OGH vom 27.01.2016, 9ObA163/15h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei i***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen 3.652,65 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 43/15i 37, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Seit der Neufassung des § 480 ZPO durch das Budgetbegleitgesetz 2009 ist ein Antrag auf Abhaltung einer Berufungsverhandlung nicht mehr vorgesehen. Das Berufungsgericht entscheidet vielmehr im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens, ob eine mündliche Verhandlung etwa aufgrund der Komplexität der zu entscheidenden Rechtssache notwendig ist (RIS Justiz RS0126298, RS0127242). Ist eine abschließende Sacherledigung wie hier ohne eine Berufungsverhandlung möglich, ist es nach § 480 Abs 1 ZPO kein Verfahrensmangel, die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu erledigen (RIS Justiz RS0125957; zuletzt 9 ObA 141/14x). Die Regelung des § 480 Abs 1 ZPO verstößt nicht gegen Art 6 EMRK (RIS Justiz RS0126298).
2.1 Ist das Berufungsgericht in die Prüfung der Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen und hat eine solche verneint, ist die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich. Eine vom Berufungsgericht im Spruch oder in den Entscheidungsgründen verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz ist nach ständiger Rechtsprechung eine den Obersten Gerichtshof bindende, nicht weiter anfechtbare Entscheidung (RIS Justiz RS0042917, RS0042981 uva; Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 519 Rz 49 mwN).
2.2 Eine solche bindende und unanfechtbare Entscheidung des Berufungsgerichts liegt auch dann vor, wenn das Berufungsgericht wie im Anlassfall den vom Kläger behaupteten Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz unter dem vom Kläger geltend gemachten Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens behandelt und verneint hat. Daran ändert der Umstand, dass der Kläger in diesem Zusammenhang in seiner Berufung inhaltlich auch eine Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO behauptete, die er nun in seiner Revision als eine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit als Revisionsgrund geltend macht, nichts. Entscheidend ist, dass derselbe verfahrensrechtliche Sachverhalt als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Ob eine Nichtigkeit verneint wurde, richtet sich allein nach den beurteilten (prozessualen) Tatsachen (3 Ob 76/03b; 3 Ob 27/06a; RIS Justiz RS0042981 [T7, T 11]), hier also nach dem vom Kläger behaupteten Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz durch Beeinträchtigung seines Fragerechts an Zeugen. Darüber hat das Berufungsgericht im für den Kläger negativen Sinn entschieden. Mit der Verneinung einer Mangelhaftigkeit hat das Berufungsgericht auch eine Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens verneint, ist doch die Mangelhaftigkeit gegenüber der Nichtigkeit ein geringerer Verfahrensverstoß, der nur über Rüge aufzugreifen ist. Wenn schon der geringere Verfahrensverstoß verneint wird, so ist damit auch ausgesprochen, dass unter der hier vorliegenden Voraussetzung der Identität des zugrunde liegenden Sachverhalts der gravierendere und mit Nichtigkeit bedrohte Verstoß von Prozessgesetzen nicht vorliegt (3 Ob 27/06a; 2 Ob 178/14m). Dem Obersten Gerichtshof ist daher die Überprüfung, ob das Berufungsgericht das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes zu Recht verneint hat, verwehrt (7 Ob 93/14y).
3. Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen hatte der vom AMS an die Beklagte vermittelte Kläger von vornherein nicht die Absicht, mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Er verwirklichte diese Absicht auch, ohne dass dabei die im Personalfragebogen der Beklagten enthaltenen Fragen oder das im schriftlichen Dienstvertrag enthaltene Konkurrenzverbot eine Rolle gespielt hätten. Die darauf beruhende rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass es im Anlassfall schon an einer Schadensverursachung durch die Beklagte fehle, ist vertretbar. Mit seinen auch in der Revision wiederholten Ausführungen, dass der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, von ihm als bedenklich bezeichnete Fragen in einem Personalfragebogen zu beantworten und einen schriftlichen Dienstvertrag zu vereinbaren, der eine sittenwidrige Konkurrenzverbotsklausel enthalten habe, zeigt der Revisionswerber keine Korrekturbedürftigkeit dieser Rechtsansicht auf, weil diese Umstände nicht der Grund für das Nichtzustandekommen eines Vertrags zwischen den Parteien waren.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00163.15H.0127.000