OGH vom 14.03.1996, 8Ob36/95
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Angelika Truntschnig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. G***** Betriebs-GesmbH, ***** 2. Dr.Peter Posch, Rechtsanwalt, 4600 Wels, Eisenhowerstraße 40, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der erstbeklagten Partei, wegen Aushändigung von Löschungserklärungen (Streitwert S 1,000.000,--), infolge Revisionsrekurse der klagenden Partei und der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 3 R 170/95-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom , GZ 1 Cg 215/95-2, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Der Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.
2. Die Revisionsrekursbeantwortungen der klagenden Partei sowie der erst- und zweitbeklagten Partei werden zurückgewiesen.
3. Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit ihrer am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagten schuldig zu erkennen, ihr hinsichtlich bestimmter Liegenschaftsanteile, an welchen Wohnungseigentum begründet ist, sowie hinsichtlich weiterer Liegenschaftsanteile verbücherungsfähige Löschungserklärungen für die bei diesen Liegenschaften teils als Nebeneinlage, teils als Haupteinlage sichergestellten, im einzelnen bezeichneten Pfandrechte und Lasten auszuhändigen. Die Klägerin habe von der Erstbeklagten mehrere Eigentumswohnungen sowie 9/96-Anteile an einer Liegenschaft gekauft und den vereinbarten Gesamtkaufpreis von S 28,392.000,-- bezahlt. Das Eigentumsrecht der Klägerin sei im Grundbuch einverleibt worden. Sowohl auf den Liegenschaften, mit welchen Wohnungseigentum verbunden sei, als auch auf jener weiteren Liegenschaft, von welcher die Klägerin 9/96-Anteile erworben habe, seien Pfandrechte verbüchert, für welche die erstgenannten Liegenschaften als Nebeneinlage, die zweitgenannte Liegenschaft als Haupteinlage hafte. Darüber hinaus seien hinsichtlich der zuletzt genannten Liegenschaft noch weitere Lasten verbüchert. Aufgrund des Kaufvertrages hafte die Erstbeklagte dafür, daß die verkauften Liegenschaften lastenfrei in das Eigentum der Klägerin übergehen. Über das Vermögen der Erstbeklagten sei am das Konkursverfahren eröffnet und der Zweitbeklagte zum Masseverwalter bestellt worden. Aufgrund dieser Konkurseröffnung hätten sich die Pfandgläubiger trotz vorher erteilter verbindlicher Zusagen, die Liegenschaftsanteile der Klägerin lastenfrei zu stellen, geweigert, die entsprechenden Löschungserklärungen zur Verfügung zu stellen. Die Erstbeklagte sei aufgrund des Vertrages verpflichtet, der Klägerin die Löschungserklärungen auszuhändigen. Da für die Klägerin nicht feststellbar sei, ob die Klage auch Auswirkungen auf das Massevermögen habe, würden aus Gründen prozessualer Vorsicht sowohl die Gemeinschuldnerin direkt als auch der Masseverwalter in Anspruch genommen.
