OGH vom 24.04.1997, 8Ob4/97i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Parteien 1.) Dipl.Ing.Hans R*****, 2.) Dipl.Ing.Gerhard K*****, 3.) Ing.Roman H*****, alle vertreten durch Dr.Martin Stossier, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte und widerklagende Partei Hans Michael P*****, wegen US-Dollar 700.000,-- s. A. und US-Dollar 1,552.500,-- s.A infolge außerordentlicher Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 152/96k-37, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die erkennbar geltend gemachte Mangelhaftigkeit wegen des Unterbleibens der Vernehmung von beantragten Zeugen liegt ebensowenig vor wie die behauptete Aktenwidrigkeit (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich mit der diesbezüglichen Mängelrüge ausführlich auseinandergesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung können Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, nicht mehr in der Revision gerügt werden (SZ 62/157; JBl 1990, 535; EFSlg. 64.136 u.v.a.).
Nur die Auslegung einer nach Form und Inhalt unbestrittenen Urkunde ist eine revisible Frage der rechtlichen Beurteilung. Hängt aber die Beurteilung der Gültigkeit einer beurkundeten Vereinbarung von der Würdigung weiterer Beweismittel, wie etwa Zeugen- und Parteienaussagen ab, handelt es sich um vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpfbare den Tatsachenbereich betreffende Beweiswürdigung. Tatsachenfeststellung ist insbesondere der Schluß von bestimmten Tatsachen auf die Parteienabsicht (SZ 46/69; SZ 47/104; SZ 51/156; SZ 60/37; SZ 66/125; SZ 68/56; SZ 68/161). Die Auslegung einer Urkunde kann wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung vor dem Obersten Gerichtshof nur dann bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnissätzen oder mit den gesetzlichen Auslegungsregeln, z.B. der §§ 914, 915 ABGB, in Widerspruch steht. Wenn aber eine nach diesen Kriterien unbedenkliche Urkundenauslegung nur durch eine andere ebenfalls mögliche Auslegung ersetzt werden soll, kann von einer Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen nicht gesprochen werden (JBl 1972, 200; NZ 1989, 266; AnwBl 1989, 229; SZ 62/201).
Insoweit die Auslegung der strittigen Urkunden somit überhaupt der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist, ist eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen nicht zu erkennen: Der Revisionswerber stützt seine Rechtsmittelausführungen überwiegend auf die Bezeichnung der der Vollmacht beigefügten Vereinbarung als "Sideletter". Dazu ist ihm zu erwidern, daß diese Überschrift nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem gesamten Inhalt der Urkunde gesehen werden kann, sodaß es unerheblich ist, welche Bedeutung der gewählten Bezeichnung im allgemeinen im internationalen Wirtschaftsverkehr zukommt. Die Auslegung, es habe sich in Wahrheit um eine Vereinbarung zwischen den Parteien dieses Rechtsstreites gehandelt, die in der Urkunde genannte Gesellschaft solle lediglich nach außen die Position des Financiers übernehmen, findet im Text der Urkunde mehrere gewichtige Argumente, wie etwa den mehrmaligen Hinweis auf "die Vollmachtsgeber" und die Rückzahlungsverpflichtung betreffend das Honorar an diese zu Handen des Erstklägers, sowie den sich auch aus dem übrigen Beweisverfahren ergebenden engen Zusammenhang mit der dem Revisionswerber unbestrittenermaßen von den Klägern erteilten Vollmacht. Die Urkundenauslegung dahin, daß die im "Sideletter" genannte Gesellschaft lediglich die Funktion einer nur nach außen auftretenden Finanzierungsstelle haben sollte, Rechte und Pflichten der Vereinbarung nach dem übereinstimmenden Parteiwillen jedoch zwischen Klägern und Revisionswerber begründet wurden, ist als den gesetzlichen Auslegungsregeln nicht widersprechend und mit den Grundsätzen der Logik vereinbar nicht zu beanstanden.
Die in Punkt VIII des "Sideletter" getroffene Rechtswahl der Streitteile stellt daher gemäß § 35 Abs 1 IPRG für dieses Verfahren die Beurteilungsgrundlage dar, weil schon die grammatikalische Auslegung die Vereinbarung der Geltung materiellen österreichischen Rechts ergibt. Im übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden, zumal der Revisionswerber im Verfahren erster Instanz die in der Klage ausdrücklich behauptete Geltung materiellen österreichischen Rechtes nicht bestritten hat (vgl. 10 Ob 504/87; ZfRV 1992, 310). In Anbetracht der ausdrücklichen Rechtswahl erübrigt sich mangels konkreten Vorbringens die Erörterung des Rechtsmittelvorbringens auf die grenzüberschreitende Tätigkeit des Revisionswerbers wäre "Europarecht" anzuwenden. Die vom Revisionswerber in ihrer Gültigkeit nicht bezweifelte Gerichtsstandsvereinbarung entspräche dem - in Anbetracht des vor dem liegenden Datums der Klagseinbringung allerdings noch nicht anwendbaren (Art 54 LGVÜ) - Art 17 LGVÜ (vgl. EUGH Slg. 1986, 3337).
