OGH vom 25.08.2020, 8Ob39/20y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagten Parteien 1. S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch, M.B.L.-HSG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, 2. H*****, vertreten durch Dr. Michael Pramberger, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, 3. R*****, vertreten durch Dr. Dominik Zimm, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wegen 350.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 133 R 82/18h-87, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Erstbeklagte, deren Geschäftsführer der Drittbeklagte war, als Käuferin und die Gattin des Zweitbeklagten als Verkäuferin schlossen am einen nachträglich wegen Geschäftsunfähigkeit der Verkäuferin durch Gerichtsurteil aufgehobenen Liegenschaftskaufvertrag über einen unausgebauten Dachboden. Die klagende Bank gewährte der Erstbeklagten am selben Tag einen Kontokorrentkredit über 1 Mio EUR, zu dessen Besicherung (ua) der Drittbeklagte die Haftung als Bürge und Zahler übernahm und einen Blankowechsel als Bürge für die erstbeklagte Akzeptantin unterfertigte. Nach dem vom Drittbeklagten entwickelten und der Klägerin auch so präsentierten Konzept sollte die Erstbeklagte das Dachgeschoß nach Ausbau verwerten und vor allem aus dem Verkaufserlös den Kontokorrentkredit zurückführen. Dazu kam es jedoch nicht.
Das Erstgericht hielt den aufgrund des Wechsels gegen alle drei Beklagten erlassenen Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Das Berufungsgericht gab der nur vom Drittbeklagten erhobenen Berufung nicht Folge.
1. Der Drittbeklagte wendet sich in seiner außerordentlichen Revision gegen die Ansicht der Vorinstanzen, dass mangels wirtschaftlicher Einheit der hier geschlossenen Verträge die Nichtigkeit des Kaufvertrags nicht auf alle Verträge durchschlage und dem Drittbeklagten keine Einwendungen aus den anderen Verträgen gegen die Bürgschaft zukomme.
1.2 Ein „Einwendungsdurchgriff“ gegen die Bank (sei es im Sinne einer analogen Anwendung des – mit BGBl I 2010/28 an die Stelle des § 18 KSchG getretenen – § 13 VKrG, sei es unter Heranziehung der Grundsätze der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage) setzt stets eine wirtschaftliche Einheit zwischen Finanzierungs- und finanziertem Geschäft voraus (RISJustiz RS0020621; RS0021046). Die Frage, ob eine solche vorliegt, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (vgl 3 Ob 173/17p) und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.
Das Berufungsgericht hat eine wirtschaftliche Einheit zwischen den Verträgen verneint, insbesondere, weil bloß ein Teil der zugezählten Kreditvaluta, und zwar 400.000 EUR auf die Finanzierung des Kaufs der Liegenschaftsanteile entfallen ist (inwieweit der Restbetrag auf 1 Mio EUR in den Dachgeschoßausbau geflossen ist, konnte nicht festgestellt werden) und es zu keiner Einlösung der Kaufpreisforderung kam. An diesem Ergebnis weckt der Drittbeklagte schon aufgrund nachstehender Erwägungen keine Bedenken:
2.1 Bei Finanzierung risikoträchtiger Beteiligungen (zum Beispiel einer stillen Beteiligung) kommt ein Einwendungsdurchgriff – ungeachtet wirtschaftlicher Einheit zwischen finanziertem Geschäft und Kreditgeschäft – weder unter dem Gesichtspunkt analoger Anwendung des § 18 KSchG aF (nunmehr § 13 VKrG), noch wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 901 ABGB) in Betracht, solange sich das Kreditinstitut auf seine Rolle als Finanzierer beschränkt (RS0044603; vgl auch RS0028149). In diesen Fällen wird der Finanzierer jedenfalls so lange nicht herangezogen, als sich dieser nicht in einer darüber hinausgehenden Weise am finanzierten Geschäft beteiligt (etwa indem er einen besonderen Vertrauenssachverhalt schafft oder aktiv an der Konzeption des Projekts beteiligt ist und gleichsam als Mitinitiator auftritt), weil es nicht angemessen ist, das Risiko des finanzierten Geschäfts auf den Finanzierer zu überwälzen. Schließlich beruhen die Grundlagen des „Einwendungsdurchgriffs“ sehr wesentlich darauf, dass dem typischen Konsumenten das „Aufspaltungsrisiko“ gerade bei der Beschaffung von Konsumgütern nicht bewusst ist, hingegen bei der Finanzierung risikoträchtiger Beteiligungen dem Darlehensnehmer durchaus klar sein muss, dass der Finanzierer im Regelfall – wenn er sich auf die Funktion eines Finanzierers beschränkt – nicht die Risken dieser Beteiligung übernehmen will (8 Ob 76/06v mwN).
