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VfGH vom 25.06.1982, B484/77

VfGH vom 25.06.1982, B484/77

Sammlungsnummer

9450

Leitsatz

EStG 1972; keine Rechtsverletzung im Anlaßfall nach Aufhebung des § 34 Abs 3 zweiter Satz; Nichtanerkennung eines Verpflegungsmehraufwandes als Werbungskosten - keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung des § 16

VerfGG 1953; Kostenzuspruch gemäß § 88 für Kosten des vom Beschwerdeführer angeregten Gesetzesprüfungsverfahrens trotz Abweisung der Beschwerde

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdevertreters die mit 3.913,20,- S bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der in Linz als Angestellter beschäftigte Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Wels; seine Ehefrau, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebt, ist nicht berufstätig. Er beantragte in der Einkommensteuererklärung 1975 die Berücksichtigung eines erhöhten Aufwandes für die Verpflegung am Dienstort (in Höhe von 21.780,- S) als Werbungskosten sowie des seiner Ehegattin (in natura) geleisteten Unterhalts (dessen Höhe er mit 90.000,- S bewertete) als außergewöhnliche Belastung.

Die Finanzlandesdirektion für OÖ gab diesen Begehren mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom keine Folge und begründete ihre Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:

Werbungskosten eines Arbeitnehmers seien Aufwendungen, die die Ausübung des Dienstes mit sich bringe, soweit sie nicht durch die allgemeine Lebensführung bedingt seien. Mehraufwendungen für die Verpflegung außerhalb des Haushaltes in Gaststätten gehörten zu den nichtabzugsfähigen Kosten für die Lebensführung und nicht zu den Werbungskosten iS des § 16 EStG 1972. Hiezu komme, daß in größeren Städten ein bedeutender, wenn nicht der überwiegende Teil der Erwerbstätigen darauf angewiesen sei, Mahlzeiten außerhalb des Haushaltes einzunehmen.

Zur begehrten Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung führte die Berufungsbehörde unter Bezugnahme auf § 34 EStG 1972 aus, es könne außer Streit gestellt werden, daß die Unterhaltsleistungen, die ein Alleinverdiener an seinen mit ihm in aufrechter Ehe lebenden Ehegatten erbringt, einen Aufwand und somit eine Belastung darstellten, der zwangsläufig erwachse. Nach der im § 34 Abs 2 aufgestellten Definition für die Außergewöhnlichkeit sei ein Vergleich mit Gruppen eines anderen Familienstandes (Ledigen, Verwitweten oder Geschiedenen) ausgeschlossen. Da aber die Mehrzahl der in aufrechter Ehe lebenden Steuerpflichtigen (also gleichen Familienstandes) den gesetzlichen Unterhalt an den anderen Ehegatten zu leisten habe, könne darin keine außergewöhnliche Belastung iS des Einkommensteuergesetzes liegen.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer eine Verletzung des Gleichheitsrechtes sowie des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und die Aufhebung dieses Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Ua. aus Anlaß dieser Beschwerdesache leitete der VfGH gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes im § 34 Abs 3 EStG 1972 ("Leistungen des gesetzlichen Unterhalts an geschiedene Ehegatten gelten als zwangsläufig erwachsen.") ein und hob diese Gesetzesstelle mit dem Erk. G36/80 ua. vom als verfassungswidrig auf.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH kann eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nur vorliegen, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hat. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt hingegen vor, wenn der Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsvorschrift beruht oder wenn er gesetzlos ist, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung einer Gesetzlosigkeit gleichkommt. All dies trifft, wie die folgenden Ausführungen nachweisen, im vorliegenden Fall nicht zu.

