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OGH vom 12.02.2013, 11Os5/13i

OGH vom 12.02.2013, 11Os5/13i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zellinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manuel W***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 142 Hv 112/12z 54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Haas zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, zu Faktum I./ in der Nichtannahme des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB, demzufolge im Strafausspruch sowie die gemäß § 494 Abs 1 und § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO gefassten Beschlüsse aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde zum Schuldspruch II./ wird verworfen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manuel W***** abweichend von der zu I./ auf einen Schuldspruch wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und zu II./ auf einen solchen wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB gerichteten Anklage (ON 13, ON 6 in ON 37) des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB (I./) und „ der “ Vergehen des „versuchten“ (s 12 Os 119/06a, SSt 2007/35) Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (II./1./ und 2./) sowie anklagekonform der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III./1./) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er soweit im Folgenden von Bedeutung in Wien

I./ am im W***** fahrlässig ohne Einwilligung der Eigentümer dadurch, dass er in Top 16 dieser Unterkunft mit einem Brandbeschleuniger eine Matratze anzündete, wodurch das Gebäude in Brand geriet, eine Feuersbrunst verursacht;

II./ fremde bewegliche Sachen Nachgenannten mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht, und zwar

1./ am Gewahrsamsträgern eines I***** Geschäfts einen Pullover im Wert von 119,99 Euro, indem er die Diebstahlsicherung entfernte und ohne Bezahlung der Ware das Geschäftslokal verließ, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil er von einem Angestellten beobachtet und angehalten werden konnte;

2./ am Gewahrsamsträgern der Kirche in *****, einen CD Player im Wert von ca 100 Euro, indem er mit diesem das Gebäude verlassen wollte, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil er beobachtet und angehalten werden konnte;

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Nichtannahme des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Z 7 StGB zu I./ sowie der Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB zu II./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Vorauszuschicken ist, dass die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines Feststellungsmangels die auf Basis des Urteilssachverhalts vorzunehmende Argumentation erfordert, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergebe, weil das Gericht ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS Justiz RS0118580, vgl Ratz WK StPO § 281 Rz 600).

Im vorliegenden Fall bringt die Staatsanwaltschaft solcherart zutreffend vor, dass in Ansehung der vom Schuldspruch I./ umfassten Tat die idealkonkurrierende Verwirklichung des Tatbestands der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB indiziert ist, die Nichtannahme tragende Feststellungen jedoch fehlen (12 Os 149/09t; Fabrizy , StGB 10 § 170 Rz 1; Mayerhofer in WK² § 169 Rz 9, § 170 Rz 3).

Aktenkonform verweist sie darauf, dass nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung (ON 53), insbesondere aufgrund des Gutachtens des Brandsachverständigen (ON 53 S 9), wonach der vom Brand verursachte Schaden rund 20.000 Euro beträgt, als auch aufgrund der in Ansehung der Entfachung eines Feuers in der von ihm gemieteten Wohnung geständigen Verantwortung des Angeklagten (ON 53 S 5) die Feststellung indiziert sei, dieser habe durch die zu I./ beschriebene Tat zumindest bedingt vorsätzlich fremde Sachen, nämlich die von ihm gemietete Wohnung Top 16 im Männerwohnheim in ***** samt den darin befindlichen Einrichtungsgegenständen in einem 3.000 Euro übersteigenden, nämlich rund 20.000 Euro betragenden Wert, zerstört.

Diesbezüglich war in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur spruchgemäß zu entscheiden (zur Weisung vgl im Übrigen RIS Justiz RS0101841).

Der in Ansehung des Schuldspruchs II./ mit dem Ziel einer Verurteilung auch wegen der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation nach § 130 erster Fall StGB gerügte Feststellungsmangel (Z 10) wird indes entgegen der Meinung der Generalprokuratur nicht zur eingangs dargestellten prozessordnungskonformen Darstellung gebracht.

Die Staatsanwaltschaft führt für den von ihr georteten Feststellungsmangel lediglich im Urteil festgestellte Umstände (US 4 f: triste finanzielle Situation, zwei einschlägige Vorstrafen aus 2010 und 2011 und die Tatwiederholung) an, die das Erstgericht offenbar aber gerade nicht als tragfähig für die Konstatierung einer Absicht iSv § 70 StGB ansah (ohne allerdings trotz darauf abzielender Anklage eine Negativfeststellung zu treffen, wenngleich es dazu formell nicht verpflichtet war). Weitere Indizien aus dem Beweisverfahren für eine solche Annahme (ON 53 S 4: Angeklagter gesteht Spiel und Drogensucht zu sowie, mit dem aus dem Diebstahl zu II./2./ erzielten Geld Suchtgift kaufen gewollt zu haben) führt die Beschwerdeführerin nicht ins Treffen.

Die auf Basis der in der Hauptverhandlung gebotenen Einlassung des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen und den Taten sowie aufgrund der verlesenen Vorstrafakten (ON 53 S 12) im Urteil getroffenen Feststellungen, wonach der mit zwei einschlägigen Vorstrafen wegen zum Teil schweren Diebstahls durch Einbruch belastete Angeklagte, der sich in einer tristen finanziellen Situation befand (Bezug von 500 bis 600 Euro monatlich an Sozialleistungen), im Februar 2012 sohin rund ein halbes Jahr nach seiner letzten spezifisch einschlägigen Verurteilung im Abstand von zehn Tagen neuerlich Diebstähle beging und dabei einen Pullover im Wert von 119,99 Euro und einen CD Player im Wert von 100 Euro zu erbeuten trachtete (US 4 f, 7), vermögen die für § 130 erster Fall StGB subsumtionsnotwendige Konstatierung, dass der Angeklagte die ihm nunmehr zur Last liegenden Diebstähle in der Absicht verübte, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht zu ersetzen. Eine mögliche Ergänzung der von den Tatrichtern geschaffenen Sachverhaltsbasis hätte das Aufzeigen von die angestrebte Qualifikation allenfalls unter zusätzlicher Heranziehung der bereits getroffenen Feststellungen indizierenden Beweisergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) erfordert (14 Os 280/05g, SSt 2005/41).

In Ermangelung eines derartigen Vorbringens musste die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Umfang verworfen werden.

Bleibt anzumerken, dass nach seit Jahren gefestigter, vom Erstgericht dennoch unbeachtet gebliebener Judikatur die zu II./1./ und 2./ erfolgte Annahme je eines Vergehens des Diebstahls rechtlich verfehlt ist ( Fabrizy , StGB 10 § 29 Rz 2).

Fallbezogen gereicht dies dem Angeklagten nicht zum Nachteil (vgl RIS Justiz RS0114927), bei der Strafbemessung im ohnehin erforderlichen zweiten Rechtsgang wird von nur einem Vergehen des Diebstahls auszugehen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.