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OGH 25.06.2018, 17Os2/18z

OGH 25.06.2018, 17Os2/18z

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard O***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Mag. (FH) Nicole K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 78 Hv 76/17a-76, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, des Angeklagten Gerhard O***** und seines Verteidigers Dr. Gärtner zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch A, demgemäß auch im Gerhard O***** betreffenden Strafausspruch, aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Gerhard O***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe in K*****

A/ als Bürgermeister der Gemeinde K*****, mithin als Beamter im strafrechtlichen Sinn, „mit dem Vorsatz, die Gemeinderäte der Gemeinde K***** an ihren Rechten gemäß §§ 28 Abs 1 und 2, 35 Abs 1, 78 Abs 1a K-AGO auf Einberufung des Gemeinderates und Behandlung von Erledigungen, die der Beschlussfassung durch den Gemeinderat vorbehalten waren, zu schädigen“, wiederholt seine Befugnis, im Namen der Gemeinde K***** als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er es unterließ, „Sitzungen des Gemeinderates zur Beschlussfassung über nachangeführte Geschäftsgänge und über die Adaptierung der Nebengebührenverordnung der Gemeinde einzuberufen, darüber einen Tagesordnungspunkt in einer Gemeinderatssitzung anzusetzen und hierfür Sitzungsvorträge nach § 78 K-AGO ausarbeiten zu lassen und indem er die entsprechenden Punkte mehrfach von der Tagesordnung der Gemeinderatssitzungen strich“, und zwar

I/ zwischen und März 2015 über die Bestellung von Renate D***** zur Amtsleiterstellvertreterin und über die Gewährung einer monatlichen Mehrleistungszulage und Aufwandsent-schädigung für diese Funktion, „wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden im Gesamtbetrag von zumindest insgesamt 25.302,76 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand“;

II/ von Dezember 2013 bis August 2014 über die Gewährung einer Standesbeamtenzulage an Renate D***** für Sekretariatsarbeiten am Standesamt, „wodurch der Gemeinde K***** im Dezember 2013 und im August 2014 inklusive Dienstgeberabgaben ein Schaden von insgesamt 1.556 Euro“ entstand;

III/ von bis Dezember 2012 über die Gewährung einer monatlichen Finanzverwalterzulage an die Finanzverwalterin Renate H*****, „wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden im Gesamtbetrag von insgesamt 7.522,50 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand“;

IV/ von bis über die Gewährung einer Standesbeamtenzulage an die Amtsleiterin und Standesbeamtin Mag. (FH) Nicole K*****, „wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden im Gesamtbetrag von insgesamt 1.808,18 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand“.

Für das ihm nach dem unberührt bleibenden Schuldspruch (B/I) weiterhin zur Last liegende Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB wird Gerhard O***** nach § 153 Abs 3 erster Strafsatz StGB zu einer Geldstrafe von

240 Tagessätzen zu je 60 Euro,

im Fall der Uneinbringlichkeit zu 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe,

verurteilt.

Ein Teil von 60 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit von 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, wird für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Gerhard O***** wegen des zuvor wiedergegebenen Vorwurfs des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (verfehlt) „iVm § 61 StGB“ (A) und weiters des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (B/I) schuldig erkannt.

Zum Schuldspruch B/I liegt ihm zur Last, seine Befugnis, als Bürgermeister der Gemeinde K***** über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die Gemeinde K***** in einem 5.000 Euro übersteigenden Ausmaß am Vermögen geschädigt zu haben, indem er in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstieß, die dem Vermögensschutz der (wirtschaftlich berechtigten) Gemeinde K***** dienten, nämlich das ihm „nach §§ 24, 25 KGHO obliegende Anweisungsrecht, die Pflicht zur Haushaltsüberwachung nach § 26 K-GHO im Rahmen der Kassen- und Buchführung und zur Überwachung des Budgetvollzuges in Umsetzung des Voranschlages nach §§ 45, 74 K-GHO ohne Beschlussfassung des Gemeinderates und Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde sowie ohne rechtliche Grundlage eigenmächtig“ ausübte, und zwar

