OGH vom 19.09.2001, 9ObA162/01s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer und Anton Beneder als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hannelore S*****, Betriebskrankenschwester, ***** vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Theater Service GmbH, Goethegasse 1, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 623.799,75 brutto sA und Feststellung (Streitwert S 50.000,--), über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse S 394.285,60) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse S 279.514,50) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 15/01m-49, mit welchem infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 11 Cg 199/98h-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.550,-- (darin S 2.925,-- USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.960,-- (darin S 2.160,-- USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist diplomierte Krankenschwester und trat - nach einer Tätigkeit als Stationsschwester bei einem anderen Dienstgeber - am in ein Dienstverhältnis zur Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, der Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband, ein. Am wurde sie auf Grund ihres Alters in ein provisorisches Dienstverhältnis übernommen. Die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei und in der Folge auch diese entlohnten die Klägerin nach dem Kollektivvertrag für das technische Personal, Gruppe B, zunächst Entlohnungsklasse V, später Entlohnungsklasse IV. Eine Einstufung als "Meister ad personam", welche die Entlohnungsstufe III des Kollektivvertrages zur Folge gehabt hätte, wurde von der beklagten Partei abgelehnt. Das Dienstverhältnis wurde per beendet.
Die Klägerin bestritt die Anwendbarkeit des Kollektivvertrages; es komme ihr vielmehr Vertragsbedienstetenstatus zu, wobei sie auf Grund einer entsprechenden Erklärung Anspruch auf Entlohnung nach dem Entlohnungsschema K für Vertragsbedienstete habe. Als "Hauptanspruch" begehrte sie S 623.799,75 brutto sA, und zwar als mittlerweile entstandene Differenz zwischen der tatsächlichen Entlohnung nach dem Kollektivvertrag und der ihr zustehenden Entlohnung in der Entlohnungsgruppe k 3 (Stationsschwester). "In eventu" begehrte die Klägerin den Zuspruch von S 229.514,50 brutto als Differenz zur Entlohnungsgruppe k 4. Überdies beantragte die Klägerin die Feststellung, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für alle aus der nicht ordnungsgemäßen Entlohnung und Meldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse zu Beginn des Dienstverhältnisses entstandenen Schäden hafte.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Die Klägerin sei immer zutreffend nach dem Kollektivvertrag eingestuft und entlohnt worden; die beklagte Partei habe demzufolge keine Verpflichtung übernommen, die Klägerin so zu stellen, als ob sie Vertragsbedienstete des Bundes gewesen wäre.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren im Umfang von S 229.514,50 brutto sowie dem Feststellungsbegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Tätigkeit der Klägerin vom Kollektivvertrag nicht umfasst sei, sodass "der ortsübliche Lohn" zu zahlen sei. Hier komme allerdings nur die Tätigkeit als Krankenschwester (Entlohnungsschema k 4), nicht jedoch eine solche als Stationsschwester (k 3) in Betracht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verneinte dabei die Frage der Anwendbarkeit des genannten Kollektivvertrages auf das Dienstverhältnis der Klägerin genauso zutreffend, wie es ein dem VBG 1948 unterliegendes Dienstverhältnis und daraus folgend eine Entlohnung nach dem Entlohnungsschema K, Entlohnungsgruppe k 4 bejahte. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerber entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Revision der beklagten Partei:
Gemäß § 1 Abs 1 unterliegen (und unterlagen), soweit nicht die Abs 3 und 4, die §§ 2b bis 2d oder Abschnitt VII etwas anderes bestimmen, privatrechtliche Dienstverhältnisse zum Bund dem Vertragsbedienstetengesetz 1948. Das VBG 1948 findet gemäß § 1 Abs 3 Z 7 keine Anwendung auf das technische Personal der Bundestheater. Mit einer Verordnung im Sinn des § 1 Abs 4 VBG 1948, BGBl 106/1948, wurden überdies die Vertragsbediensteten bei den Bundestheatern, sofern für sie der Kollektivvertrag für das technische Personal der Bundestheaterverwaltung in Betracht kommt und sie nicht schon nach § 1 Abs 3 lit a (jetzt: Z 7) des Vertragsbedienstetengesetzes von der Anwendung des Gesetzes ausgenommen sind, ausdrücklich von der Anwendung des Gestezes ausgenommen.
