OGH vom 27.01.2016, 9ObA162/15m

OGH vom 27.01.2016, 9ObA162/15m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** G*****, vertreten durch Dr. Thomas Jappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Proksch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung und Leistung (16.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 5.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 68/15s 38, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit (berichtigtem) Teilurteil gaben die Vorinstanzen dem Begehren der bei der Beklagten beschäftigt gewesenen Klägerin auf Rechnungslegung und Bucheinsicht unter Beiziehung eines Buchsachverständigen mit Verschwiegenheitspflicht statt. Neben der Abweisung eines bereits im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen Teils des Klagebegehrens durch das Erstgericht gaben die Vorinstanzen auch dem allein revisionsgegenständlichen Klagemehrbegehren, die Beklagte habe der Klägerin die Kosten für die Beiziehung eines Buchsachverständigen zu ersetzen, nicht statt. Eine gesetzliche Grundlage für eine derartige Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bestehe nicht.

Rechtliche Beurteilung

§ 14 Abs 2 AngG sieht vor, dass d er Angestellte die Einsicht der Bücher verlangen kann, soweit dies zur Prüfung der Richtigkeit der Abrechnung erforderlich ist. Die Lehre vertritt dazu ergänzend die Ansicht, dass der Angestellte bei fehlender Sachkunde auch das Recht hat, einen Buchsachverständigen mit Verschwiegenheits-verpflichtung beizuziehen ( Preiss in ZellKomm² § 14 AngG Rz 40, Marhold-Weinmeier in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 14 Rz 81 und Jabornegg in Löschnigg 9 AngG § 14 Rz 34, jeweils unter Hinweis auf Geist , DRdA 1993/6).

Die Klägerin erkennt in ihrer außerordentlichen Revision selbst, dass diesen Belegstellen keine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer zur Bucheinsicht beigezogenen Buchsachverständigen zu entnehmen ist. Sie stützt den geltenden gemachten Anspruch auf keine besondere gesetzliche oder vertragliche Anspruchsgrundlage, sondern macht geltend, dass die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers in den genannten Literaturstellen auch nicht ausgeschlossen würde und im Übrigen eine höchstgerichtliche arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu dieser Frage bisher fehle.

Aus der Entscheidung 7 Ob 179/02b, auf die die Klägerin verweist, aber selbst gleich einschränkt, dass sie „bloß zum Gesellschaftsrecht“ ergangen sei, ist für die Klägerin nichts zu gewinnen. Danach hat die Gesellschaft in bestimmten Ausnahmefällen dem Kommanditisten die Kosten eines von ihm zur im Gesellschaftsvertrag zugestandenen Einsicht in die Geschäftsunterlagen beigezogenen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmens zu ersetzen. Die Entscheidung erging zu besonderen in einem Gesellschaftsvertrag eingeräumten Kontrollrechten eines Kommanditisten, die mit der hier geltend gemachten Kostentragungspflicht, die von der Klägerin weder auf ein Gesetz, noch auf einen Vertrag und auch nicht etwa auf Schadenersatz wegen Verletzung eines Gesetzes oder Vertrags gestützt wurde, nicht vergleichbar sind.

Auch für eine „analoge“ Anwendung der Entscheidung 4 Ob 139/90, in der Erwägungen zur formell- oder materiell rechtlichen Natur des § 87a UrhG angestellt wurden, finden sich keine Anhaltspunkte für die von der Klägerin geltend gemachte Kostentragungspflicht des Arbeitgebers.

Auf hypothetische Überlegungen, die sich aus der künftigen Abwicklung der Bucheinsicht allenfalls erst ergeben können, braucht hier nicht eingegangen werden.

Zusammenfassend macht die Klägerin zur Begründung der Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend. Ihr Rechtsmittel wäre nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Dass zu dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch noch arbeitsrechtliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, wie sie zur Begründung der Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision betont, bedeutet nicht automatisch das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage. Dass Rechtsprechung zu einem Thema fehlt, zu dem bisher niemandem in der Rechtsprechung und Lehre Zweifel gekommen sind (vgl Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 502 Rz 17 mwN), überrascht nicht. Bei der Beurteilung der Erheblichkeit einer Frage kann natürlich das eigene erstinstanzliche Vorbringen der Partei nicht unberücksichtigt bleiben, das im vorliegenden Fall in dem nun in der außerordentlichen Revision interessierenden Punkt nur eher knapp ausfiel. Dass die Lehre die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers in Bezug auf die Beziehung eines Buchsachverständigen bisher nicht generell bejaht hat, räumt die Klägerin selbst ein. Dass der Lehre auch keine besondere Ablehnung der Kostentragungspflicht zu entnehmen sei, wie die Klägerin hervorhebt, mag schon sein, ist aber für die Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts nicht ausreichend. Dies gilt auch für die weitere Überlegung der Klägerin, dass zu bestimmten, hier allerdings auch nicht zu beurteilenden gesellschaftsrechtlichen bzw urheberrechtlichen Fragen, erst vereinzelte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00162.15M.0127.000