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OGH vom 28.02.2017, 9ObA163/16k

OGH vom 28.02.2017, 9ObA163/16k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Dr. Klaus Mayr in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. A***** R*****, vertreten durch Tschurtschenthaler Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Z***** GmbH, *****, vertreten durch Burgstaller Prayer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 65.032,61 EUR brutto und 922,26 EUR netto sA (Revisionsinteresse: 55.830,11 EUR brutto sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom , GZ 7 Ra 35/16w-51, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 43 Cga 85/13v-46, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Der Kläger war von Jänner 2008 bis CEO der Beklagten. Diese verfügt über zahlreiche Tochtergesellschaften. In den im Herbst 2007 mit dem Vorstandsvorsitzenden der Gesellschafterin der Beklagten geführten Einstellungsgesprächen strebte der Kläger ein Jahresgehalt in Höhe von 180.000 EUR an. Der Vorstandsvorsitzende und er vereinbarten schließlich ein Fixum von 150.000 EUR und einen jährlichen Bonus in Höhe von 20 % des Jahresgehalts, dessen zugrunde liegende Parameter bzw Ziele jedes Jahr neu festgelegt werden sollten. Da sich die Beklagte in einer wirtschaftlichen Krise befand, war es Aufgabe des Klägers, das Unternehmen zu sanieren und zu restrukturieren, sohin auf Dauer einen „Turnaround“ herbeizuführen. Bei einer nachhaltigen und langfristigen Neuaufstellung der involvierten Gesellschaften und einer deutlichen Verbesserung in der Unternehmensentwicklung sollte der Kläger dann seinen Bonus erhalten. Da die Beklagte aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage einen Sanierungsfall darstellte, durchgehend Verluste schrieb und konkret durchzuführende Maßnahmen zur Sanierung noch nicht ausformuliert bzw bekannt waren, wurden von der Beklagten zunächst keine konkreteren Zielvereinbarungen bzw Parameter für eine Bonuszahlung vorgegeben. Dies war auch bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers nicht der Fall.

Im Zuge der Einstellungsgespräche wurde in einem vom Vorstandsvorsitzenden unterzeichneten Schreiben vom ua festgehalten:

„Jahresbruttosalär fix 150.000 EUR

Bonus wird von Jahr zu Jahr individuell festgelegt“

Der im Oktober 2007 abgeschlossene Dienstvertrag lautet auszugsweise:

„III. Aktivbezüge

1. Für die Tätigkeit als Geschäftsführer erhält [Kläger] ein Jahresbruttogehalt von 150.000 EUR …

3. Darüber hinaus erhält [Kläger] als Geschäftsführer einen Bonus, der individuell für jedes Jahr separat vereinbart wird und in Abhängigkeit vom Budget und dem erzielten Ergebnis der Z***** Gruppe ist. ...“

Der Kläger hatte idF in in- und ausländischen Tochtergesellschaften der Beklagten verschiedene Funktionen inne (Geschäftsführer, Verwaltungsratmitglied, Eigentümer-vertreter). Im November 2008 wurde ihm mitgeteilt, dass der Vorstand der Gesellschafterin der Beklagten aufgrund der sehr schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Situation ein Kostensenkungsprogramm fordere, wobei bei den Gehältern eine Kürzung von 5–10 % vorgesehen sei. Der Kläger erstellte für das Jahr 2009 ein Kostensenkungs-programm, in dem er auch für sein Gehalt eine Kürzung („Fix-Gehalt neu, zeitlich limitiert für 2009“) anführte.

Nachdem die Beklagte verkauft worden war, sprach der Kläger die erfolgten Gehaltskürzungen mit dem Geschäftsführer der Käuferin an. Ihm wurde daraufhin mit Schreiben vom für das Geschäftsjahr 2009 eine einmalige Prämie in Höhe von 10.000 EUR gewährt. Im März 2011 wurden die Anteile der Beklagten weiterverkauft und der Kläger mit Schreiben vom zum gekündigt. Mit E-Mail vom machte er ua die klagsgegenständlichen Forderungen geltend.