2.2 Da auch hier sämtlichen Beteiligten klar sein musste, dass die Klägerin nicht das Risiko des wirtschaftlichen Erfolgs der Geschäftsidee der Erstbeklagten (Ankauf, Ausbau und Verkauf eines Dachbodens) übernehmen will, ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das in concreto finanzierte Geschäft einer „risikoträchtigen Beteiligung“ gleichgehalten hat.
2.3 Im Zusammenhang mit der Frage, ob sich die Klägerin auf ihre Rolle als Kreditgeberin beschränkte, hat das Berufungsgericht hervorgehoben, dass nach den Feststellungen die Erstbeklagte ihr Vorhaben bereits vor der ersten Kontaktaufnahme mit der Klägerin geplant hatte und der Drittbeklagte der Klägerin lediglich das von ihm entwickelte Konzept vorstellte, ohne dass die Klägerin auf die Umsetzung des Projekts Einfluss genommen hätte. Dass das „Sanierungskonzept“ der Kreditvergabe zugrunde gelegt worden sei, schade nicht, weil die Bank zur Prüfung der Bonität und Kreditsicherheit verpflichtet sei.
Dem hält der Drittbeklagte entgegen, dass der Kaufvertrag zwischen der Erstbeklagten und der Gattin des Zweitbeklagten „nur“ im Interesse der Klägerin und der Verkäuferin abgeschlossen worden sei. Dabei übergeht der Revisionswerber aber, dass die Erstbeklagte aus der Verwertung des ausgebauten Dachbodens einen Unternehmensgewinn von 150.000 EUR hätte lukrieren sollen, worauf ihn schon das Berufungsgericht hingewiesen hat.
Dem Einwand des Drittbeklagten, es liege ein besonderes Vertrauensverhältnis vor, weil ein Mitarbeiter einer anderen Bank aus der Konzerngruppe der Klägerin den Kontakt zwischen dem Drittbeklagten und dem Zweitbeklagten bzw dessen Gattin hergestellt habe (indem er ihm von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der beiden Eheleute berichtete), ist zu erwidern, dass damit nicht der Geschäftskontakt zur Klägerin begründet wurde. Diese wurde (nebst anderen Banken) vom Drittbeklagten erst nach Entwicklung der Geschäftsidee „Dachbodenausbau“ kontaktiert.
3. Letztlich macht der Revisionswerber eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, weil sich das Berufungsgericht nicht mit jeder einzelnen „in der Berufung (unter Punkt 5.)“ beantragten Ersatzfeststellung auseinandergesetzt habe.
Verweisungen in der Revision auf den Inhalt der Berufungsschrift sind unzulässig und damit unbeachtlich (RS0043579). Abgesehen davon ist die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge mangelfrei, wenn es – wie hier – nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält. Das Berufungsgericht ist nicht verpflichtet, auf jedes einzelne Beweisergebnis und Argument des Berufungswerbers einzugehen (RS0043150; RS0043268 [T5]).
4. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00039.20Y.0825.000 |
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