesstellen geführt. Unter den leitenden Ärzten war abgesprochen, dass dann, wenn die Pensionsversicherungsanstalt Ärzte benötigte, aber am Arbeitsmarkt ein zu geringes Interesse bestand, auf die Möglichkeit des Zusatzverdienstes durch Gutachtenserstellungen mit Hausbesuchen hingewiesen werden sollte. Sofern sich im Einstellungsgespräch herausstellte, dass das finanzielle Argument nicht vorrangig war, wurden diese Gutachtenserstellungen nicht gesondert erwähnt. Es bestand aber für interessierte Ärzte auch nach bereits vollzogener Anstellung die Möglichkeit, in die Reihe der Gutachter aufgenommen zu werden. Die „Zusagen" dienten dazu, Ärzte dazu zu bewegen, in ein Dienstverhältnis mit der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter zu kommen, auch wenn sie Tätigkeiten ausübten, die ein höheres Einkommen versprachen als das Grundgehalt nach der DO. B. Es gab jedoch keinerlei Bedingung, dass ein Arzt nur aufgenommen wurde, wenn er sich verpflichtete, die Begutachtungen zu übernehmen. Für viele Ärzte war allerdings das Inaussichtstellen der Zusatzverdienstmöglichkeit ein wesentlicher Grund, in ein Angestelltenverhältnis zur Pensionsversicherung der Arbeiter zu treten.

So gab es beispielsweise in Salzburg Bewerber, die in Spitälern beschäftigt waren und nicht zuletzt durch die Ableistung von Nachtdiensten ein entsprechend höheres Einkommen hatten, als vergleichsweise nach der DO. B. Manchen, jedoch nicht allen dieser Bewerber teilte der leitende Arzt dann mit, dass es auch die Möglichkeit gibt, durch Hausbesuche die Differenz „praktisch aufzufüllen". Ähnlich agierte die leitende Ärztin in Linz bei Aufnahmegesprächen. Auch der leitende Arzt der Landesstelle Graz verwendete jungen Bewerbern gegenüber das Argument, dass es die Möglichkeit gebe, zusätzlich zum Gehalt Hausbesuche zu machen und dabei dazu zu verdienen. In Wien wies der leitende Arzt bei Einstellungsgesprächen darauf hin, dass es im Falle der Bewährung die Möglichkeit gebe, zusätzlich Begutachtungen zu machen. Dabei war allerdings nie von einer Zusage eines Mindestverdienstes oder einer Obergrenze die Rede. Vielmehr wurde dargestellt, dass das Zusatzhonorar von der Anzahl der erstellten Gutachten und vom Willen des einzelnen Arztes abhänge.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass den sich bewerbenden Ärzten konkrete Zahlen von Gutachtenserstellungen bzw von Mindestgutachtensaufträgen in Aussicht gestellt wurden. Für viele Fachärzte, die ein Angestelltenverhältnis anstrebten, war die Möglichkeit eines Zusatzeinkommens durch Begutachtungen im Rahmen von Hausbesuchen der Grund, zur Pensionsversicherung der Arbeiter zu kommen.

Seitens der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter wurde keine bestimmte Anzahl von Begutachtungen vorgegeben, es konnte jeder Arzt die Anzahl der Gutachten selbst bestimmten, auch Gutachtenserstellungen überhaupt ablehnen, ohne dass dies zu Konsequenzen geführt hätte.

Zunächst erfolgten die Aufträge zu Gutachtenserstellungen immer mündlich, schriftliche Konsiliarverträge waren externen niedergelassenen Ärzten vorbehalten. Ab wurden auch die anstaltsinternen Gutachterärzte aufgefordert, schriftliche Konsiliarverträge, welche österreichweit gleichlautend waren, zu unterzeichnen, was in der Folge auch geschah. Insgesamt änderte sich dadurch nichts an der vorher und später geübten Praxis. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass diese Konsiliarverträge einen von der Praxis abweichenden Inhalt hatten. Diese Verträge lauten auszugsweise wie folgt:

„Konsiliarvertrag (für Dienstnehmer)

Abgeschlossen zwischen der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und ..., im Folgenden kurz Konsiliararzt/ärztin genannt.

