VfGH vom 03.12.1984, B483/82
Sammlungsnummer
10287
Leitsatz
UStG 1972; Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und Feststellung der Verfassungswidrigkeit der die Fälligkeit der Abgabe betreffenden Bestimmungen in § 21 Abs 1 und 3 in der Stammfassung
Spruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die bf. Gesellschaft betreibt ein Bauunternehmen. Anläßlich einer Umsatzsteuerrevision gelangte der Betriebsprüfer im Dezember 1980 zur Auffassung, daß die Voranmeldung für Oktober dieses Jahres nicht richtig gewesen sei, weil die Verfügungsgewalt über eine Bauleistung dem Auftraggeber schon im September verschafft worden und daher die Umsatzsteuerschuld schon mit Ablauf des Oktober entstanden sei. Da die bf. Gesellschaft anderer Auffassung war, setzte das Finanzamt die Vorauszahlung für Oktober mit dem am zugestellten Bescheid vom 22. Oktober derart fest, daß sie eine Nachzahlung von mehr als sechs Millionen Schilling vorschrieb und aussprach, die Umsatzsteuer sei bereits fällig gewesen und sogleich zu entrichten. Den nach Abzug eines Guthabens offengebliebenen Nachzahlungsbetrag überwies die Gesellschaft am .
Am schrieb das Finanzamt für den inzwischen überwiesenen Betrag einen Säumniszuschlag in der Höhe von 119014 S vor. Die Berufung gegen den Bescheid blieb erfolglos. Nach § 21 Abs 3 UStG in der hier noch anwendbaren Stammfassung sei die festgesetzte Vorauszahlung am 10. Tag des zweitfolgenden Monates nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, also am fällig geworden;
der Nachzahlungsbescheid habe keine andere Fälligkeit festgesetzt;
die Zahlung sei daher verspätet gewesen.
II. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens hat der VfGH die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes des Abs 1 und des vierten Satzes des Abs 3 in § 21 UStG 1972 in der Stammfassung von Amts wegen geprüft und mit Erk. vom , G111/84 ua. wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben (FN 1).
III. Die Beschwerde ist begründet.
Der Berufungsbescheid begründet die Vorschreibung des Säumniszuschlages wie folgt:
"Der Gesetzgeber hat die Fälligkeit der öffentlichen Abgaben unterschiedlich geregelt. Nach der allgemeinen Regel des § 210 Abs 1 BAO tritt zwar die Fälligkeit von Abgaben erst mit Ablauf eines Monates nach der Bekanntgabe des Abgabenbescheides ein; dieser Grundsatz wird aber dann durchbrochen, wenn die Abgabengesetze eigene Bestimmungen über die Fälligkeit beinhalten.
...
Nach § 21 Abs 3 UStG 1972 in der bis zum geltenden Fassung gilt im Falle einer Festsetzung einer Vorauszahlung als Fälligkeitszeitpunkt der zehnte Tag des zweitfolgenden Monates nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes; das war im gegenständlichen Falle der ; diese zwingende gesetzliche Bestimmung darf vom Finanzamt nicht abgeändert werden, weshalb auch der Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für den Kalendermonat Oktober 1980 keine Zahlungsfrist enthält. Da die bescheidmäßig festgesetzte Umsatzsteuervorauszahlung unbestritten nicht zur Gänze am entrichtet war, erfolgte die Vorschreibung des Säumniszuschlages zu Recht."
Nach der Aufhebung des die Fälligkeit betreffenden Satzes im § 21 Abs 3 und der dort bezogenen grundlegenden Regelung in Abs 1 (FN 2) sind diese Vorschriften im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Die Fälligkeit der bescheidmäßig festgesetzten Umsatzsteuervorauszahlung richtet sich daher nach § 210 Abs 1 BAO. Im Zeitpunkt der Zahlung des offenen Betrages war seit Bekanntgabe des Abgabenbescheides am noch kein Monat abgelaufen. Der Säumniszuschlag wurde daher zu Unrecht erhoben.
Die bf. Gesellschaft wurde also durch den angefochtenen Bescheid infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist aufzuheben.
1) Richtig: Der VfGH hat in dem genannten Erkenntnis ausgesprochen, daß die geprüften Bestimmungen verfassungswidrig waren.
2) Richtig: Nach der Feststellung, daß diese Bestimmungen verfassungswidrig waren.
Fundstelle(n):
TAAAE-01036