Revisionsgegenständlich sind die vom Kläger für die Jahre 2010 und 2011 begehrten Bonuszahlungen in Höhe 31.591,53 EUR (2010) und 24.238,58 EUR (2011). Der Kläger brachte dazu vor, ihm sei ein Bonus von 20 % des Fixbestandteils des Gehalts zugesagt worden, wobei die Höhe in Abhängigkeit der erzielten Ergebnisse – im Hinblick auf ein Sanierungsmanagement – jährlich festzulegen gewesen sei. Es sei seine Verdienstlichkeit am Sanierungserfolg zu bewerten. Unklare Formulierungen im Zusageschreiben bzw im Vertrag hätten zu Lasten der Beklagten zu gehen. Die Beklagte habe sich durch seine Tätigkeit von einem Sanierungsfall zu einem profitablen Unternehmen entwickelt. Die begehrten Bonuszahlungen würden jeweils 20 % des Bruttogehalts für 2010 und 2011 betragen. Er unterwerfe sich einer Ausmessung nach richterlichem Ermessen gemäß § 273 ZPO.

Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Soweit im Revisionsverfahren relevant, brachte sie vor, mit dem Kläger sei keine Bonusvereinbarung, insbesondere nicht über 20 % getroffen worden, eine solche sei angesichts der schwierigen Wirtschaftslage auch nicht möglich gewesen. Nach Punkt III. 3. des Dienstvertrags wären sowohl der Umstand, dass es zu einer Bonuszahlung komme, als auch die allfällige Höhe einer solchen noch gesondert zu vereinbaren gewesen. Im Übrigen hätte aus der wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten im gegenständlichen Zeitraum im Hinblick auf die Parameter „erzieltes Ergebnis und Budget“ kein Bonusanspruch resultieren können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren dem Grunde nach mit Punkt 1 des Teil- und Zwischenurteils statt (Punkt 2 betrifft einen vom Berufungsgericht abgewiesenen, nicht revisionsgegenständlichen Teilbetrag). Die Vertragsparteien hätten die Zahlung eines Bonus in Höhe von 20 % des Jahresgehalts vereinbart. Die Zahlung des Bonus sei nicht an ein rechnerisches Ergebnis angeknüpft worden, weil dieses angesichts der wirtschaftlichen Krise und der Verluste der Beklagten nicht möglich gewesen sei. Es sei vielmehr Aufgabe des Klägers gewesen, auf Dauer eine positive Wende des Unternehmens herbeizuführen. Die Zahlung des Bonus sei sohin daran geknüpft worden, eine nachhaltige und langfristige Verbesserung in der Unternehmensentwicklung zu erreichen. Da somit ein jährlicher fixer Bonus vereinbart und die Zahlung desselben zwar nicht an rechnerisch konkrete, aber zumindest erfassbare Zielvereinbarungen geknüpft worden sei, bestehe der Anspruch des Klägers auf die Bonuszahlungen für die Jahre 2010 und 2011 dem Grunde nach zu Recht. Im fortgesetzten Verfahren werde zu prüfen sein, ob er die wirtschaftliche Lage der Beklagten verbessern habe können. Sein Einverständnis zum freiwilligen Gehaltsverzicht habe sich nur auf das Jahr 2009 bezogen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten hinsichtlich des Zwischenurteils (Punkt 1) nicht Folge. Zwar würde auch die Frage, ob der Kläger die Zielvorgaben in den Jahren 2010 und 2011 erfüllt habe, zu jenen zählen, die den Grund des Anspruchs und nicht dessen Höhe betreffen. Eine Aufhebung der Entscheidung zur Klärung der wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten und deren Tochtergesellschaften sei aber nicht erforderlich: Dadurch, dass der Vorstandsvorsitzende der Muttergesellschaft dem Kläger einen jährlichen Bonus von 20 % des Jahresgehalts zugesagt habe, sei es insoweit zu einem einverständlichen Abgehen vom Dienstvertrag gekommen, nach dem der Bonus für jedes Jahr separat zu vereinbaren sei. Nach der klaren Absicht der Parteien sollten nur die für die Auszahlung des jährlichen Bonus zu erfüllenden Parameter und Ziele jährlich festgelegt werden. Die zwischen dem Kläger und dem Vorstandsvorsitzenden getroffene Vereinbarung könne aber nicht so verstanden werden, dass das zwischen ihnen faktisch vereinbarte Ziel (Herbeiführung des „turn around“) auch für alle Folgejahre der Parameter für die Auszahlung der Bonus sein sollte. Das vereinbarte Bonusziel habe jedenfalls für den Anspruch im Jahr 2008 Gültigkeit gehabt, nicht aber für die klagsgegenständlichen Jahre 2010 und 2011. Hier wäre es an der Beklagten gelegen, mit dem Kläger entsprechende Ziele festzusetzen, bei deren Erreichung er Anspruch auf den zugesagten Bonus hätte. Eine entsprechende Vereinbarung sei nicht getroffen worden. Dieser Umstand führe aber nicht dazu, dass ein Anspruch auf den grundsätzlich zugesagten Bonus nicht bestehe. Nach Felten und der deutschen Rechtsprechung (BAG 10 AZR 97/07) habe ein Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch, wenn aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen Zielvereinbarungen nicht getroffen würden. Der Kläger, dem bei Abschluss des Dienstvertrags konkret ein jährlicher Bonus von 20 % des Jahresgehalts bei Erreichung jährlich neu festzulegender Ziele zugesichert worden sei, habe bei unterlassener Festlegung solcher Ziele nicht nur einen allfälligen Anspruch auf Schadenersatz, sondern einen solchen auf Auszahlung des Bonus, zumal die Festlegung von Zielen in die Sphäre des Arbeitgebers falle. Die von der Beklagten ins Treffen geführten „desaströsen wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens“ hätten den Abschluss von jährlichen Zielvereinbarungen keinesfalls unzumutbar gemacht, da der Kläger gerade wegen dieser Verhältnisse als Geschäftsführer der Beklagten eingesetzt worden sei. Da es die Beklagte verabsäumt habe, entsprechende Zielvereinbarungen mit dem Kläger zu treffen, bestehe sein Anspruch dem Grunde nach zu Recht.

