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OGH vom 10.10.2001, 9ObA171/01i

OGH vom 10.10.2001, 9ObA171/01i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner und Franz Gansch als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien

1. Gertrud T*****, Angestellte, ***** (25 Cga 55/97h), 2. Nenad R*****, Angestellter, ***** (25 Cga 56/97f) und 3. Edith C*****, Angestellte, ***** (25 Cga 57/97b), sämtliche vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Kaufhaus AG, ***** vertreten durch Kunz Schima Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1. S 219.567,-- sA, 2. S 306.635,04 sA, und 3. S 238.071,-- sA (Gesamtstreitwert S 764.275,04), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 338/00z-37, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 25 Cga 55/97h-29, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 20.182,50 (darin S 3.363,75 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution anteilig zu ersetzen, und zwar der Erstklägerin S 5.852,93 (darin S 975,49 USt), dem Zweitkläger S 8.073,-- (darin S 1.345,60 USt) sowie der Drittklägerin S 6.256,57 (darin S 1.042,75 USt).

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien standen bis zuletzt im Angestelltendienstverhältnis zur beklagten Partei und arbeiteten im Kaufhaus "Franz Josefs-Bahnhof", welches am endgültig geschlossen wurde. Der Zweitkläger war Vorsitzender des Betriebsrates des genannten Betriebes, die Erst- und Drittklägerin waren Betriebsratsmitglieder. Nachdem sämtliche drei Kläger zunächst ihre per ausgesprochenen Kündigungen als auch die am schriftlich ausgesprochenen Entlassungen angefochten hatten, akzeptierten sie mit der vorliegenden Klage die Beendigung ihrer Dienstverhältnisse.

Der Betriebsrat des Kaufhauses "Franz Josefs-Bahnhof" der beklagten Partei war schon seit dem Jahr 1995 darüber informiert, dass Pläne bestanden, das Kaufhaus per zu schließen. Parallel zu einem gemäß § 144 ArbVG eingeleiteten Schlichtungsverfahren über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung (Sozialplan) kam es zu zahlreicher Korrespondenz zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung. So gab am die Gewerkschaft der Privatangestellten namens des Betriebsrates der Geschäftsführung der Beklagten bekannt, dass ihrer Meinung nach eine Versetzung von Dienstnehmern nur möglich sei, wenn dies entweder im Dienstvertrag vorgesehen oder sowohl Angestellte als auch Betriebsrat zustimmten. Auch wurde angekündigt, dass der Betriebsrat am die Belegschaft über die rechtlichen Möglichkeiten informieren und aufklären werde. Die Geschäftsführung antwortete unverzüglich dahin, dass eine einseitige Versetzung in Anbetracht der konkreten Dienstverträge nach Stilllegung des Kaufhauses jedenfalls, in Wahrheit aber schon davor, zulässig und nur eine - hier nicht anwendbare - Zumutbarkeitsschranke zu beachten sei. Überdies sei eine Zustimmung des Betriebsrates bei einer Versetzung unter 13 Wochen nicht erforderlich. Die Dienstnehmer wurden allgemein aufgefordert, sich dringend zu überlegen, keine Schritte zu setzen, die dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Am forderte der Betriebsratsvorsitzende (Zweitkläger) die Geschäftsleitung auf, binnen einer Woche bekannt zu geben, wo die Beschäftigten nach dem letzten Öffnungstag Arbeiten erbringen sollten, um diese Angelegenheit klären und allfällige Vereinbarungen treffen zu können. In einem Antwortschreiben vom gab der Vorstand der beklagten Partei zu erkennen, dass er der Meinung sei, dass sich der Betriebsrat seiner Rechtsmeinung angeschlossen habe und kündigte an, einen entsprechenden Personaleinsatzplan zu erstellen und zu übermitteln. Am antwortete der Betriebsrat, dass er missverstanden worden sei und kein Anerkenntnis der Rechtsmeinung des Vorstandes der beklagten Partei vorliege, aber ein Personaleinsatzplan erwartet werde. Am richteten die Kläger, vertreten durch die GPA, im Wesentlichen gleichlautende Schreiben an die beklagte Partei. In den Briefen der zweit- und drittklagenden Parteien heißt es unter anderem, dass auf Grund der bestehenden Dienstverträge eine Weiterbeschäftigung an einem anderen Standort des Unternehmens der Beklagten nicht vorgesehen und die Dienstnehmer daher nicht bereit seien, an einem anderen Standort Dienstleistungen zu erbringen. Weiters scheint in den Schreiben, und zwar diesbezüglich gleichlautend mit demjenigen der Erstklägerin, der Passus auf, dass der guten Ordnung halber festgehalten werde, dass sämtliche Kläger davon ausgingen, dass sie unwiderruflich von der Dienstleistung bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses freigestellt seien.