1.1. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter hat in Erfüllung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben an ihren Versicherten Untersuchungen zur Prüfung, ob die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung von Invaliditätspensionen, vorzeitigen Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, Pflegegeld sowie Maßnahmen der Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge vorliegen, durchzuführen ...

Der/Die Konsiliararzt/ärztin übt diese Tätigkeit als Dienstnehmer der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter aus.

1.2. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter überträgt hiermit an den/die Konsiliararzt/ärztin und dieser/diese übernimmt von ihr im Rahmen seiner/ihrer Ausbildung freiberuflich die Aufgabe eines Konsiliarfacharztes für die fachärztliche Begutachtungsstation der Landesstelle ...

1.3. Das Konsiliarverhältnis beginnt mit ... und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

2. Auf dieses Vertragsverhältnis sind primär die ausdrücklich getroffenen schriftlichen Vereinbarungen, subsidiär die privatrechtlichen Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung, die für freie Dienstverträge gelten, anzuwenden.

Der/Die Konsiliararzt/ärztin erklärt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die vereinbarte Konsiliartätigkeit im Rahmen der für ihn/sie als freiberuflich tätiger Arzt/Ärztin bestehenden Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 ASVG erbracht wird. Es wird sohin aufgrund dieser ärztlichen Tätigkeit keine Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs 4 ASVG begründet. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter ist daher auf Basis dieses Konsiliarvertrages weder verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten, noch Einkommensteuer abzuführen.

Alle im Rahmen dieses Konsiliarvertrages anfallenden Beiträge, Steuern und Abgaben werden von dem/der Konsiliararzt/ärztin selbst getragen.

3.1. Die unter Punkt 1.2. genannte Stelle der PVArb weist dem/der Konsiliararzt/ärztin im Rahmen dieses Konsiliarvertrages nach Maßgabe der Anzahl an Antragstellungen im Sinne des Punktes 1.1. Versicherte bzw Hinterbliebene (Patienten), die medizinisch zu beurteilen sind, zur Gutachtenserstellung und zur Vornahme der dazu notwendigen Untersuchungen zu. Die PVArb stellt dabei die für die Gutachtenserstellung erforderlichen Unterlagen - soweit vorhanden - zur Verfügung. Aus diesen ergeben sich auch die zu beurteilenden Fragen, die sich auf die medizinischen Voraussetzungen für eine oder mehrere Leistungsgewährungen im Sinne des Punktes 1.1. beziehen können.

Es besteht kein Anspruch des/der Konsiliararztes/ärztin auf Zuweisung einer Mindestanzahl von Patienten durch die PVArb.

3.2. Der/die Konsiliarzt/ärztin verpflichtet sich, hinsichtlich der ihm/ihr zugewiesenen Patienten Gutachten zu erstellen, sowie die dafür notwendigen Untersuchungen vorzunehmen. Hiebei gilt die Regel, dass alle Gutachten spätestens in dem dem Zuweisungsmonat folgenden Kalendermonat zu erstellen und bei der zuweisenden Stelle der PVArb abzuliefern sind. Begründete Abweichungen hievon, insbesondere bei fehlgeschlagenen Hausbesuchen sind zulässig.

...

3.3. Der/Die Konsiliarzt/ärztin hat die aufgrund dieses Konsiliarvertrages vorzunehmenden Untersuchungen am jeweiligen Aufenthaltsort des Patienten (Hausbesuch) unter Zuhilfenahme eigener Betriebsmittel durchzuführen.

Der/Die Konsiliararzt/ärztin hat dabei die Patienten rechtzeitig schriftlich vom Termin des Hausbesuches zu verständigen.

3.4. Der/Die Konsiliararzt/ärztin hat sich bei den Untersuchungen und der Erstellung der Gutachten an die maßgeblichen Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung zu halten. Er/Sie ist in seinen/ihren ärztlichen Entscheidungen unabhängig und weisungsfrei.