Die Revision sei zur Frage zulässig, welche Konsequenzen es nach sich ziehe, wenn ein Bonus in bestimmter Höhe bei Erreichen jährlich festzulegender Ziele vereinbart sei, eine Festlegung von Zielen jedoch nicht erfolge.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch im Sinn des gestellten Eventualantrags berechtigt.

1. Das Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs ist nur dann zulässig, wenn ein Anspruch dem Grunde und der Höhe nach streitig ist und die Verhandlung zunächst nur in Ansehung des Grundes zur Entscheidung reif ist, auch wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht (§ 393 Abs 1 ZPO). Zum Grund des Anspruchs gehören alle rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen der Anspruch abgeleitet wird, und alle Einwendungen, die seinen Bestand berühren (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny ZPG² III § 393 Rz 5).

2. Für die Frage, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf die begehrten Bonuszahlungen dem Grunde nach zusteht, kommt es auf die Auslegung der von ihnen getroffenen Vereinbarungen an. Die für die Auslegung von Willenserklärungen nach den §§ 914 ff ABGB maßgeblichen Grundsätze wurden vom Berufungsgericht zutreffend und umfassend dargestellt, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Der erkennende Senat teilt insoweit auch das Verständnis des Berufungsgerichts, dass in einer Gesamtsicht der mit dem Kläger geführten Gespräche und des schriftlichen Dienstvertrags die Absicht der Parteien darauf gerichtet war, dass dem Kläger dann, wenn der „Turnaround“ geschafft ist, grundsätzlich jährlich eine Bonuszahlung zustehen sollte, die Details dafür aber jeweils abhängig vom Budget und dem erzielten Ergebnis der Gruppe einvernehmlich festgelegt werden sollten. Dass die Voraussetzung der Herbeiführung eines „Turnaround“ nur für das Jahr 2008 gelten sollte, ist der Vereinbarung dagegen nicht zu entnehmen, zumal nicht ohne Weiteres zu erwarten ist, dass sich ein nachhaltiger Sanierungserfolg bereits im ersten Jahr der Tätigkeit eines Geschäftsführers zeigt. Aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers konnte der Kläger daher annehmen, dass ihm bei erfolgreicher Sanierung dem Grunde nach ein Bonus gewährt wird, die Höhe des Bonus jedoch einer jährlichen Abrede bedurfte. Dass ihm im vorliegenden Fall 20 % des Jahresfixgehalts als Bonus in Aussicht gestellt wurden, kann dabei nur im Sinn eines Orientierungswerts dahin verstanden werden, dass der Bonus diese Höhe nach Möglichkeit erreichen sollte.

