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OGH vom 13.02.2003, 8Ob4/03a

OGH vom 13.02.2003, 8Ob4/03a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin P*****& Co GesmbH, *****, wider die Antragsgegnerin B***** GesmbH, *****, wegen des Antrages der Einschreiterin B***** OEG, *****, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Schönherr Hafner Rechtsanwälte KEG in Wien, auf Akteneinsicht, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 206/02y-8, womit infolge Rekurses der Einschreiterin der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 2 Se 398/99p-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Einschreiterin ist nunmehr Konkursgläubigerin im Insolvenzverfahren der Antragsgegnerin. Am stellte die Einschreiterin den Antrag auf Akteneinsicht in den hier maßgeblichen Akt über einen bereits am von einem anderen Gläubiger der Antragsgegnerin gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkurses über deren Vermögen.

Die Einschreiterin brachte in ihrem Antrag vor, dass es im nunmehr anhängigen Konkursverfahren gegen die Antragsgegnerin eine "Null-Quote" geben werde. Zur Beurteilung der Haftungsanprüche gegenüber dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin wolle die Einschreiterin Einsicht in den Akt über den früheren Konkurseröffnungsantrag nehmen. Insbesondere sei zu klären sei, ob im Kontrahierungszeitpunkt mit der Antragsgegnerin bereits Konkursreife bestanden habe.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Akteneinsicht ab und führte rechtlich aus, dass das Konkurseröffnungsverfahren nicht öffentlich sei. Da das Verfahren mit Abweisung des Konkurseröffnungsverfahren mangels Voraussetzungen geendet habe, stehe den Gläubigern kein Recht auf Akteneinsicht zu.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Einschreiterin Folge.

Rechtlich führte das Rekursgericht aus, dass mangels einer Regelung über die Akteneinsicht in der Konkursordnung § 219 ZPO zur Anwendung komme.

Hinsichtlich der Frage, ob die Einschreiterin als Partei des Konkurseröffnungsverfahren im Jahr 1999 anzusehen sei, gelangte es zu dem Schluss, dass das Konkurseröffnungsverfahren ein Zweiparteienverfahren sei und andere Gläubiger - wenn überhaupt - nur dann Parteistellung in diesem Verfahren erlangen könnten, wenn sie im daran anschließenden Konkurs als Konkursgläubiger beteiligt gewesen wären, oder nach § 71c Abs 1 KO den einen Konkursantrag eines anderen Gläubigers abweisenden Beschluss angefochten hätten. Die Einschreiterin habe jedoch keine Behauptungen dahingehend gemacht, ihr sei schon im Zeitpunkt des Abweisungsbeschlusses im Jahr 1999 eine Konkursforderung zugestanden. Es sei gemäß § 51 Abs 1 KO nur der Gläubiger auch Konkursgläubiger, dem im Zeitpunkt der Konkurseröffnung vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Gemeinschuldner zustünden. Die Konkurseröffnung über die Antragsgegnerin sei jedoch nicht 1999, sondern im Jahr 2001 erfolgt. Allein die Erwähnung des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Konkurseröffnungsverfahrens im Konkurseröffnungsbeschluss ließe keinerlei Einbeziehung dieses Verfahrens in den Prozessstoff des Konkursverfahrens erkennen. Ein Akteneinsichtsrecht nach § 219 Abs 1 ZPO stehe der Einschreiterin sohin nicht zu.

Hinsichtlich der Frage, ob der Einschreiterin Akteneinsicht gemäß § 219 Abs 2 ZPO zu gewähren sei, führte das Rekursgericht aus, dass der Dritte neben dem rechtlichen Interesse auf Grund des datenschutzrechtlichen Interesses der Parteien auch ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht nachweisen müsse. Das rechtliche Interesses der Einschreiterin liege darin, dass sie gerade zur Durchsetzung eines allfälligen Haftungsanspruches gegen den Geschäftsführer der Antragsgegnerin Akteneinsicht begehrt habe. Außerdem würden keinerlei Daten mit schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen vorliegen, da im Konkurseröffnungsverfahren der Antrag mangels Erfüllung der nach der Judikatur mit dem Antrag zu verbindenden Behauptungs- und Bescheinigungserfordernisse abgewiesen worden sei. Da somit die Abwägung des rechtlichen bzw. berechtigten Interesses mit den Geheimhaltungsansprüchen des Datenschutzgesetzes zu Gunsten des Einsichtsrechtes ausfalle, sei die Akteneinsicht gemäß § 219 Abs 2 ZPO zu gewähren.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da zur Frage der Akteneinsicht eines späteren Konkursgläubigers keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig aber nicht berechtigt.