...

3.6. Ist der/die Konsiliararzt/ärztin voraussichtlich für einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen an der Erbringung der vereinbarten Konsiliartätigkeit infolge Krankheit, Urlaub, anderweitiger Verpflichtung etc verhindert, so hat er/sie diesen Umstand der PVArb möglichst frühzeitig bekanntzugeben. Der/Die Konsiliararzt/ärztin hat diesfalls sowie bei unvorhersehbarer, länger als zwei Wochen dauernder Verhinderung alle noch nicht erledigten Begutachtungsfälle umgehend an die zuweisende Stelle der PVArb zurückzustellen.

Letzteres gilt auch dann, wenn die von der PVArb gewünschte Begutachtung nicht von der Ausbildung des/der Konsiliararzt/ärztin umfasst sein sollte.

...

4.1. Zur Abgeltung der vereinbarten Tätigkeit erhält der/die Konsiliararzt/ärztin von der PVArb unbeschadet der Punkte 4.2. und 4.3. pro Gutachten ein Honorar von derzeit S 519. Für Hausbesuche, die zur Erstellung eines Gutachtens erforderlich sind, gebührt dem/der Konsiliararzt/ärztin ein Honorarzuschlag von derzeit S 194.

...

4.3. Für die im Rahmen der Konsiliartätigkeit erforderlichen Fahrten zwischen dem Wohnort des/der Konsiliararzt/ärztin und dem Aufenthaltsort des zu begutachtenden Patienten (Hausbesuch) wird dem/der Konsiliararzt/ärztin weiters die Kilometergebühr (inklusive Zeitversäumnis) für Einfachkilometer von derzeit S 10 vergütet.

...

4.4. ... Gleichzeitig mit der Ablieferung der Gutachten wird der/die Konsiliararzt/ärztin eine gemäß den Punkten 4.1. bis 4.4. aufgeschlüsselte Rechnung über alle mit den betroffenen Gutachten im Zusammenhang stehenden Vertragsleistungen legen.

...

5.1. Dieser Konsiliarvertrag kann ohne Angabe von Gründen mittels eingeschriebenem Brief von dem (der) Konsiliararzt/ärztin unter Einhaltung einer dreimonatigen, von der PVArb unter Einhaltung einer einmonatigen Frist zu jedem Monatsletzten gekündigt werden (Weiters sieht Punkt 5.2. die sofortige Auflösung des Vertragsverhältnisses aus bestimmten, dort genannten wichtigen Gründen vor).

...".

Am richtete die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter folgendes Schreiben an ihre Ärzte: „Wie bereits bekannt ist, werden die beiden bisher getrennten Pensionsversicherungsträger für Angestellte und Arbeiter per zu einem Versicherungsträger zusammengeführt. Der Überleitungsausschuss hat daher in seiner Sitzung vom 28. 8. dieses Jahres entschieden, dass die Erstellung von Gutachten auf Honorarbasis für Versicherte und Pensionisten der PVA durch angestellte Ärzte ab Jänner 2003 nicht mehr vorgesehen sein wird. Dies bedeutet, dass Sie Gutachtensaufträge nurmehr bis erhalten, die aber von Ihnen durchaus noch im Jahre 2003 abgeschlossen werden können. Neue Aufträge werden an angestellte Ärzte der PVA ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vergeben". Tatsächlich werden seit keine Gutachtensaufträge mehr an angestellte Ärzte vergeben.

