OGH vom 20.02.1990, 14Os174/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Feber 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef H*** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über (1.) die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung sowie (2.) die Beschwerde gemäß § 494 a StPO des Angeklagten gegen (zu 1.) das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 10 Vr 1489/89-32, und (zu 2.) den Beschluß dieses Gerichtes vom selben Tag, Seite 290 iVm ON 33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden - Urteil wurde der am geborene Josef H*** der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (Punkt I/1 und 3 des Urteilssatzes), der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt I/2) und des (zu ergänzen: teils nur versuchten) schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 (und 15) StGB (Punkt II/1 bis 3) sowie des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB (Punkt I/4) schuldig erkannt.
Der Sache nach nur die Schuldsprüche laut Punkt I/1, 3 und 4 des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe nach Z 9 lit a, b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB liegt ihm zur Last, weil er am in Obertiefenbach seine geschiedene Ehegattin Anna H*** mit dem Tode gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sie zuerst mit einem 30 cm langen Wasserleitungsrohr auf den Kopf schlug und ihr mitteilte, er werde sie umbringen, anschließend mit einer Mineralwasserflasche versuchte, sie auf den Kopf zu schlagen, wobei Anna H*** den Schlag jedoch abwehren konnte und die Flasche zerbrach, dann einen Gepäckspanner um den Hals der Genannten wickelte, ihr eine Grasschere an den Hals setzte und ihr drohte, "ich stech dich ab" (Punkt I/1) sowie ihr anschließend nach Verständigung der Gendarmerie durch Eveline H*** durch die Äußerung "bevor die ins Haus kommen, bist du hin" drohte (Punkt I/3).
Der auf eine trotz vorangegangener - rechtswirksamer (siehe Akt Sch 18/89 des Bezirksgerichtes Hartberg) - Ehescheidung fortdauernde Hausgemeinschaft mit der Bedrohten zum Tatzeitpunkt gestützte Einwand (Z 9 lit b), es mangle an der hier gemäß § 107 Abs. 4 StGB erforderlichen Ermächtigung geht ins Leere.
Nach dieser Gesetzesbestimmung ist eine nach § 107 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB strafbare gefährliche Drohung nur mit Ermächtigung des Bedrohten zu verfolgen, wenn sie entweder gegen den Ehegatten, gegen einen Verwandten in gerader Linie, den Bruder oder die Schwester oder aber unter der Voraussetzung einer Hausgemeinschaft mit dem Täter gegen einen anderen Angehörigen begangen wurde. Im vorliegenden Fall war die Ehe zwischen dem Angeklagten und Anna H*** bereits seit dem rechtskräftig geschieden (vgl US 3). Aus dem (früheren) Eheverhältnis kann der Angeklagte daher eine Angehörigeneigenschaft nicht ableiten (Leukauf-Steininger Komm2 RN 3, 13, 14; Foregger-Serini StGB4 Erl III je zu § 72), zumal dem Gesetz eine Privilegierung geschiedener Eheleute dem Beschwerdestandpunkt zuwider selbst im Falle gemeinsamer Kinder nicht zu entnehmen ist. Wie ein Angehöriger könnte der Angeklagte nur behandelt werden, wenn er zur Tatzeit mit Anna H*** in außerehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hätte (§ 72 Abs. 2 StGB). Das Bestehen einer solchen eheähnlichen Beziehung ist jedoch weder den Urteilsfeststellungen zu entnehmen noch wird sie vom Beschwerdeführer, der lediglich auf eine angeblich weiterhin aufrecht gewesene Hausgemeinschaft hinweist, behauptet. Die von der Beschwerde vermißte Verfolgungsermächtigung war daher nach Lage des Falles nicht erforderlich.
Als Verbrechen der versuchten Vergewaltigung wird dem Angeklagten angelastet, am in Obertiefenbach Anna H*** durch gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben, nämlich dadurch, daß er ein Messer gegen ihren Körper richtete, zur "Durchführung eines Geschlechtsverkehres" zu nötigen versucht zu haben (Punkt I/4./). Die vom Angeklagten dagegen erhobene Subsumtionsrüge (Z 10), das Erstgericht habe zu Unrecht einen auf die Verwirklichung des Tatbildes nach § 201 Abs. 1 StGB gerichteten Vorsatz angenommen und Indizien vernachlässigt, die erkennen ließen, daß er seine geschiedene Ehegattin - durch einen "letzten Denkzettel" - nur in Furcht und Unruhe zu versetzen beabsichtigte, geht von seiner vom Schöffengericht mit mängelfreier Begründung abgelehnten Verantwortung aus und ignoriert solcherart prozeßordnungswidrig die anderslautenden Urteilsfeststellungen.