2. Was die Nichtanerkennung des Verpflegungsmehraufwandes als Werbungskosten anlangt, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht, daß dem angefochtenen Bescheid eine verfassungswidrige Rechtsvorschrift zugrunde liege; auch der VfGH hat in dieser Richtung keine Bedenken. Der Beschwerdeführer behauptet jedoch, daß die belangte Finanzlandesdirektion willkürlich vorgegangen sei, da zwischen beruflich veranlaßten Reisen, bei denen Verpflegungsmehrkosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anerkannt würden (§4 Abs 5, § 16 Abs 1 Z 9 und § 26 Z 7 EStG 1972), und anderen beruflich veranlaßten Reisen unterschieden werde, bei denen dies nicht der Fall sei; durch die solcherart überhöhte Einkommensteuervorschreibung werde auch das Eigentumsrecht verletzt.

Der VfGH kann diesem Standpunkt, mit dem der Beschwerdeführer der Sache nach eine fälschlich gleichheitswidrige Gesetzesanwendung geltend macht, nicht beipflichten. Der Beschwerdeführer vergleicht die Lage eines Steuerpflichtigen, dem Mehraufwendungen infolge ausschließlich durch den Betrieb bzw. ausschließlich beruflich veranlaßte Reisen abgegolten werden, mit der Situation eines Dienstnehmers, der einen infolge der Entfernung zwischen Wohnort und Dienstort erhöhten Verpflegungsaufwand zu tragen hat. Ein solcher Vergleich ist nach Ansicht des VfGH unter dem Blickpunkt des Gleichheitsgebotes jedoch nicht statthaft, weil sich die Lage des infolge einer betriebs- bzw. berufsbedingten Reise vom Ort der Erwerbsbetätigung Abwesenden von der Situation desjenigen, der regelmäßig vom Wohnort zu einem bestimmten Dienstort reist, durch mannigfaltige tatsächliche Umstände (etwa durch die Anpassung der Lebensverhältnisse an den regelmäßigen Aufenthalt im Dienstort) unterscheidet. Der Gesetzgeber wäre daher nicht gehalten, beide Fälle einkommensteuerlich gleichzubehandeln, woraus folgt, daß der belangten Behörde eine fälschlich gleichheitswidrige Gesetzesanwendung nicht zur Last fällt.

Die weiteren Beschwerdeausführungen, die am eben Dargelegten vorbeigehen, beinhalten auch der Sache nach nicht den Vorwurf einer willkürlichen oder denkunmöglichen Gesetzeshandhabung. Da auch der VfGH keinen Anhaltspunkt für eine solche Annahme findet, ist somit festzuhalten, daß in Ansehung der einkommensteuerlichen Behandlung des Mehraufwandes für Verpflegung weder eine Verletzung des Gleichheitsrechtes noch des Eigentumsrechtes stattgefunden hat.

3. Hinsichtlich der verlangten Berücksichtigung des Naturalunterhaltes an die Ehefrau als außergewöhnliche Belastung iS des § 34 EStG 1972 behauptet der Beschwerdeführer eine mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbare Schlechterstellung verheirateter Unterhaltspflichtiger gegenüber Geschiedenen. In dieser Beziehung entspricht sein Vorbringen im wesentlichen einem Teil des Beschwerdevorbringens in dem mit Erk. vom heutigen Tag entschiedenen Fall B217/77, aus dessen Entscheidungsgründen sich entsprechend ergibt, daß auch in der vorliegenden Beschwerdesache durch die Nichtanerkennung des vom Beschwerdeführer geleisteten Naturalunterhalts als außergewöhnliche Belastung weder eine Verletzung des Gleichheitsrechtes noch des Eigentumsrechtes stattfand.

4. Zusammenfassend ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid weder im Gleichheitsrecht noch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde. Da im Beschwerdeverfahren auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hervorkam und eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm ebenfalls nicht stattfand, war die Beschwerde abzuweisen.

5. Dem Beschwerdeführer waren die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen, anläßlich des Gesetzesprüfungsverfahrens entstandenen Prozeßkosten zuzusprechen, da er die Gesetzesprüfung mit Erfolg anregte; dieser teilweise Kostenzuspruch folgt aus der sinngemäßen Anwendung des § 88 VerfGG, dem das Erfolgsprinzip zugrunde liegt. Vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 289,87 S auf die Umsatzsteuer.