Dieser Kollektivvertrag für das "technische Personal" vom , der aus einem arbeitsrechtlichen Teil (A) und aus einem bezugsrechtlichen Teil (B) besteht, bestimmt im Teil A § 1 "Geltungsbereich": "Die Bestimmungen dieses Kollektivvertrages gelten für alle dem technischen Personal im Gesamtbereich der Bundestheater angehörenden Dienstnehmer (§ 3)". Gemäß § 3 "Personaleinteilung" werden die Gruppen des technischen Personals eingeteilt wie folgt:
"1. Vorstellungsdienst 1.1. Vorstellungspersonal (Bühnenpersonal, Bühnentapezierer, Requisiteure, Schnürbodenpersonal, Versenkungspersonal, Beleuchtungspersonal, Kurtinenwärter, Maskenbildner, Ankleider, Repertoirewerkstättenpersonal, Transportpersonal, Hilfskräfte des Orchesterinspizienten, Tontechniker, Kraftfahrer), 1.2. Technischer Dienst (Personal der Elektro-, Klima- und hydraulischen Zentralen, Schwachstromdienst zuzüglich Personal der Telefonzentrale), 2. Hausaufsichtsdienst, 2.1. Betriebsfeuerwehr, 2.2. Portiere, 3. Instandhaltungsdienst (Professionisten, Hausarbeiter, Reinigungsfrauen), 4. Werkstättendienst (Personal der Dekorations- und Kostümwerkstätten und Werkstättenhelfer), 5. Sonstiger Dienst (Bürowarte, Hauswarte),
6. Publikumsdienst, 7. Aushilfsdienst a) ständige Tagesaushelfer § 2 Abs 4, b) fallweise beschäftiger sonstiger Aushilfsdienst), 8. Lehrlinge.
Im bezugsrechtlichen Teil heißt es unter § 1 "Entlohnung":
"1. Die Monatslohn beziehenden Dienstnehmer werden nach folgenden Entlohnungsgruppen unterteilt und entlohnt: Entlohnungsgruppe A:
Entlohnungsklasse I Gruppenmeister, Entlohnungsklasse II Obermeister,
Entlohnungsklasse III Meister, Entlohnungsklasse IV Vorarbeiter, Entlohnungsklasse V Professionisten und Arbeiter im Sinne des § 18 KV, Entlohnungsklasse VI Arbeiter, soweit sie nicht unter V einzureihen sind. a) Bühnenpersonal, Bühnentapezierer, Requisiteure, Schnürbodenpersonal, Versenkungspersonal, Beleuchtungspersonal, Maskenbildner, Ankleider, Repertoirewerkstättenpersonal, Transportpersonal, Hilfskräfte des Orchesterinspizienten, Tontechniker, Kurtine, Kraftfahrer, b) Personal der Elektro-, Klima- und hydraulischen Zentralen, Schwachstromdienst zuzüglich Personal der Telefonzentrale.
Entlohnungsgruppe B Entlohnungsklasse I Gruppenmeister,
Entlohnungsklasse II Obermeister, Entlohnungsklasse III Meister,
Entlohnungsklasse IV Vorarbeiter, Entlohnungsklasse V Professionisten, Entlohnungsklasse VI Werkstättenhelfer (Professionisten der Gebäudeinspektion, Professionisten der Dekorations- und Kostümwerkstätten, Werkstättenhelfer).
Entlohnungsgruppe C Entlohnungsklasse I Gruppenmeister,
Entlohnungsklasse II Obermeister, Entlohnungsklasse III Meister,
Entlohnungsklasse IV Vorarbeiter, Entlohnungsklasse V Portiere, Feuerwehrmänner, Säuberungsaufseher-Stellvertreter, Entlohnungsklasse VI Reinigungspersonal, Hauswarte, Bürowarte, Betriebsfeuerwehr, Reinigungspersonal.
Entlohnungsgruppe D: Lehrlinge."
Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass eine den §§ 6 ff ABGB folgende Auslegung des Kollektivvertrages, welcher im arbeitsrechtlichen Teil detailliert aufzeigt, welche Professionisten bzw Hilfsdienste in seinen Geltungsbereich fallen sollen, eine Einordnung der Tätigkeit der Klägerin nicht zulässt. Durch die noch mehr ins Detail gehende Aufgliederung im bezugsrechtlichen Teil wird dies noch deutlicher. Der Umstand, dass die Klägerin einem Betrieb des Bundestheaters zugeteilt war, in welchem möglicherweise überwiegend dem Kollektivvertrag unterliegende Arbeitnehmer beschäftigt waren, zwingt keineswegs zu dem Schluss, dass der Kollektivvertrag auf die Klägerin anzuwenden sei, zumal dies durch den Wortlaut sogar ausgeschlossen ist. Aus der zwingenden Bestimmung des § 1 Abs 1 VBG 1948 folgt somit, dass die Klägerin von Anfang an in einem dem VBG 1948 unterstehenden Dienstverhältnis zur Republik Österreich stand und die daraus entstandenen Rechte und Pflichten auf Grund § 18 Abs 1 Bundestheaterorganisationsgesetz, BGBl I Nr 108/1998, auf die Beklagte übergingen. Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung, dass die Klägerin eine Erklärung im Sinne des § 93 (früher: § 74)VBG 1948 auf Überleitung in das Entlohnungsschema K bewirken konnte, blieb seitens der beklagten Partei ungerügt und kann daher den weiteren Erwägungen zu Grunde gelegt werden. Daraus folgt, dass die Klägerin, welche die Voraussetzungen nach § 59 Abs 1 Z 1 (Krankenschwesterndiplom) und Z 2 (Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit) erfüllte, ihre Einstufung in das K-Schema sowie die Entlohnung nach k 4 erwirkte. Somit erweisen sich sowohl die von den Vorinstanzen zuerkannten Differenzbeträge als auch das (im Revisionsverfahren nicht mehr konkret bekämpfte) Feststellungsbegehren als berechtigt.
2. Zur Revision der Klägerin:
Das Berufungsgericht legte eingehend dar, warum die Tätigkeit der Klägerin derjenigen einer mit Führungsaufgaben betrauten Stationsschwester nicht vergleichbar ist. Dieser Rechtsauffassung vermag die Klägerin keine überzeugenden Argumente entgegenzuhalten. Insbesondere kann der von ihr ins Treffen geführten Bestimmung des § 75 Abs 1 VBG (in der bis geltenden alten Fassung) nicht entnommen werden, dass die Klägerin mit ihrer Erklärung eine Einstufung jedenfalls in die Entlohnungsgruppe k 3 bewirkt hätte. Diese Bestimmung regelte zwar, dass Vertragsbedienstete auch dann in die Entlohnungsgruppe k 1 oder k 3 einzureihen sind, wenn sie für die betreffende Verwendung das Erfordernis einer Sonderausbildung nach § 57b des Krankenpflegegesetzes (alt) nicht erfüllen, doch wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur bei Erfüllung aller sonstigen Einreihungserfordernisse gilt. Abs 2 leg cit bestimmt, dass vom Erfordernis einer Sonderausbildung nur dann abzusehen ist, wenn
1. ein Vertragsbediensteter bis auf Dauer mit einer
der folgenden Verwendungen betraut wird: ... Stationsschwester
(Stationspfleger) ... und 2. berücksichtigungswürdige Gründe
vorliegen. Ist aber, wie schon erwähnt, die Funktion der Klägerin bei der beklagten Partei bzw deren Rechtsvorgängerin nicht als diejenige einer Stationsschwester zu definieren, kann auch von der "Betrauung" mit einer solchen Funktion nicht die Rede sein.
Entgegen ihrer Ansicht kann die Klägerin einen Zinsenanspruch nur nach § 49a zweiter Satz ASGG begehren, weil die Rechtsansicht der beklagten Partei in dieser komplexen Einstufungsfrage als vertretbar angesehen werden muss.
Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass das von der klagenden Partei erhobene "Eventualbegehren" auf Zahlung einer Differenz, welche sich bei einer Entlohnung nach der Gruppe k 3 ergibt, nicht eine von der Bedingung der Abweisung des "Hauptbegehrens" abhängige Leistung, sondern ein minus ist, weil das auf eine geringere Summe lautende Zahlungsbegehren jedenfalls in dem als "Hauptbegehren" bezeichneten Zahlungsbegehren enthalten ist (siehe 6 Ob 639/94). Im Rahmen der sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO stützenden Kostenentscheidung war daher zu berücksichtigen, dass der Streitwert der Revision der Klägerin nur im Sinn der Differenz zwischen der begehrten und der zugesprochenen Summe besteht; auf dieser Basis waren daher auch die Kosten der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei zuzusprechen. Für die Revisionsbeantwortung der Klägerin gilt, dass das Revisionsinteresse der beklagten Partei nur S 279.514,50 beträgt.