Schon am hatte die beklagte Partei Klagen auf Zustimmung zur Kündigung der hier klagenden Parteien gemäß § 120 iVm § 121 Abs 1 Z 1 ArbVG wegen geplanter Betriebsstilllegung eingebracht. In der Tagsatzung vom erklärten sich alle hier klagenden Parteien ausdrücklich bereit, auch in anderen Betrieben der beklagten Partei zu arbeiten, zumal nur eine Betriebsteileinstellung vorliege und Arbeiten in den Kaufhäusern S*****, S***** und H***** erbracht werden könnten. Am 29. 8. bzw sprach die beklagte Partei Kündigungen der Kläger per aus. Diese Kündigungen bekämpften die hier klagenden Parteien mit Klagen vom 6. 9. bzw , in welchen die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen bzw deren Unwirksamerklärung begehrt wurden. In sämtlichen Klagen, welche der beklagten Partei am zugestellt wurden, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die klagenden Parteien zur Arbeitsleistung an anderen Dienststellen der beklagten Partei bereit seien. Am hatte die beklagte Partei an die klagenden Parteien Aufforderungen zum Arbeitsantritt wie folgt abgesandt: Die Erstklägerin wurde aufgefordert, unter Anrechnung allfälliger Gutstunden und Postensuchtage, wofür sie bis freigestellt werde, ab 3. Oktober, 9 Uhr, bis ihren Dienst im Kaufhaus H***** anzutreten. An den Zweitkläger erging die Aufforderung, sich am 3. Oktober, 7 Uhr, bis zum Dienstantritt im Kaufhaus S***** einzufinden; bis 3. 10. sei er freigestellt und damit seien seine Gutstunden abgegolten. Der Drittklägerin wurde mitgeteilt, dass zur Kenntnis genommen werde, dass sie sich seit 5. 8. bis 19. 9. (inklusive des Urlaubsanspruches ab ) im Urlaub befinde; sie sei dann bis 20. 10. dienstfrei gestellt und solle ab 21. 10., 9 Uhr, bis zum Ende des Dienstverhältnisses am ihren Dienst im Kaufhaus H***** antreten.

In getrennten Schreiben vom reagierten die Kläger, vertreten durch die GPA, auf das Schreiben der Beklagten vom . Die Erstklägerin gab bekannt, dass sie nicht verpflichtet und auch nicht bereit sei, ihren Dienstvertrag dem Wunsch der Beklagten entsprechend abzuändern. Überdies teile sie im Hinblick auf das anhängige Gerichtsverfahren nicht die Rechtsansicht, dass ihr Dienstvertrag per ende. Ähnlich reagierten Zweitkläger und Drittklägerin, wobei sich noch der Zusatz findet, dass sie nicht bereit seien, am (Zweitkläger) bzw am (Drittklägerin) ihre Arbeit an den von der Beklagten vorgeschlagenen neuen Arbeitsstellen anzutreten. Diese Schreiben gelangten dem Personalleiter der Beklagten wie die schon vorerwähnten Klagen betreffend die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen bzw Unwirksamerklärung derselben am zur Kenntnis. Dabei fiel ihm der Widerspruch zwischen den drei Klagen einerseits, wo Arbeitsbereitschaft bekundet wurde, und den vorgenannten Antwortschreiben des Sekretärs K***** von der GPA vom auf. Er ärgerte sich darüber und sprach daher noch am namens der beklagten Partei schriftlich die Entlassung der Kläger aus.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Weigerung der Kläger, den Arbeitsort zu wechseln, berechtigt gewesen sei, sodass keine beharrliche Arbeitsverweigerung vorgelegen sei. Nach den Dienstverträgen seien sie nicht verpflichtet gewesen, während der Kündigungsfrist Dienst an einer anderen Arbeitsstelle als dem Kaufhaus "Franz Josefs-Bahnhof" zu verrichten. Durch ihre unterschiedlichen Erklärungen in der Korrespondenz einerseits und in den parallel dazu anhängigen Prozessen andererseits hätten sie jedoch die Arbeitgeberin über ihre wahre Absicht im Unklaren gelassen, sodass § 32 AngG Anwendung zu finden habe und die Ansprüche der Kläger um die Hälfte zu kürzen seien.