Das Erstgericht wies die Klage hinsichtlich beider Beklagten a limine zurück. Die Klägerin mache nach ihrem Vorbringen einen Erfüllungs- bzw. Gewährleistungsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin und die Masse geltend. Damit liege ein Anspruch vor, der das dem Konkurs unterworfene Vermögen betreffe, weshalb es der Erstbeklagten gemäß § 6 KO an der Prozeßfähigkeit mangle. Hinsichtlich des Zweitbeklagten sei der Rechtsweg unzulässig, da bisher eine Anmeldung der Forderungen im Konkurs gemäß §§ 102 ff KO nicht erfolgt sei.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Klagszurückweisung in Ansehung der Erstbeklagten und hob den angefochtenen Beschluß hinsichtlich der Zurückweisung der gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klage auf. Es trug in diesem Umfang dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage auf. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes hinsichtlich jeder Löschungserklärung S 50.000,-- übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Aus dem Inhalt des Klagebegehrens gehe hervor, daß die Klage nicht auf Erwirkung von Löschungsquittungen durch die Beklagten bei dritten Hypothekargläubigern abziele, sondern die Herausgabe bereits ausgestellter Urkunden anstrebe. Diese in §§ 469, 1369 ABGB vorgesehenen Löschungsquittungen stellten insofern einen Vermögenswert im Sinne des § 1 KO dar, als Hypotheken - selbst über die Tilgung der Schuld hinaus - bis zu ihrer Löschung im Grundbuch formell bestehen blieben und der Hypothekarschuldner im Falle der Verweigerung der Quittung die Klage auf Löschung anzustrengen hätte, um die Liegenschaft bestmöglich verwerten zu können. Insoferne sei auch eine Exekution zur Erwirkung der Herausgabe der Löschungserklärungen gemäß § 346 EO nicht von vorneherein ausgeschlossen. Da der Anspruch somit zur Konkursmasse gehörendes Vermögen betreffe, sei er Konkursforderung und könne im Gemeinschuldnerprozeß nicht geltend gemacht werden. Allerdings sei der Aushändigungsanspruch trotz seiner Eigenschaft als Konkursforderung nicht gemäß §§ 102 ff KO anmeldungspflichtig. Allenfalls vorhandene Löschungsquittungen wären zwar der Konkursmasse - letztlich im Wege der Herausgabeexekution nach § 346 EO - zu entnehmen, das der Verteilung unterliegende Massevermögen würde dadurch in seinem Wert aber nicht geschmälert. Der geltend gemachte Anspruch sei zudem als Forderung betraglich nicht bestimmbar und auch deshalb für eine Anmeldung im Sinne der §§ 124 ff KO nicht geeignet. Der angefochtene Beschluß sei daher hinsichtlich des Zweitbeklagten zu beseitigen und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage aufzutragen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Zweitbeklagten ist unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung steht dem Beklagten ein Rechtsmittel gegen den Beschluß, mit dem das Rekursgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über eine vom Erstgericht vor Streitanhängigkeit zurückgewiesene Klage aufträgt, nicht zu (Jud. 61 = SZ 27/290; JBl 1969, 670; RZ 1964, 121; RZ 1985/7; 3 Ob 589/89; 9 ObA 144/95). Diese Grundsätze wendet der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung nicht nur auf die a limine-Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit, sondern auch auf jene wegen anderer Prozeßhindernisse wie des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit, der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der Streitanhängigkeit sowie der Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses an (Arb. 10.928; 9 ObA 144/95). Dem an der Prüfung der Zuständigkeit in erster Instanz nicht beteiligten Beklagten ist auch nach dem Eingreifen der zweiten Instanz eine Beteiligung an dieser vorläufigen Prüfung verwehrt; dies unabhängig von einer allfälligen Zustellung der Beschlüsse des Erst- und des Rekursgerichtes, da hiedurch die prozessuale Stellung des Beklagten, der in diesem Verfahrensstadium noch keine Parteistellung besitzt, nicht geändert wird (RZ 1985/7; 3 Ob 589/89).
Auch die im Verfahren erstatteten Revisionsrekursbeantwortungen sind unzulässig.
Die Anfechtung eines a limine gefaßten Zurückweisungsbeschlusses findet in einem einseitigen Revisionsrekursverfahren statt, da keiner der in § 521a Abs. 1 Z 3 ZPO ("... nach Eintritt der Streitanhängigkeit ...") genannten Beschlüsse vorliegt (MietSlg 36.517/19; JBl 1993, 126).
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO), es kommt ihm aber keine Berechtigung zu.
Gemäß § 6 Abs. 1 KO können Rechtsstreitigkeiten, welche die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden. Soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind, erhält die Konkursmasse ein ex lege vertretungsbefugtes und -verpflichtetes Organ in der Person des Masseverwalters (4 Ob 555/90). Gegen den Gemeinschuldner gerichtete Klagen sind zurückzuweisen (SZ 44/63; JBl 1973, 93).
