OGH vom 08.07.1992, 9ObA164/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Monika Angelberger und Paul Binder in der Arbeitsrechtssache des Klägers F***** A*****, Pizzakoch, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider den Beklagten Dr.N***** Sch*****, Rechtsanwalt *****, als Masseverwalter im Konkurs der P***** Betriebs-GesmbH, ***** (25 S 61/91 des Landesgerichtes für ZRS Graz), wegen S 66.237,50 netto sA und Feststellung (Streitwert S 15.000), infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 35/92-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.Feber 1992, GZ 36 Cga 207/91-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles des Erstgerichtes vom , 36 Cga 207/91-2, nur in Ansehung des Zuspruchs von 66.237,50 S netto samt 4 % Zinsen seit und der Prozeßkosten von 8.428 S, nicht aber hinsichtlich des Feststellungsausspruches (Punkt II des Klagebegehrens) aufgehoben wird.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 4.834,56 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon 805,76 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte von der ursprünglichen Beklagten, der P***** Betriebs-GesmbH, Zahlung von Arbeitsentgelt in Höhe von S 66.237,50 netto sA und - insbesondere aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen - die Feststellung, daß er vom bis als Pizzakoch Dienstnehmer der Beklagten mit einem monatlichen Mindestlohne von S 12.000 netto gewesen sei. Infolge Versäumung der mündlichen Streitverhandlung durch die Beklagte fällte das Erstgericht am ein Versäumungsurteil und bestätigte am dessen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit.
Am war aber bereits über das Vermögen der ursprünglichen Beklagten zu 25 S 61/91 des LGZ Graz der Konkurs eröffnet und der (nunmehrige) Beklagte zum Masseverwalter bestellt worden. Dies teilte der Kläger dem Erstgericht am mit und beantragte, das gemäß § 7 Abs 1 KO unterbrochene Verfahren wiederaufzunehmen und das Versäumungsurteil dem Masseverwalter zuzustellen. Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag und stellte dem Masseverwalter das Versäumungsurteil am zu; der Masseverwalter erhob kein Rechtsmittel. Bei der Prüfungstagsatzung am bestritt der beklagte Masseverwalter die vom Kläger (dort) angemeldete (höhere) Forderung von S 74.665,50. Am (eingelangt am ) stellte der Kläger den Antrag, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zu erteilen und das unterbrochene Verfahren über das Leistungsbegehren wieder aufzunehmen.
Das Erstgericht hob die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles vom von Amts wegen als nichtig auf und setzte das Verfahren infolge Bestreitung der Klageforderung bei der Prüfungstagsatzung durch (neuerliche) Zustellung des Versäumungsurteils an den Masseverwalter fort. Das Versäumungsurteil wurde dem Masseverwalter am zugestellt.
Gegen diesen Beschluß erhob der Kläger nur insoweit Rekurs, als die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens aufgehoben wurde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S nicht übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 46 Abs 1 Z 1 ASGG nicht zulässig sei.
Das Rekursgericht war der Ansicht, daß der durch die Konkurseröffnung unterbrochene Prozeß auch in Ansehung des Feststellungsbegehrens erst nach der Prüfungstagsatzung rechtswirksam wieder aufgenommen werden konnte. Die Aufnahme des Verfahrens durch das Erstgericht am durch Zustellung des Versäumungsurteils an den Masseverwalter (am ) sei daher nichtig und unwirksam gewesen. Erst der weitere Antrag des Klägers vom habe dem Gesetz entsprochen. Das Erstgericht habe daher die Rechtskraft und Vollstreckbarkeitsbestätigung zutreffend hinsichtlich beider Begehren als nichtig aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens in bezug auf beide Klageansprüche angeordnet. Die Unmöglichkeit der Anmeldung des Feststellungsanspruchs im Konkurs ändere daran nichts.
