OGH vom 25.01.2011, 14Os186/10z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bergmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nuhi K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 2 und 3, 130 vierter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 27 Hv 154/05s des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom (ON 201), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 27 Hv 154/05s 201, verletzt §§ 375 und 379 StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck, den beim Verurteilten Nuhi K***** sichergestellten Bargeldbetrag von 3.750 Euro „gem § 379 StPO der Bundeskasse zuzuführen“, abgewiesen.
Text
Gründe:
Im Zuge des zur einleitend genannten Strafsache geführten Vorverfahrens wurde ein in einem von Nuhi K***** benützten Wohnraum entdeckter Bargeldbetrag von 3.750 Euro sichergestellt, beim Landesgericht Innsbruck eingezahlt (S 53 und 115/III) und an die Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichts Innsbruck weitergeleitet (ON 112), die ihn auf einem Sparbuch fruchtbringend anlegte (ON 126). Nuhi K***** gab an, bei diesem Geld handle es sich um Ersparnisse aus seinen „vorherigen Beschäftigungen“ (S 75/III).
Mit (seit rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 27 Hv 154/05s 143, wurde Nuhi K***** des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 2 und 3, 130 vierter Fall, 15 StGB (A) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Über eine Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB) oder einen Verfall (§ 20b StGB) wurde ebenso wenig entschieden (vgl § 443 Abs 1 und Abs 2 StPO) wie über privatrechtliche Ansprüche. Die Pauschalkosten des Verfahrens wurden wegen der Einkommenslosigkeit des Verurteilten für uneinbringlich erklärt (vgl die Endverfügung vom , ON 188).
Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom (ON 201) wies das Landesgericht Innsbruck in Stattgebung eines entsprechenden Antrags der Staatsanwaltschaft (S 136/IX) die Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Innsbruck an, den in Rede stehenden Geldbetrag samt Zinsen „an die gemeinsame Rechnungsführerin des Oberlandes und Landesgerichts Innsbruck“ „zur Auszahlung zu bringen“, die diesen Betrag „zu Gunsten des Bundesschatzes zu vereinnahmen“ habe. Begründend führte das Landesgericht Innsbruck aus, „laut Anzeige dürfte dieses Bargeld aus Verkäufen von“ (gemeint: gestohlenen) „Motorsägen stammen“; „eine Zuordnung dieses Geldbetrags an bestimmte durch die Straftaten der Verurteilten geschädigte Personen“ sei „nicht mehr möglich“. Obgleich das Landesgericht Innsbruck die Anwendbarkeit des Ediktalverfahrens verneinte, gründete es die Vereinnahmung des sichergestellten Betrags zu Gunsten des Bundesschatzes auf § 379 StPO (S 139/IX).
Rechtliche Beurteilung
Dieser Beschluss steht wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Werden in einem Strafverfahren Gegenstände beschlagnahmt und gerichtlich verwahrt, um wie hier privatrechtliche Ansprüche oder eine gerichtliche Entscheidung auf Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB), Verfall (§ 20b StGB) oder Einziehung (§ 26 StGB, § 34 SMG) zu sichern (vgl § 115 Abs 1 Z 2 und 3 StPO), so ist über diese Gegenstände „spätestens sogleich nach rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens“ zu verfügen (§ 613 Abs 1 Geo; vgl 15 Os 97/03).
Das Bedenklichkeitsverfahren (§§ 375 bis 379 StPO) findet statt, wenn beim Beschuldigten körperliche Sachen (Vermögenswerte) gefunden werden, „die er allem Anschein nach nicht rechtmäßig innehat“ (EBRV 231 BlgNR 23. GP 21) und deren Eigentümer das Strafgericht nicht kennt. Dieses Verfahren schützt unbekannte Geschädigte, indem das Gericht die beschlagnahmten Gegenstände über eine begrenzte Zeit aufbewahrt und versucht, den Berechtigten ausfindig zu machen ( Spenling , WK StPO § 375 Rz 1). Zu dessen Ausforschung ist der Gegenstand in einem Edikt zu beschreiben (§ 376 StPO); nach erfolglosem Ablauf der Ediktalfrist ist dieser Gegenstand an den Beschuldigten auszufolgen (§ 378 StPO), andernfalls zu veräußern und der Erlös „an die Bundeskasse abzugeben“ (§ 379 StPO). Nach dem klaren Gesetzeswortlaut (vgl § 375 Abs 1 StPO: „fremde Vermögenswerte“) findet das Bedenklichkeitsverfahren auf vertretbare Sachen (insbesondere Geld), an denen ein Beschuldigter durch ununterscheidbare Vermengung Eigentum erworben hat (vgl § 371 ABGB) und bei denen im Übrigen eine Beschreibung anhand individualisierbarer Merkmale (vgl § 375 Abs 1 StPO) nicht in Betracht kommt, keine Anwendung (SSt 45/16 zum so genannten „Eigengeld“; Spenling , WK StPO § 375 Rz 3; Fabrizy StPO 10 § 375 Rz 2). Für derartige Vermögenswerte sehen übrigens §§ 115a ff StPO seit Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2009 (BGBl I 2009/52) ein eigenes Verfahren zur Verwertung sichergestellter oder beschlagnahmter Vermögenswerte unter den dortigen Voraussetzungen (vgl insbesondere § 115a Abs 1 und Abs 2 StPO) vor. § 379 StPO (der bloß im Rahmen des Bedenklichkeitsverfahrens zur Anwendung kommt) stellt vorliegend demnach keine taugliche Grundlage für die Vereinnahmung des Geldbetrags zu Gunsten des Bundesschatzes dar.
Da sich die Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen. Von diesem Beschluss rechtslogisch abhängige weitere Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS Justiz RS0100444).