Dies gilt gleichermaßen für den Beschwerdeeinwand (Z 9 lit b), dem Angeklagten komme der Strafaufhebungsgrund des (freiwilligen) Rücktritts vom Versuch im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB zugute, weil er den Urteilsannahmen zufolge Anna H*** gestattete, die Toilette aufzusuchen und sich selbst aus dem Vorraum der Toilette ins Bad entfernte, wodurch deutlich werde, daß er "von der versuchten Tatvorführung (gemeint wohl Tatausführung) jedenfalls abgestanden ist". Die Beschwerde übersieht jedoch, daß § 16 Abs. 1 StGB ein freiwilliges Abstehen des Täters von der Tatausführung voraussetzt, wovon nur gesprochen werden kann, wenn der Täter aus eigenem Antrieb von der Vollendung der Tat Abstand nimmt, obgleich er deren tatplangemäße Ausführung noch für möglich erachtet (Leukauf-Steininger aaO, § 16 RN 2 ff). Einer solcherart freiwilligen Aufgabe der Tatausführung stehen jedoch jene vom Beschwerdeführer unbeachtet gelassenen Urteilsannahmen entgegen, wonach die Tatvollendung im vorliegenden Fall - bei unveränderter deliktischer Zielsetzung des Beschwerdeführers - nur infolge der Hinhaltetaktik des Tatopfers sowie des rechtzeitigen Eintreffens der Gendarmeriebeamten, sohin aus vom Willen des Beschwerdeführers unabhängigen Hinderungsgründen, unterblieben ist (US 4 verso ff). Nicht zielführend ist schließlich die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a), wenn sie im Hinblick auf die zum Tatzeitpunkt bereits erfolgte Verständigung der Gendarmerie ins Treffen führt, es liege ein absolut untauglicher Versuch vor. Voraussetzung dafür wäre, daß die Verwirklichung des in Rede stehenden Vergewaltigungsvorhabens bei einer generalisierenden, von den Besonderheiten des Einzelfalles losgelösten Betrachtung geradezu denkunmöglich erscheinen würde (vgl EvBl 1987/5; JBl 1988, 659). Davon kann aber hier schon angesichts der von vornherein unbestimmten, vom Willen der Tatbeteiligten unabhängigen Zeitspanne bis zum tatsächlichen Eintreffen der Gendarmerie am Tatort keine Rede sein; die Tatvollendung ist vielmehr nur infolge der Umstände des Einzelfalles gescheitert, obwohl Handlung und Mittel bei generalisierender Betrachtung zur Herbeiführung des strafgesetzwidrigen Erfolges in abstracto geeignet gewesen wären.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten.
Dabei wertete es die zahlreichen auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit drei Vergehen, die teilweise Wiederholung der strafbaren Handlungen und die Alkoholisierung bei der Begehung eines Teiles der Straftaten als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen das Teilgeständnis, die körperliche und geistige Verwahrlosung und den Umstand an, daß es bei der Vergewaltigung und in einem Fall des Betruges beim Versuch blieb.
Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Daß der Angeklagte seiner geschiedenen Ehegattin durch die Verwendung eines Eisenrohres und anderer Gegenstände als Tatwerkzeug "weit schlimmere Verletzungen zufügen hätte können", vermag keinen besonderen Milderungsgrund darzustellen; hätte er doch diesfalls ein mit strengerer Strafe bedrohtes Delikt zu verantworten. Wenn er aber vermeint, seine bei der Begehung der Straftaten am vorgelegene Alkoholisierung wäre richtigerweise als Milderungsgrund heranzuziehen gewesen, übergeht er, daß er im alkoholisierten Zustand bereits auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen begangen hat (vgl insbesondere die Verurteilung zum AZ 10 E Vr 439/80 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz), und ihm daher zu den hier aktuellen Tatzeiten bekannt war, daß er in diesem Zustand rechtlich geschützte Werte bis zur Begehung strafbarer Handlungen hintanzusetzen neigt. Der Vorwurf des Gebrauchs des berauschenden Mittels Alkohol überwiegt daher gegenüber einer allenfalls dadurch bewirkten Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit. Eine gewisse (geistige) Verwahrlosung wurde dem Angeklagten schließlich ohnedies als mildernder Umstand zugute gehalten.
Bei sachgemäßem Abwägen der vorliegenden Strafzumessungsgründe ist die vom Erstgericht verhängte Strafe angesichts des Vorlebens des Angeklagten und des nicht geringen Schuld- und Unrechtsgehalts keineswegs überhöht.
Es war darum der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Schließlich ist auch die Beschwerde (§ 494 a Abs. 4 StPO) unbegründet. Angesichts des Umstandes, daß der wegen Eigentums- und Gewalttätigkeitsdelikten bereits mehrfach vorbestrafte Angeklagte nach der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Graz vom zum AZ 10 E Vr 2611/88 (wegen schweren Diebstahls durch Einbruch und Betruges zu einer einjährigen, gemäß § 43 a Abs. 3 StGB mit einem Teil von neun Monaten bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe) innerhalb der (dreijährigen) Probezeit neuerlich (wiederholt auch einschlägige) Straftaten begangen hat, ist der Widerruf des bezüglichen Strafteiles und (auch) dessen Vollzug aus den vom Erstgericht zutreffend angeführten Gründen jedenfalls geboten, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs. 1 StGB). Es war daher spruchgemäß zu erkennen.