VfGH vom 13.03.1984, B471/83
Sammlungsnummer
9993
Leitsatz
Wr. WohnungsabgabeG; Antrag auf Feststellung der Auskunftspflicht gemäß § 7; Zurückweisung des Antrages mangels Interesses an der Erlassung eines Feststellungsbescheides - Entzug des gesetzlichen Richters
Spruch
Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid insoweit im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden, als die Berufung "zu Punkt 1" abgewiesen wurde.
Der Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Bf. ist Eigentümer eines Hauses in Wien. Nachdem sein Vertreter am durch Zustellung der Erhebungsbögen samt Beiblättern iS des § 7 des Wr. Gesetzes über die Einhebung einer Abgabe auf unvermietete Wohnungen (kurz: WohnungsabgabeG) zur Auskunft über den Liegenschaftsbestand binnen zwei Monaten aufgefordert worden war, beantragte er am beim Magistrat Wien (1.) eine anfechtbare Erledigung, daß die Hauseigentümer bzw. deren Vertreter verpflichtet seien, die im Beiblatt verlangten Angaben für alle Wohnungen und Geschäftslokale im Haus abzugeben, und (2.) die Erstreckung der Frist zur Abgabe der abgeforderten Auskünfte bis zum . Beide Anträge wurdem mit Bescheid des Magistrats vom als unzulässig zurückgewiesen. Weder ein Feststellungsbescheid noch eine Fristverlängerung seien im Gesetz vorgesehen. Zudem sei die Aufforderung zur Auskunfterteilung nicht an den Bf., sondern an seinen Vertreter ergangen.
Die Berufung gegen diesen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission im ersten Punkt ab und im zweiten zurück. Ein Feststellungsbescheid sei nicht nur nicht vorgesehen, sondern zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung auch nicht notwendig; die einzige Sanktion für die Verweigerung der Auskunft sei ein Strafverfahren, dessen Einleitung durch einen Feststellungsbescheid gar nicht vermieden werden könne. Den Vertreter des Bf. treffe die Auskunftspflicht als selbständige (gemeint offenbar: eigene) Pflicht und gegen die Ablehnung eines Antrages auf Fristverlängerung sei ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig (§85 Abs 3 WAO).
Gegen den abweisenden Teil des Berufungsbescheides (betreffend das Feststellungsbegehren) richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt wird.
II. Die Beschwerde ist begründet.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht nur dann zulässig, wenn sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, sondern auch dann, wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie für eine Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ist und insofern im Interesse einer Partei liegt (zB VfSlg. 6050/1969, 7455/1974 und 8047/1977 und die dort jeweils zitierte Vorjudikatur).
Ein solcher Fall liegt hier vor:
Wie der VfGH insbesondere im Erk. VfSlg. 6392/1971 (betreffend die Dienstgeberabgabe nach dem Wr. Gesetz LGBl. 32/1969) unter Bezugnahme auf das Erk. VfSlg. 4563/1963 ausgeführt hat, ist ein Feststellungsantrag dann ein notwendiges Mittel der Rechtsverteidigung, wenn sich der Bf. der Gefahr einer Bestrafung aussetzt, solange er die Rechtslage ungeklärt läßt.
Der am in Kraft getretene § 7 des WohnungsabgabeG lautet:
"(1) Alle Eigentümer von innerhalb der Stadt Wien gelegenen Liegenschaften sowie deren Vertreter sind verpflichtet, über Aufforderung Auskünfte über den Liegenschaftsbestand zu geben. Änderungen im erklärten Liegenschaftsbestand sind anzuzeigen. Die Auskunftserteilung hat innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Aufforderung, die Anzeige innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandsänderung zu erfolgen.
(2) Wer der Auskunfts- und Anzeigepflicht nach Abs 1 nicht nachkommt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10000 S zu bestrafen."
Wird der Eigentümer einer innerhalb der Stadt Wien gelegenen Liegenschaft zu einer bestimmten Auskunft aufgefordert und ist er der Meinung, diese Aufforderung sei gesetzwidrig, so kann er diese Frage nur im Wege eines Bescheides zur Klärung bringen. Während er nämlich die Frage seiner Abgabepflicht dadurch an einen Gerichtshof des öffentlichen Rechts herantragen kann, daß er den Antrag auf Rückerstattung der von ihm im Wege der Selbstbemessung entrichteten Abgaben iS des § 149 Abs 2 WAO (idF der Nov. LGBl. 28/1978) stellt (vgl. VfSlg. 9867/1983), steht ihm eine vergleichbare Möglichkeit in der Frage des Umfanges seiner Auskunftspflicht nicht offen. Er setzt sich daher - wie die bel. Beh. zutreffend erkennt - einem Verwaltungsstrafverfahren aus, wenn er die begehrte Auskunft nicht gibt.
Der Einwand der Behörde, die Strafe sei dann immer schon verwirkt, die Streitfrage daher notwendig im Strafverfahren zu klären und ein Feststellungsverfahren eine überflüssige Doppelgleisigkeit, ist schon deshalb verfehlt, weil dem Auskunftspflichtigen zur Erteilung der Auskunft nach § 7 WohnungsabgabeG eine - zweimonatige - Frist zur Verfügung steht, innerhalb der er unter Umständen versuchen kann, (zumindest im Verwaltungsverfahren) eine Klärung herbeizuführen, bevor er sich entscheiden muß, ob er der Aufforderung nachkommt.
Die These der bel. Beh., nicht der Bf., sondern bloß sein Vertreter sei zur Auskunft über seinen Liegenschaftsbestand aufgefordert worden, trifft nicht zu. § 7 WohnungsabgabeG verpflichtet zwar auch die Vertreter der Liegenschaftseigentümer zur Auskunft, die dem Vertreter zugestellte Aufforderung wirkt sich aber notwendig zugleich auch auf den durch ihn vertretenen Eigentümer aus.
Die Abweisung der Berufung des Bf. "zu Punkt 1" bedeutet im Zusammenhalt mit der Zurückweisung seines Antrages in erster Instanz eine Verweigerung der Sachentscheidung. Da der Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides als notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung zulässig ist, wurde dem Bf. die Sachentscheidung zu Unrecht verweigert. Er wurde daher im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der Bescheid ist im angefochtenen Umfang aufzuheben.