VfGH vom 27.02.1984, B469/78
Sammlungsnummer
9929
Leitsatz
Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1980; keine Bedenken gegen § 4 Abs 1; keine unzulässige Eigentumsbeschränkung durch die Versagung der Bewilligung einer nachträglichen Nutzungsänderung
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Bf. ist Eigentümerin der Liegenschaft mit dem Haus Graz, N-gasse, das innerhalb der durch das Grazer Altstadterhaltungsgesetz geschaffenen Zone I liegt. Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom wies der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz das Ansuchen der Bf. ab, ihr nachträglich die Nutzungsänderung hinsichtlich einer Wohnung dieses Hauses (nämlich zur Verwendung als Friseursalon) zu bewilligen. Die Berufungsbehörde begründete ihren Bescheid unter Bezugnahme auf § 4 Abs 1 des genannten Gesetzes im wesentlichen damit, daß das Verhältnis von Wohnräumen zu Geschäftsräumen bereits vor der Nutzungsänderung 47,44 vH zu 52,23 vH betragen habe; da der Anteil der Wohnungen im Gebäude ohnehin bereits unter den vom Gesetz geforderten Prozentsatz gesunken sei, müsse ein weiteres Absinken vermieden werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in der die Bf. eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und die Bescheidaufhebung begehrt.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. § 4 Abs 1 des (als Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1980 - GAEG 1980, LGBl. 17, wiederverlautbarten) Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1974 ordnet an, daß die Baubehörde für Gebäude der Zone I (das ist die Kernzone des Schutzgebietes), die als Wohnbauten oder als Wohn- und Geschäftsbauten errichtet wurden, iS der Erhaltung der Altstadt in ihrer vielfältigen organischen Funktion eine Nutzungsänderung für Büro- und Geschäftszwecke höchstens bis zur Hälfte der Gesamtnutzfläche bewilligen darf. Die Bf. kritisiert diese Anordnung unter dem Blickpunkt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie als verfassungswidrig und führt dazu illustrativ ihre eigene Lage ins Treffen. Sie meint, daß ein Eigentumseingriff der vorgesehenen Art bloß im Fall überwiegenden öffentlichen Interesses zulässig wäre und verneint diese ihrer Ansicht nach erforderliche Voraussetzung, "da die Tatsache der Nutzung der Bestandräume im Hause N-gasse keinerlei direkten oder indirekten Einfluß auf die Bewohner oder Besucher der Stadt Graz ausübt". Diese Ausführungen zeigen, daß die Bf. die Verfassungsrechtslage verkennt.
Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg. 8759/1980) den Standpunkt eingenommen, daß der erste Satz des Art 5 StGG, wonach das Eigentum unverletzlich ist, auch für Eigentumsbeschränkungen gilt; allerdings bezieht sich auch auf diese der im zweiten Satz dieses Artikels festgelegte Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzgeber kann daher verfassungsrechtlich einwandfrei Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in einer anderen Weise gegen einen den Gesetzgeber bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt. Für eine solche Annahme finden sich in Ansehung des § 4 Abs 1 GAEG 1980 jedoch keine Anhaltspunkte. Im übrigen hat der VfGH zu vergleichbaren Gesetzesbestimmungen (welche die Erhaltung von Gebäuden in zur Altstadterhaltung geschaffenen Schutzzonen betreffen) bereits ausgesprochen, daß Bedenken im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz jedenfalls dann nicht gegeben sind, wenn die vorgesehenen Verpflichtungen nur unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ihrer Durchführung bestehen (VfSlg. 7759/1976); daß die durch § 4 Abs 1 leg. cit. begründete Verpflichtung, die bestehende Nutzung nicht oder nur beschränkt zu ändern, zumutbar ist, bedarf jedoch keines weiteren Nachweises.
2. Auch sonst sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht tragende Bestimmung des § 4 Abs 1 GAEG 1980 oder gegen eine andere von der bel. Beh. bei der Bescheiderlassung herangezogene Vorschrift nicht entstanden.
3. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des bekämpften Bescheides könnte die von der Bf. geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9047/1981) bloß stattgefunden haben, wenn der belangte Gemeinderat das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Auch dies trifft hier nicht zu und wird im übrigen auch von der Beschwerde nicht behauptet. Eine Verletzung des in Rede stehenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes liegt somit nicht vor.
4. Das Beschwerdeverfahren hat schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür erbracht, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem Recht verletzt worden wäre. Die Beschwerde war sohin abzuweisen.