Der klagende Betriebsrat begehrte die aus dem Spruch hervorgehende Feststellung. Er begründete dies damit, dass sich die um eine Anstellung bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter bewerbenden Ärzte sich schon bei der Einstellung hätten verpflichten müssen, zusätzlich Begutachtungen vorzunehmen. Ohne diese Möglichkeit wären aber die Dienstverhältnisse der interessierten Ärzte auch nicht zustandegekommen. Der Unterschied zu sonstigen, dienstvertraglichen Tätigkeiten habe darin bestanden, dass im Rahmen der Konsiliarverträge ausschließlich Gutachtenserstellungen mit Hausbesuch zugewiesen worden seien. Wenngleich die Konsiliarverträge formell neben den Dienstverträgen als „freie Dienstverträge" abgeschlossen worden seien, handle es sich um eine unzulässige Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen, sodass von einem Gesamtbeschäftigungsverhältnis auszugehen sei. Die nunmehr seit einseitig erfolgte „Streichung" eines Entgeltsteils sei rechtswidrig, selbst im Falle einer Kündigung könne es sich nur um eine unzulässige Teilkündigung handeln. Die betroffenen Ärzte hätten daher weiterhin Anspruch auch auf die „Gutachtenshonorare", zumal Grundgehalt und Honorare als zugesagtes Mindestentgelt zu beurteilen seien.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Bei den zusätzlichen Konsiliarverträgen habe es sich um echte freiberufliche Tätigkeiten der sonst angestellten und vollbeschäftigten Ärzte gehandelt. Es könne weder von einer Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften noch von einem „Gesamtbeschäftigungsverhältnis" die Rede sein. Abgesehen davon, dass keine fixen Zusagen seitens der einstellenden Ärzte erteilt worden seien und auch keine entsprechende verallgemeinerbare Übung vorgelegen habe, seien auch keine Sonderverträge gemäß § 1 Abs 5 DO. B geschlossen worden. Es habe nie die Zustimmung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger gemäß § 460 Abs 1 ASVG für den Abschluss von ergänzenden oder ändernden Sonderverträgen gegeben. Abgesehen davon, dass die betroffenen Ärzte keinen vertraglichen Anspruch auf eine bestimmte Mindestauftragssumme gehabt haben, sei das „Rundschreiben" vom Oktober 2002 als Kündigungsschreiben zu beurteilen, sodass sämtliche Konsiliarverträge auch formell aufgelöst seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass es sich bei den Konsiliar-Begutachtungsverträgen um freie Dienstverhältnisse gehandelt habe, doch seien diese ausschlaggebend dafür gewesen, dass die Bewerber auch Angestelltendienstverträge abgeschlossen haben, weil das DO. B-Gehalt wesentlich geringer gewesen sei als beispielsweise das Einkommen in einem Spital. Der Dienstgeber habe bei der Einstellung der Ärzte bindende Zusagen dahin abgegeben, dass aus Hausbesuchen zusätzliche Einkünfte erwirtschaftet werden könnten. Diese Vereinbarung könnte nicht bzw nur bei schwerwiegenden Gründen widerrufen werden. Da solche nicht vorlägen, sei der Dienstgeber verpflichtet, diese Zusage einzuhalten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, wonach die Hausbesuchs-Gutachtenstätigkeiten im Rahmen eines freien Dienstvertrages ausgeübt worden seien. Zum Abschluss solcher freien Dienstverträge habe es auch nicht der Zustimmung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger iSd § 460 Abs 1 ASVG bedurft. Ungeachtet des Umstandes, dass die betroffenen Ärzte nach Punkt 3.2. des Konsiliarvertrages keinen Anspruch auf Zuweisung einer Mindestanzahl von Patienten haben, verstoße der gänzliche Entzug der Gutachtensaufträge angesichts der Tatsache, dass die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter durch ihre leitenden Ärzte mit dieser Nebentätigkeit zahlreiche Stellenbewerber bewogen habe, einen gegenüber einer Spitalstätigkeit schlechter bezahlten Arbeitsplatz anzunehmen, gegen Treu und Glauben. Der wirtschaftliche Hintergrund der Zusage einer Nebentätigkeit habe darin bestanden, die Differenz im Gehalt gegenüber der Tätigkeit in einem Spital aufzufüllen, sodass die bewerbenden Ärzte damit rechnen konnten, dass sie das Einkommen aus der Tätigkeit als Konsiliararzt solange haben würden, als diese Differenz bestehe. Dass diese Gehaltsdifferenz nicht mehr aufrecht sei, sei seitens der Beklagten nicht vorgebracht worden. Die Beklagte sei jedenfalls verpflichtet, die den Ärzten gemachten Zusagen einer zusätzlichen Verdienstmöglichkeit einzuhalten. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil schon im Hinblick auf die große Anzahl betroffener Dienstnehmer davon auszugehen sei, dass die Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfragen über den vorliegenden Einzelfall hinausgehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Seit der Einführung des § 460 ASVG am müssen die Formalvoraussetzungen dieser Bestimmungen eingehalten werden, wenn sich der Arbeitnehmer auf ihn begünstigende Sondervereinbarungen - sei es auch im Rahmen einer Betriebsübung - berufen will (RIS-Justiz RS0119176; 9 ObA 24/03z). § 1 Abs 5 DO. B verweist im Übrigen ausdrücklich darauf, dass von der DO abweichende Vereinbarungen mit Ärzten nur dann rechtswirksam abgeschlossen werden können, wenn vorher die Zustimmung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger gemäß § 460 Abs 1 ASVG erteilt wird.

