VfGH vom 28.11.1997, B4669/96
Sammlungsnummer
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Leitsatz
Quasi-Anlaßfallwirkung der Aufhebung der die Familienbesteuerung betreffenden Bestimmungen des EStG 1988 mit E v , G168/96 ua.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auf die Entscheidungsgründe der Berufungsentscheidung vom verwiesen. Aus der Zusammenschau beider Bescheide ergibt sich, daß die belangte Behörde jedenfalls die aufgehobene Gesetzesbestimmung der Z 1 des § 34 Abs 7 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. 818/1993, angewandt hat. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich diese Gesetzesanwendung für den Beschwerdeführer als nachteilig erweist.
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer war 1994 Vater von vier Kindern, für welche er die Familienbeihilfe bezog, und lebte mit diesen und der Mutter seiner - nunmehr fünf - Kinder im gemeinsamen Haushalt. Mit der Abgabe seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1994 beantragte der Beschwerdeführer - wie bereits im Verfahren betreffend die Festsetzung der Einkommensteuer 1993 - die steuerliche Berücksichtigung eines "Erziehungsabsetzbetrages" in der Höhe von S 365.277,90.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom (betreffend Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1994) wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung hiefür verwies die belangte Behörde auf die Entscheidungsgründe der Berufungsentscheidung vom betreffend Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1993. In dieser Berufungsentscheidung sei bereits ausführlich dargelegt worden, aus welchen Gründen der vom Beschwerdeführer geltend gemachte "Erziehungsabsetzbetrag" steuerlich nicht zu berücksichtigen sei. In ihrer Berufungsentscheidung vom bezog sich die belangte Behörde bei der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers unter anderem auf die Bestimmung im EStG 1988 betreffend außergewöhnliche Belastungen (§34 EStG 1988).
2. In seiner gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom (betreffend Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1994) gerichteten, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides; in eventu wird die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt. Ferner regt der Beschwerdeführer an, der Verfassungsgerichtshof möge das EStG 1988 auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen. Der Beschwerdeführer erachtet die "lediglich ansatzweise Abgeltung" der Leistungen der unterhaltspflichtigen Eltern für ihre Kinder (Erziehungsarbeit und Tragung des Kindersachaufwandes) für verfassungswidrig.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde bzw. die Ablehnung der Beschwerdebehandlung beantragt.
Der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.
II.Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G168/96 ua., unter anderem die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988, BGBl. 400, die lita der Z 3 des § 33 Abs 4 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818, sowie die Z 1 und 2 des § 34 Abs 7 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818, als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (VfSlg. 12676/1991).
Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren, das eine präjudizielle Gesetzesstelle betraf, beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (zB VfSlg. 13067/1992, 13225/1992, 13313/1992, 13566/1993).
3. Die mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am . Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung schon anhängig. Nach dem Gesagten ist der Fall somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auf die Entscheidungsgründe der Berufungsentscheidung vom verwiesen. Aus der Zusammenschau beider Bescheide ergibt sich, daß die belangte Behörde jedenfalls die aufgehobene Gesetzesbestimmung der Z 1 des § 34 Abs 7 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. 818/1993, angewandt hat. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich diese Gesetzesanwendung für den Beschwerdeführer als nachteilig erweist.
Es ist daher auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt wurde (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, ).
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
III. 1. Die Kostenentscheidung
beruht auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,- enthalten.
2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Fundstelle(n):
RAAAE-00445