Gemäß § 6 Abs. 3 KO erstrecken sich die Wirkungen der Konkurseröffnung nicht auf jene Rechtsstreitigkeiten, welche über Ansprüche geführt werden, die das zur Konkursmasse gehörende Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Gemeinschuldners. Zu diesen "Gemeinschuldnerprozessen" gehören einerseits Streitigkeiten, deren Gegenstand gar nicht vermögensrechtlicher Natur ist und andererseits Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, sofern der Streitgegenstand weder einen Aktiv- noch einen Passivbestandteil der (Soll-)Konkursmasse bildet (Bartsch/Pollak KO3 I 72). Letzteres ist aber nur zu bejahen, wenn die dem Klagebegehren stattgebende Entscheidung im Prozeß auf den Stand der Sollmasse unmittelbar keinen Einfluß nimmt. Unmittelbar ist deren Einfluß aber auch dann, wenn der Streitgegenstand selbst zwar den Sollstand der Masse nicht berührt, mit vermögensrechtlichen, die Masse betreffenden Ansprüchen jedoch derart eng verknüpft ist, daß sich das klagsstattgebende Urteil auf deren Bestand oder Höhe rechtsnotwendigerweise unmittelbar auswirkt (1 Ob 567/94 = GesRZ 1995, 193). Diesen rechtlichen Erwägungen folgte im Ergebnis auch die Rechtsprechung, die Ansprüche auf Unterlassung nach dem UWG (EvBl 1968/164; 4 Ob 69/94) und solche auf Räumung von Bestandobjekten (4 Ob 514/87; 4 Ob 555/90) als Konkursforderungen qualifizierte. In diesem Zusammenhang wurde auch klargestellt, daß derartige Ansprüche zwar Konkursforderungen sind, jedoch nicht der Anmeldungspflicht unterliegen, weil der Anspruch nicht aus der Masse zu befriedigen ist (EvBl 1968/164; 4 Ob 555/90).
Nach dem für die Beurteilung des Anspruches allein maßgeblichen Vorbringen in der Klage (4 Ob 514/87) hat sich die Gemeinschuldnerin gegenüber der Klägerin zur Lastenfreistellung der erworbenen Liegenschaften verpflichtet und kommt nun dieser Schuld nicht nach. Selbst wenn man unterstellt, daß nach dem (diesbezüglich nicht klaren) Klagevorbringen lediglich die Herausgabe bereits vorhandener Löschungserklärungen begehrt wird, vermag das nichts daran zu ändern, daß im Falle des Ergehens eines stattgebenden Urteiles nur der Masseverwalter zur Ausfolgung der Urkunden verhalten werden könnte, da sich aus dem Vorbringen kein Anhaltspunkt dafür ergibt, daß nicht ihm die Gewahrsame hinsichtlich sämtlicher ehedem im Besitz der Gemeinschuldnerin gewesener Sachen und Urkunden zukomme. Ob eine derartige Herausgabepflicht eine unmittelbare Auswirkung auf die Konkursmasse hätte, etwa weil im Eigentum der Gemeinschuldnerin verbliebene Liegenschaftsanteile für die zu löschenden Pfandrechte simultan haften, läßt sich dem Klagebegehren nicht mit Sicherheit entnehmen. Allerdings ergibt sich aus dem Vorbringen hinreichend deutlich, daß die Nichtherausgabe der begehrten Urkunden Schadenersatzansprüche der Klägerin nach sich zöge, welche zweifelsohne der Anmeldung im Konkurs unterlägen. Auch damit ist aber eine unmittelbare Auswirkung auf die Masse gegeben, da aus dem hier erhobenen Begehren vermögensrechtliche Ansprüche gegen die Konkursmasse abgeleitet würden. Die Gemeinschuldnerin könnte in einem derartigen Fall nur dann direkt in Anspruch genommen werden, wenn die Klägerin auf die Befriedigung ihrer Ansprüche aus der Konkursmasse verzichtet hätte (vgl. GesRZ 1989, 45).
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.