Der Versuch des klagenden Betriebsrats, die Konsiliarverträge als Bestandteil der Angestelltendienstverträge zu konstruieren, muss daher erfolglos bleiben, da es in jedem Fall an der Wirksamkeitsvoraussetzung des § 460 Abs 1 ASVG ermangelt. Darüber hinaus ist den Vorinstanzen dahin beizupflichten, dass die Ausgestaltung der Konsiliarverträge im Sinne der bisherigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0021313; RS0021518 uva) für die Begründung eines zusätzlichen Selbständigen-Vertragsverhältnisses spricht, wobei es für die weitere Beurteilung dahingestellt bleiben kann, ob es sich um freie Dienstverträge oder Werkverträge (vgl hiezu RIS-Justiz RS0029477, RS0021759; RS0038942 [T8]) handelt.

Wesentlich ist ferner der Umstand, dass sämtliche Ärzte die schriftlichen Konsiliarverträge unterzeichnet haben, in denen ausdrücklich darauf hingewiesen wird (Punkt 3.1.), dass kein Anspruch auf Zuweisung einer Mindestanzahl von Patienten durch die PVArb besteht. Der erst im Berufungsverfahren erhobene Einwand des Klägers, dass diese Verträge nur unter Druck zustandegekommen seien, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich, zumal sich die Beklagte bereits im Verfahren erster Instanz auf diese schriftlichen Verträge berufen und der Kläger einen entsprechenden Einwand nicht erhoben hat. Allfällige Beweisergebnisse (Zeugenaussagen) können notwendiges Prozessvorbringen nicht ersetzen.

Selbst ohne diese schriftliche Fixierung geben aber die Feststellungen keinen Anlass für die Annahme einer „verbindlichen Zusage". Abgesehen davon, dass der Hinweis auf einen Zusatzverdienst durch Erstattung von Konsiliargutachten nicht in jedem Fall, sondern nur dann erfolgte, wenn es im Einzelfall als Argumentationshilfe dienlich war, konnten die Einstellungswerber auf keine bestimmte Mindestanzahl von Gutachtensaufträgen oder aber gar auf eine bestimmte Einkommenshöhe schließen, zumal lediglich auf den „Fleiß" der an Gutachtenserstattungen interessierten Ärzte hingewiesen wurde. Die Annahme des Berufungsgerichtes, dass zumindest auf einen Zusatzverdienst hingewiesen worden sei, welcher die Differenz zum Spitalsverdienst abdecken könne, findet in den Feststellungen jedenfalls nicht in dieser verallgemeinernden Form Deckung.

Die betroffenen Ärzte haben daher keinen Anspruch auf „durchschnittlich bezahltes Entgelt aus den aufrechten Konsiliarverträgen bzw aufgrund mündlicher Vereinbarung oder betrieblicher Übung".

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kostenersatz für die Revision umfasst nur 60 %, nicht jedoch 180 % Einheitssatz, weil § 23 Abs 9 RATG den dreifachen Einheitssatz nur für Berufungen vorsieht.