Gemäß § 171 KO sind soweit in der Konkursordnung nichts anderes angeordnet ist, auf das Verfahren ua die Bestimmungen der ZPO anzuwenden. Sonderreglung enthält die KO zur Frage der Akteneinsicht in § 172 Abs 3 KO, der das Recht auf Akteneinsichtsrecht nach § 219 Abs 2 ZPO den Gläubigerschutzverbänden auch ohne Nachweis eines rechtlichen Interesses gestattet. Dieser Fall ist aber hier nicht zu beurteilen.

Es kommen sohin die allgemeinen Regelungen des § 219 ZPO zur Anwendung. Dieser lautet wie folgt:

"(1) Die Parteien können von sämtlichen ihre Rechtssache betreffenden, bei Gericht befindlichen Akten (Prozessakten), mit Ausnahme der Entwürfe zu Urteilen und Beschlüssen, der Protokolle über Beratungen und Abstimmungen des Gerichtes und solcher Schriftstücke, welche Disziplinarverfügungen enthalten, Einsicht nehmen und sich davon auf ihre Kosten Abschriften und Auszüge erteilen lassen.

(2) Mit Zustimmung beider Parteien können auch dritte Personen von den Prozessakten Einsicht nehmen und Abschriften erheben. Fehlt eine solche Zustimmung, so kann einem Dritten, insoweit er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht , eine solche Einsicht- und Abschriftnahme gestattet werden."

Dass die Einschreiterin, die nicht einmal behauptet damals bereits eine Forderung gehabt zu haben, im hier maßgeblichen früheren Konkurseröffnungsverfahren keine Parteistellung hat hat das Rekursgericht zutreffend ausgeführt, sodass insoweit auf dessen Begründung verwiesen werden kann (vgl § 171 KO iVm §§ 528a und 510 Abs 3 ZPO; vgl allgemein Deixler-Hübner in Konecny/Schubert KO § 171 Rz 21 ff; Bartsch/Heil Grundriß des Insolvenzrechts4, 37 f; vgl im Zusammenhang zur deutschen Rechtslage Baumbach/Lauterbach, dZPO60 , § 299, RZ 16; Musielak, dZPO Kommentar3 , § 299, RZ 4).

Der Antrag ist nach § 219 Abs 2 ZPO als Antrag eines Dritten auf Akteneinsicht zu beurteilen. Dieser sieht nun zwei verschiedene Fälle vor, und zwar einerseits die Akteneinsicht aufgrund der Zustimmung der Parteien und andererseits bei Fehlen einer solchen Zustimmung aufgrund eines glaubhaft gemachten rechtlichen Interesses.

Das rechtliche Interesse des Dritten an der Akteneinsicht muss konkret gegeben sein, sei es auch nur dadurch, dass er instandgesetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten, weil er aus dem Akt etwas erfahren will, was er nicht weiß, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen muss (vgl RIS-Justiz RS0037263 mwN zuletzt etwa ; Fasching, Kommentar zu ZPO II, § 219, Anm.2).

Weiters beachtenswert ist aber auch, dass § 1 DSG 2000 anordnet, dass jedermann, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Dieses Grundrecht auf Geheimhaltung erfasst alle auch nicht automationsunterstützt verarbeiteten personenbezogenen Daten (vgl etwa = EvBl 2002/200; Dohr - Weiss - Pollirer, Datenschutzgesetz, 5; Drobesch - Grosinger, Das neue österreichische Datenschutzgesetz, 98), und zwar auch solche juristischer Personen (vgl = EvBl 2001/3; Drobesch/Grosinder aaO, 98; Duschanek/Rosenmayr-Klemenz Datenschutzgesetz 2000, 15).

Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom zu 8 Ob 511/93 die Bedeutung des Grundrechtes auf Datenschutz auch im Zusammenhang mit der Akteneinsicht anerkannt. Allerdings hat der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs nunmehr in seiner Entscheidung vom zu 6 Ob 148/00 = EvBl 2001/1 = RdW 2000/727 = ZVR 2001/31 § 1 DSG 2000 ausgeführt, dass das Recht auf Datenschutz gem § 1 DSG nur solche personenbezogenen Daten betreffen könne, die in einer Datei aufscheinen, also nach der gesetzlichen Begriffsdefinition in einer strukturierten Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich sind (§ 4 Z 6 DSG). Unter Dateien seien daher Karteien und Listen, nicht aber Akten und Aktenkonvolute zu verstehen. Datenschutz setze aber das Vorliegen einer entsprechend strukturierten Datei voraus. Diese Entscheidung wurde allerdings von Rosenmayr-Klemenz ("Zum Schutz manuell verarbeiteter Daten durch das DSG 2000", ecolex 2001, 639) vor allem deshalb kritisiert, weil der OGH nicht zwischen der Geheimhaltung gem § 1 Abs 1 DSG 2000 und dem Recht auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung gem § 1 Abs 3 DSG 2000 differenziere. Damit bleibe unbeachtet, dass § 1 Abs 1 DSG 2000 allgemein von "Daten", Abs 3 jedoch von Daten, die zur Verarbeitung in manuell geführten "Dateien" bestimmt sind, spreche. Ähnlich äußern sich auch Drobesch - Grosinger wonach das Grundrecht auf Geheimhaltung alle personenbezogenen Daten unabhängig davon erfasse, ob sie in einer Datei (vgl § 4 Z 6) strukturiert gesammelt werden oder nicht.