Zielt der Gegenstand des mit dem Anwalt geschlossenen Vertrages auf nichtanwaltliche Tätigkeit ab, gilt nicht Anwalts(Vertrags)recht, sondern das dem Vertragsgegenstand entsprechende Recht. Im Falle eines Kreditverschaffungsvertrages ist daher Maklerrecht anzuwenden. Mangels besonderer Vereinbarung besteht kein Honoraranspruch nach dem RAT oder den Autonomen Honorarrichtlinien. Es gilt das Erfolgshonorarprinzip (SZ 26/77; EvBl 1966/317; ImmZ 1973, 24; Strasser in Rummel**2 ABGB § 1002 RdZ 20 und 26). Ähnlich ist die Rechtslage in Deutschland (vgl. WBl 1994, 95), wo der Rechtsanwalt ein gelegentliches Maklergeschäft wirksam vereinbaren kann (BGH NJW 92, 681; Palandt, BGB56, Einf.v. § 652, Rz 3) und für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses allein der Inhalt der Vereinbarung maßgeblich ist (BGH WM 77, 551). Gemäß § 652 BGB wird der Maklerlohn nur dann geschuldet, wenn der vermittelte Vertrag zustande kommt.
Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kommt es bei der Beurteilung seiner Vereinbarung mit den Klägern nicht darauf an, ob die Beschaffung von Sicherheiten und Krediten auf nationaler oder internationaler Ebene versucht wurde oder ob es dazu eines komplizierten Abwicklungsverfahrens bedurfte, weil ausschließlich bedeutsam ist, ob der Revisionswerber rechtsberatende Tätigkeit in nicht bloß unwesentlichem Umfang entfaltete. Dafür fanden sich aber im Verfahren keine Anhaltspunkte, zumal der Revisionswerber in erster Instanz seinen Anspruch auf die erteilte Vollmacht stützte und trotz Vorbringens der Kläger, es liege in Wahrheit ein Maklervertrag vor (AS 213), zu rechtsberatender Tätigkeit kein substantiiertes Vorbringen erstattete.
Insoweit der Revisionswerber darauf beharrt, die Kreditvermittlung sei aus von den Klägern zu vertretenden Gründen gescheitert, geht er nicht von den erstinstanzlichen Feststellungen aus, wonach die für die Kreditgewährung in Aussicht genommene Bank die Informationen über Geldströme, die Offenlegung der Beteiligungen, der Person des Sicherheitsgebers und der Art der Sicherheiten als ungenügend empfand (AS 227). All diese Umstände betrafen aber die Sphäre des Revisionswerbers. Schließlich haben schon die Vorinstanzen zutreffend darauf verwiesen, daß es auf die tatsächliche Verwendung des mittels Schecks von den Klägern entrichteten Dollarbetrages nicht ankommt, weil sich der Revisionswerber unabhängig davon und nach Übergabe des Schecks an einen Bankdirektor mit "Zusatzvereinbarung zum Sideletter" vom (Beil../Q) zur Rückzahlung des eingeklagten Betrages verpflichtet hat, wobei er schon auf Grund des "Sideletter" vom (Beil../D) dafür zu garantieren hatte, daß die Kläger bei Nichtzustandekommen des Darlehensvertrages mit keinen wie immer gearteten Verbindlichkeiten belastet werden.
Der Revisionswerber vermag daher nicht darzustellen, inwieweit das Berufungsgericht eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung unrichtig gelöst hätte oder sonst einer der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Zulässigkeitsgründe vorläge.
Weil die außerordentliche Revision somit nicht zulässig ist, erübrigt es sich darauf einzugehen, ob auf Grund der Richtlinie des Rates vom zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (77/249/EWG) und deren innerstaatlicher Umsetzung durch das EWR-Rechtsanwaltsgesetz 1992 (BGBl 21/1993 i.d.F. BGBl 917/1993) auch eine Gleichstellung im Sinne des § 28 Abs 1 ZPO erfolgte, wonach Rechtsanwälte unter anderem auch vor dem Obersten Gerichtshof der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht bedürfen. Dies scheint auch bei Einhaltung der im EWR-RAG 1992 vorgeschriebenen Förmlichkeiten fraglich, weil sowohl Richtlinie als auch Gesetz von anwaltlicher Dienstleitung und damit Ausübung einer Tätigkeit ausgehen, "die mit der Vertretung oder Verteidigung eines Mandanten im Bereich der Rechtspflege oder vor Behörden zusammenhängt"(vgl. hiezu auch Hempel, Die rechtsberatenden Berufe im Europarecht, 82f; Hoffmann, Anwaltsstand und EU, ÖJZ 1996, 176). Da es infolge Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht zur Anwendung dieser Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes kommt, bedarf es nicht der Prüfung der Frage, ob gemäß Art 177 EG-Vertrag eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen ist (SZ 68/249).