Diese Entscheidung bekämpft der Kläger mit außerordentlichem Revisionsrekurs. Er beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Rechtskraft und Vollstreckbarkeitsbestätigung nur in Ansehung des Leistungszuspruchs, nicht aber in Ansehung des Feststellungsurteils aufgehoben werde.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gegenstand der Entscheidungen der Vorinstanzen ist die Frage, ob das Erstgericht die erteilte Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung auch in Ansehung des Feststellungsbegehrens aufzuheben und insoweit die Fortsetzung des Verfahrens anzuordnen hatte. Dieser Beschluß ist anfechtbar. Eine Anfechtbarkeit der Entscheidung nach Maßgabe des § 7 Abs 3 EO, der die Aufhebung gesetzwidrig oder irrtümlich erteilter Bestätigungen der Vollstreckbarkeit vorsieht, kommt allerdings im vorliegenden Fall nur insoweit in Betracht, als auch Feststellungsurteile in bezug auf die darin enthaltene Kostenentscheidung vollstreckbar sind. Bezüglich des Leistungsausspruchs (in der Hauptsache) hat aber der Kläger den Beschluß nicht angefochten. Die Parteien können sich jedoch gegen die mit der Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung in untrennbarem Zusammenhang stehende Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens, die stets durch einen ausdrücklichen Gerichtsbeschluß zu erfolgen hat (SZ 45/19 = JBl 1973, 46), mit Rekurs zur Wehr setzen (Fasching LB2, Rz 613).
Soweit hier überhaupt eine Entscheidung über die Aufhebung der Vollstreckbarkeit vorliegt (siehe oben), liegt nach Lehre und Rechtsprechung kein Exekutionsverfahren vor, obwohl die Frage in der EO geregelt ist; Erteilung und Aufhebung der Bestätigung sind vielmehr Akte der Fortsetzung des titelgerichtlichen Verfahrens (Heller-Berger-Stix I 208; SZ 16/170; SZ 17/29; EvBl 1958/279; EvBl 1977/176; EvBl 1988/84). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich daher nicht nach den Vorschriften der Exekutionsordnung (EvBl 1988/84; vgl Kuderna, ASGG 243), sondern nach § 47 Abs 1 ASGG, der bestimmt, daß die Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und 2 ZPO nicht anzuwenden sind und an deren Stelle die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG sinngemäß gelten.
Damit ist der Revisionsrekurs wegen erheblicher Rechtsfragen auch bei einem 50.000 S nicht übersteigenden Wert des Streitgegenstandes zulässig (§ 46 Abs 1 Z 1 und 2 ASGG). Auch § 517 ZPO (vgl dessen Z 6) ist gemäß § 74 ASGG nicht anzuwenden.
Die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG liegen vor, weil das Rekursgericht in der Frage, wann ein durch Konkurseröffnung unterbrochenes Verfahren fortgesetzt werden kann, von § 7 Abs 2 KO abgewichen ist.
Gemäß § 7 Abs 1 KO werden alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Gemeinschuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 bezeichneten Streitigkeiten durch die Konkurseröffnung unterbrochen. Von der Konkurseröffnung nicht berührt werden daher nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Gemeinschuldners; sie können auch während des Konkurses gegen den Gemeinschuldner oder von ihm anhängig gemacht und fortgesetzt werden (§ 6 Abs 3 KO).
Diese Voraussetzung trifft, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, auf den Feststellungsanspruch des Klägers, der weitere Lohn- und Schadenersatzansprüche gegen das Unternehmen der Gemeinschuldnerin nach sich ziehen kann, nicht zu; es handelt sich also um einen unternehmensbezogenen Anspruch, wie er beispielsweise auch bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen (JBl 1962, 334; JBl 1968, 265 = EvBl 1968/164; SZ 41/93; SZ 44/63; ÖBl 1981, 82; ÖBl 1988, 30; ÖBl 1991, 28) oder bei einem gesellschaftsrechtlichen Feststellungsanspruch (GesRZ 1985, 32) angenommen wurde. Das Verfahren gegen die Gemeinschuldnerin wurde daher durch die Konkurseröffnung sowohl im Leistungsausspruch als auch im Feststellungsausspruch (im Stadium der damals bereits laufenden Berufungsfrist) unterbrochen.