Auch sonst ist in der Literatur anerkannt, dass dem Grundrecht auf Datenschutz auch im Zusammenhang mit der Akteinsicht nach § 219 ZPO Bedeutung zukommt (vgl Simotta Einige Probleme des Datenschutzes im Zivilverfahren ÖJZ 1993, 793 ff; Gitschthaler in Rechberger ZPO2 § 219 Rz 6).

Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Problem ist aber hier schon deshalb nicht erforderlich, da einerseits die Entscheidung des 6. Senates gar nicht zur Frage der Akteneinsicht erging, sondern zur Frage, inwieweit ein Rechtsanwalt ein in einem Vorprozess erstattetes Gutachten betreffen einen Operationsfehler auch im Prozess einer anderen Patientin vorlegen durfte. Andererseits stützt sich die Gemeinschuldnerin auch gar nicht darauf, dass im vorliegenden Fall überhaupt konkrete vom Schutz des § 1 Abs 1 DSG erfasste Daten im Akt vorhanden wären. Vielmehr releviert die Gemeinschuldnerin selbst in ihrem Revisionsrekurs, dass der Konkursantrag ohnehin - wie sich bereits aus der Entscheidung des Rekursgerichts ergibt - schon mangels Nachweises einer Forderung der Antragstellerin abgewiesen wurde. Sie zeigt auch nicht auf, welche nicht bereits aus dem Akt ersichtlichen Umstände von der Gemeinschuldnerin in einer Stellungnahme zum Antrag auf Akteneinsicht hätten aufgezeigt werden können. Es ist daher auch nicht weiter darauf einzugehen, inwieweit dann, wenn der Akteneinsicht tatsächlich konkrete Interessen der Parteien entgegenstehen, diese vor der Entscheidung zu hören sind (vgl in diesem Sinne zu § 73 EO Jakusch in Angst § 73 EO Rz 4).

Entscheidend wird damit, inwieweit die Antragstellerin ein rechtliches Interesse im Sinne des § 219 Abs 2 ZPO glaubhaft machen konnte.

Nach ständiger Judikatur ist nun § 69 Abs 2 KO, der unter anderem den Geschäftsführer einer GesmbH verpflichtet, dann wenn die Voraussetzungen für die Konkurseröffnung vorliegen, grundsätzlich spätestens binnen 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Konkurseröffnung zu beantragen, eine Schutznorm auch zugunsten aller durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigten späteren Gläubiger (vgl RIS-Justiz RS0027441 mwN ähnlich RIS-Justiz RS0027475; OGH 1 Ob 2269/96z = ÖBA 1997/650 = ZIK 1998, 36). Hinsichtlich der rechtzeitigen Antragstellung durch den Geschäftsführer räumt die Rechtsordnung den Gläubigern also eine rechtlich geschützte Position ein.

Nur im Falle der Ablehnung des Antrages auf Konkurseröffnung ist aber die Abweisung mangels kostendeckenden Vermögens nach § 71b KO öffentlich bekannt zu machen. Eine Veröffentlichung aus einem anderen Grund in diesem Verfahrensstadium ist nicht vorgesehen. Für die - späteren - Konkursgläubiger ist also nicht ersichtlich, warum nicht schon früher ein Konkursverfahren eingeleitet wurde. Es ist diesen Gläubigern dann aber auch ein rechtliches Interesse an der Kenntnis früherer Konkursanträge - etwa ob dies vom Geschäftsführer selbst gestellt wurden - zuzubilligen.

Soweit die Rekurswerberin geltend macht, dass es sich dabei um einen unzulässigen "Erkundungsbeweis" handle ist sie auf die oben dargestellte Judikatur zu verweisen, wonach es ja gerade darum geht, die Akteneinsicht deshalb zu gewähren, weil der Betreffende - obwohl ihm daran ein rechtliches Interesse zuzubilligen ist - eben keine Kenntnis von den relevanten Umständen hat.

Die Frage der inhaltlichen Berechtigung allfälliger Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zu prüfen. Ebensowenig kommt es darauf an, ob das Gericht, den gegenständlichen oder andere Konkursanträge berechtigt abgewiesen hat.

Insgesamt ist daher dem Revisionsrekurs der Gemeinschuldnerin nicht Folge zu geben.