3. Im konkreten Fall geht aus der mündlichen und schriftlichen Vereinbarung weiter hervor, dass für den Bonus einerseits Parameter und Ziele festgelegt werden sollten, was auf den Zweck des Bonus im Sinn eines Anreizes für Leistungen im künftigen Geschäftsjahr schließen lässt. Andererseits sollte der Kläger aber auch bei einer deutlichen Verbesserung in der Unternehmensentwicklung „dann seinen Bonus erhalten“, wodurch der Bonus für jenes Jahr als nachträgliche Belohnung für das Erreichen dieses Zieles gedacht ist. Dies ist von Bedeutung, weil die Beklagte nicht gehalten war, Parameter und Ziele für das künftige Geschäftsjahr festzulegen, wenn zu dessen Beginn noch nicht feststand, ob der Sanierungserfolg schon erzielt wird. Dafür kam nur ein Bonus im Sinn einer nachträglichen Belohnung in Betracht.

4. Wie dargelegt, hatte die Bonusgewährung zunächst das Erreichen des „Turnaround“ zur Voraussetzung. Zur Beurteilung dieser – den Grund des Anspruchs betreffenden – Frage liegen noch keine Feststellungen vor. Der Sachverhalt steht insoweit auch nicht außer Streit: Der Kläger brachte vor, dass die Beklagte ab 2010 „schwarze Zahlen“ geschrieben habe. Das wurde von dieser zwar nicht bestritten, jedoch mit dem Unterbleiben einer notwendigen Rückstellung und einem Einmaleffekt erklärt (s ON 3 S 5). Da darunter noch kein nachhaltiger „Turnaround“ zu verstehen wäre, ein solcher aber dem Grunde nach Bedingung für die Gewährung des Bonus war und sein Eintritt noch nicht feststeht, erweist sich die Fällung eines Zwischenurteils im gegenwärtigen Verfahrensstadium als verfrüht.

5. Sollte eine nachhaltige Sanierung vorliegen, ist für das weitere Verfahren Folgendes zu erwägen:

Die Gewährung eines nachträglichen Bonus bedarf keiner Festlegung von Parametern und Zielen. Sofern über dessen Höhe keine andere Einigung erzielt wird, kommt ein Rückgriff auf § 1152 ABGB in Frage („angemessenes Entgelt“), bei dem hier die von den Parteien in Aussicht genommene Bonushöhe von 20 % des Jahresfixums beachtlich sein wird.

6. Soweit es für die Bonuszahlung auf die Festlegung von bonusrelevanten Parametern und Zielen für das künftige Geschäftsjahr ankommen sollte (etwa dann, wenn 2010 nachhaltig der „Turnaround“ herbeigeführt wurde und für 2011 eine entsprechende Vereinbarung zu treffen gewesen wäre), sind die Rechtsfolgen einer Rahmenvereinbarung zu prüfen, die die jährliche Festlegung konkretisierender Ziele vorsieht, eine solche jedoch nicht zustande kommt.

7. Die Rahmenzielvereinbarung selbst ist hier nicht ausreichend bestimmt und auch nicht bestimmbar („Abhängigkeit vom Budget“, „Ergebnis der Gruppe“), um bereits als solche Rechtsfolgen auszulösen. Entgegen der Ansicht der Beklagten geht sie dennoch über eine bloß unverbindliche Absichtserklärung hinaus, weil – wie dargelegt – aus dem Zusammenhalt des schriftlichen Dienstvertrags mit der mündlichen Zusage sehr wohl auf einen Verpflichtungswillen der Beklagten mit Wirkung für die Zukunft zu schließen ist, der auch ihre Pflicht, mit dem Kläger in jährliche Verhandlungen zu treten und in einem kooperativen Prozess die anspruchsbegründenden Ziele festzulegen, umfasst (Verhandlungspflicht; „Sprechklausel“,s dazu Risak, Ausgewählte Rechtsprobleme von Zielbonusvereinbarungen, Bedingung – Befristung – Entgeltfortzahlung, ZAS 2008, 196, 200 mwN).