Das Verfahren in unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten kann aber gemäß § 7 Abs 2 KO vom Masseverwalter und vom Gegner aufgenommen werden. Nur bei Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die der Anmeldung im Konkurse unterliegen, kann das Verfahren gemäß § 7 Abs 3 KO vor Abschluß der Prüfungstagsatzung nicht aufgenommen werden. Das bedeutet also, daß bei unternehmensbezogenen Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die der Anmeldung im Konkurs nicht unterliegen, das Verfahren unmittelbar nach dem Eintritt der Unterbrechungswirkung durch die Konkurseröffnung gegen den Masseverwalter fortgesetzt werden kann, ohne daß der Ausgang der Prüfungstagsatzung abgewartet werden müßte (JBl 1962, 334; ÖBl 1968, 10 = EvBl 1968/164; JBl 1968, 265; SZ 41/93; SZ 44/63; ÖBl 1988, 30; MR 1991, 28).
Betrifft eine Rechtsstreitigkeit mehrere Ansprüche, die zum Teil der Anmeldung im Konkurs unterliegen und zum Teil nicht unterliegen, kann eine Aufnahme des Verfahrens wegen der Ansprüche, die der Anmeldung im Konkurs nicht unterliegen, schon unmittelbar nach Eintritt der Unterbrechungswirkung erfolgen, zumal es vom Ergebnis der Prüfungstagsatzung abhängt, ob es wegen der im Konkurs anzumeldenden Ansprüche überhaupt noch zu einer Fortsetzung des Verfahrens kommen wird (MR 1991, 28).
Feststellungsansprüche gegen den Gemeinschuldner können zwar, wie bereits ausgeführt, weitere Leistungsansprüche zur Folge haben, sie gehören aber nicht zu den "Konkursforderungen", die der Anmeldung unterliegen.
Der Fortsetzungsbeschluß des Erstgerichtes vom stand daher bezüglich des Feststellungsausspruches mit der Rechtslage in Einklang. Der der nunmehrigen Entscheidung zugrundeliegende weitere Beschluß des Erstgerichtes, mit dem die erteilte Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit zur Gänze aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens in diesem Umfang angeordnet wurde, widersprach aber (jedenfalls) in Ansehung des Feststellungsausspruchs der mittlerweile eingetretenen Teilrechtskraft des Versäumungsurteils, das vom Masseverwalter nach der (ersten) Zustellung am nicht angefochten wurde (der Masseverwalter hat das Versäumungsurteil auch nach der zweiten Zustellung nach Abschluß der Prüfungstagsatzung nicht angefochten, doch liegt diesbezüglich ein Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Widerspruchsfrist vor).
Bezüglich der Aufhebung der Vollstreckbarkeit widersprach der Beschluß des Erstgerichtes in bezug auf den Feststellungsanspruch auch der Vorschrift des § 61 Abs 1 Z 1 ASGG idF des BG 1990/408, wonach die rechtzeitige Erhebung der Berufung gegen das erste Urteil des Gerichtes erster Instanz den Eintritt der Verbindlichkeit der Feststellung nicht hemmt. Das gilt auch - wie hier - für ein Versäumungsurteil (Kuderna ASGG,§ 61, Anm 4).
Ob der unangefochten gebliebene Aufnahmebeschluß des Erstgerichtes vom auch der Aufhebung der erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung und der neuerlichen Anordnung der Fortsetzung des Verfahrens in bezug auf die Leistungsaussprüche des Ersturteils (wegen Rechtskraft der Entscheidung) entgegenstand (vgl die E SZ 49/135, die allerdings dem unangefochten gebliebenen Aufnahmebeschluß nur die Bedeutung beimaß, daß das erhobene Rechtsmittel nicht mehr unwirksam, sondern nur mehr verfrüht war), braucht hier nicht untersucht zu werden, da der Kläger den Beschluß des Erstgerichtes nur in bezug auf den Feststellungsausspruch angefochten hat.
Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO (Zwischenstreit).