Sowohl die Kläger als auch die beklagte Partei erhoben gegen dieses Urteil Berufung. Das Berufungsgericht gab derjenigen der Kläger statt und änderte das Urteil im Sinne einer völligen Klagestattgebung ab. Es vertrat die Auffassung, dass gerade die von den Klägern nicht eindeutig erklärten Absichten nicht geeignet waren, bei der beklagten Partei den Eindruck einer endgültigen Arbeitsverweigerung zu erwecken. Die beklagte Partei wäre daher verhalten gewesen, diese zweifelhafte Situation durch entsprechendes Nachfragen aufzuklären. Die Entlassungen seien daher vor dem Feststehen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung und somit unberechtigt ausgesprochen worden. Für die Annahme eines Mitverschuldens der Kläger bestehe keine Veranlassung. Insbesondere hätten sie die Beklagte nicht dadurch in die Irre geführt, dass sie einen ihnen bekannten Rechtfertigungsgrund für ihr Verhalten verschwiegen hätten.

Das Berufungsgericht verneinte einen Entlassungsgrund nach § 27 Z 4 AngG genauso zutreffend wie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 32 AngG. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Die bloße Ankündigung der Nichtbefolgung einer Weisung erfüllt mangels Vorliegens des Merkmals der Beharrlichkeit nicht die Voraussetzungen des Entlassungstatbestandes nach § 27 Z 4 AngG (RIS-Justiz RS0029746; Kuderna, Entlassungsrecht2 115). Die beharrliche Weigerung setzt vielmehr eine vorangegangene Ermahnung (Verwarnung) oder wiederholte Aufforderung voraus. Eine Ermahnung kann lediglich dann unterbleiben, wenn die Weigerung derart eindeutig und endgültig ist, dass angesichts eines derartigen offensichtlich unverrückbaren Willensentschlusses des Angestellten eine Ermahnung als bloße Formalität sinnlos erscheinen müsste (Kuderna aaO 116). Im hier vorliegenden Fall muss Beachtung finden, dass eine Aufforderung, an einem bestimmten Tag (nach Schließung des Betriebes) den Dienst an konkreten anderen Arbeitsstellen der beklagten Partei wieder anzutreten, erst mit Schreiben vom erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt war aber auch noch das von der beklagten Partei angestrengte Kündigungszustimmungsverfahren anhängig, in welchem sie selbst den Standpunkt vertreten hatte, dass ein Einsatz der Kläger an anderen Arbeitsstellen des Unternehmens nicht in Frage komme. Zu beachten ist ferner, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte, dass dem Personalleiter der beklagten Partei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung nicht nur die abschlägigen Korrespondenzmitteilungen der Kläger zugegangen, sondern auch bekannt war, dass sie in den anhängigen Feststellungs- bzw Kündigungsanfechtungsverfahren einen genau gegenteiligen Standpunkt bekundet hatten. Der Personalleiter der beklagten Partei durfte daher - wie jeder andere Arbeitgeber in seiner Lage - nicht annehmen, dass schon eine definitive Weigerung der Kläger vorlag, welche ihn zu einer Entlassung ohne vorherige Aufklärung berechtigt hätte. Da zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassungen die Termine zum Dienstantritt noch nicht aktuell waren, waren die Entlassungen verfrüht und daher unberechtigt.

Eine Minderung der Ansprüche der Kläger im Sinne des § 32 AngG entbehrt ebenfalls einer gesetzlichen Grundlage. Der Vorteilsausgleich dient nämlich nicht dazu, dass ein für die Entlassung nicht ausreichendes Verhalten des Arbeitnehmers zu einer Minderung der Rechtsfolgen der ungerechtfertigten Entlassung führt, um einer ungerechtfertigten Entlassung wenigstens zum Teil doch noch zum Erfolg zu verhelfen (Kuderna aaO 75).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da die Kläger keinen gemeinsamen Anspruch geltend machen, ist ihnen nur ein ihren Quoten am Gesamtstreitwert entsprechender Anteil an den Gesamtkosten zuzuerkennen. Obwohl Gegenstand des Revisionsverfahrens jeweils die Gesamtbegehren der Kläger sind, wurde von ihnen - unrichtig - nur die Kostenbemessungsgrundlage des Berufungsverfahrens herangezogen. Da es sich hiebei um keinen bloßen Rechenfehler handelt, war dieser, von den Klägern gewünschte Ansatz zu Grunde zu legen.