8. Bei einer Verletzung der Verhandlungspflicht oder dem Scheitern von Verhandlungen fehlt es in der Folge zwar an einer konkreten Zielvereinbarung. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt, bedeutet dies aber nicht, dass der Rahmenzielvereinbarung keinerlei rechtliche Bedeutung zukäme und der Arbeitnehmer keine Bonifikation beanspruchen könnte (ebenso Felten, Rechtsfolgen einer Rahmenzielvereinbarung, wbl 2009, 116; 119; Körber-Risak/Schima, Einseitige Eingriffe in und Ablaufstörungen bei erfolgsbezogenen Vergütungen, ZAS 2013, 59 [67]; idS auch BAG vom , 10 AZR 97/07 mwN) – hätte es doch sonst der Arbeitgeber in der Hand, einseitig den Anspruch des Arbeitnehmers auf den Bonus zu vereiteln. In der Literatur wird vielmehr aus der (rahmen-)vertraglichen Verhandlungs- und allenfalls Abschlusspflicht für Einzelzielvereinbarungen auf die Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen hingewiesen, sofern den Arbeitgeber an der mangelnden Zielfestsetzung ein Verschulden trifft (Felten aaO; idS auch BAG 10 AZR 97/07). Gingen die Vertragspartner überhaupt davon aus, dass jedes Jahr eine neue Vereinbarung zustande kommt, wird auch eine erfolgsbezogene Vergütung in angemessener Höhe nach billigem Ermessen diskutiert (Körber-Risak/Schima, ZAS 2013, 67). Demgegenüber ist aus der Entscheidung 9 ObA 111/12g für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen, weil ihr ein anderer Sachverhalt zugrunde lag (Unverbindlichkeitsvorbehalt zur Zahlung eines Jahresbonus).

9. Die Voraussetzungen und Folgen eines Schadenersatzanspruchs sind hier jedoch nicht näher zu erörtern. Denn ungeachtet dessen, dass sich der Kläger für seine Ansprüche nicht auf einen entsprechenden Schaden gestützt hat, ist in Bezug auf eine Bonuszahlung in erster Linie der Parteiwille maßgeblich, wofür im Fall einer unbewussten Vertragslücke auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zurückzugreifen ist. Für diese ist zunächst der hypothetische Wille der Parteien zu ermitteln und, wenn sich ein solcher nicht feststellen lässt, unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des Vertragszwecks jene Regelung zu ergänzen, die vernünftige und redliche Parteien getroffen hätten (s nur Bollenberger in KBB ABGB4§ 914 Rz 9 mwN).

10. In Fällen wie dem vorliegenden liegt eine ergänzungsbedürftige Lücke nicht darin, dass die Vertragspartner in der Rahmenvereinbarung noch keine Ziele für die Bonuszahlungen festgelegt haben, wollten sie davon doch bewusst absehen und sie jährlichen Zielvereinbarungen vorbehalten. Unbewusst ungeregelt blieben vielmehr die Folgen der Verletzung einer Verhandlungspflicht bzw das Scheitern von Verhandlungen über die Zielvereinbarung, sodass zu fragen ist, was die Parteien für einen solchen Fall vereinbart hätten.

11. Dafür lassen sich keine allgemeinen Aussagen treffen, weil je nach den Umständen des Falls verschiedene vertragliche Ergänzungen in Frage kommen können, so etwa die Weitergeltung einer bestehenden Vereinbarung des Vorjahres, der Rückgriff auf einen Durchschnitts- oder einen Zweifelswert (vgl Schima, Der Aufsichtsrat als Gestalter des Vorstandsverhältnisses [2016], 201), die Festlegung von Parametern durch Dritte etc. In jedem Fall wird dabei zu berücksichtigen sein, dass es den Interessen der Vertragspartner entsprach, die Parameter und Ziele der Bonuszahlung im Einvernehmen festzulegen. Das wird für gewöhnlich gegen eine ergänzende Vertragsauslegung sprechen, die nur die Interessen eines Vertragspartners (unrealistisch hohe bzw niedrige Parameter) oder beliebige Ziele im Auge hat, weil bei solchen meist von vornherein keine Zustimmung des anderen Teils zu erwarten ist. Eine an den Interessen der Vertragspartner sowie an Treu und Glauben orientierte Auslegung kann aber auch zur Akzeptanz eines „angemessenen“ Bonus iSd § 1152 ABGB führen, der gegebenenfalls an der in Aussicht genommenen Bonushöhe – hier 20 % des Jahresfixums – orientiert werden kann, wenn keine dagegen sprechenden Umstände aufgezeigt werden.

12. Diesbezügliche Feststellungen betreffen die Höhe der Bonuszahlung und werden nach Maßgabe des weiteren Verfahrens zu treffen sein. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium erweist sich aber, wie dargelegt, schon die Fällung eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs des Klägers auf eine Bonuszahlung als verfrüht, weil der Sachverhalt noch keine Beurteilung erlaubt, ob die Voraussetzung der Herbeiführung eines „Turnaround“ erfüllt wurde.

Da die Revision der Beklagten danach im Sinn des Eventualantrags berechtigt ist, war ihr Folge zu geben und die Rechtssache zur entsprechenden Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 393 Abs 4 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00163.16K.0228.000

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