1/ von bis März 2015 Renate D***** für die Funktion einer „Amtsleiterstellvertreterin“ eine Mehrleistungszulage und eine Aufwandsentschädigung von insgesamt 20.264,02 Euro brutto anweisen ließ (vgl US 13), obwohl keine Entlohnung für die Tätigkeit der Amtsleiterstellvertretung in den Nebengebührenverordnungen des Landes und der Gemeinde vorgesehen war und er keine Beschlussfassung des Gemeinderats eingeholt hatte, wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden von 25.302,76 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

2/ im Dezember 2013 und im August 2014 Renate D***** eine Standesbeamtenzulage von insgesamt 1.237,08 Euro brutto anweisen ließ, obwohl eine solche nur geprüften Standesbeamten für Trauungen zustand, keine Entlohnung für die (von der Genannten verrichteten) Vorbereitungsarbeiten im Standesamt in den Nebengebührenverordnungen des Landes und der Gemeinde vorgesehen war und er keine Beschlussfassung des Gemeinderats eingeholt hatte, wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden von 1.556 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

3/ von bis der Finanzverwalterin der Gemeinde K*****, Renate H*****, eine Finanzverwalterzulage von insgesamt 6.054,81 Euro brutto anweisen ließ, obwohl eine solche Zulage in den Nebengebührenverordnungen des Landes oder der Gemeinde nicht vorgesehen war und er keine Beschlussfassung des Gemeinderats eingeholt hatte, wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden von 7.522,50 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

4/ im Dezember 2013 und im August 2014 Mag. (FH) Nicole K***** eine Standesbeamtenzulage von insgesamt 1.455,39 Euro anweisen ließ, obwohl ihr eine derartige Zulage nach dem für sie geltenden Dienstrecht nicht zustand „und er keine Beschlussfassung des Gemeinderates und der Gemeindeaufsichtsbehörde eingeholt hatte“, wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden von insgesamt 1.808,18 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand.

Die gegen den Schuldspruch B/II gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Mag. (FH) Nicole K***** wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom zu GZ 17 Os 2/18z-4, zurückgewiesen. Dabei hat der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO zukommenden Befugnis in Ansehung des Gerhard O***** betreffenden Schuldspruchs A einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vorbehalten.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Schuldspruch haftet nämlich ein nicht geltend gemachter Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO [zur Realkonkurrenz von Unterlassungs- und Begehungsdelikt vgl Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 13]) zum Nachteil des Angeklagten an:

Der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt setzt Fehlgebrauch der Befugnis „in Vollziehung der Gesetze“, also im Rahmen von Gerichtsbarkeit oder Hoheitsverwaltung, voraus (RIS-Justiz RS0105870). Hoheitsverwaltung liegt jedenfalls dann vor, wenn der Beamte typisch hoheitliche Rechtsformen (Verordnung, Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) gebraucht. Davon abgesehen sind Amtsgeschäfte (etwa tatsächliche Verrichtungen) der Hoheitsverwaltung zuzurechnen, wenn sie einen spezifischen Zusammenhang mit Hoheitsakten aufweisen (RIS-Justiz RS0130809; Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5 Rz 684 ff; Grabenwarter/Holoubek, Verfassungsrecht – Allgemeines Verwaltungsrecht3 Rz 736 ff; zur ständigen Rechtsprechung des VfGH grundlegend VfSlg 3.262).

Nach dem Urteilssachverhalt handelte es sich bei Mag. (FH) Nicole K*****, Renate D***** und Renate H***** um Vertragsbedienstete, ab (teilweise) um Gemeindemitarbeiterinnen, deren Dienstverhältnis zur Gemeinde K***** (im Tatzeitraum) also durchwegs privatrechtlicher Natur war. Abschluss und Änderung derartiger Dienstverträge erfolgen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Ist ein Rechtsakt nicht der Hoheitsverwaltung, sondern der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen, werden auch (lediglich) seiner Vorbereitung dienende Handlungen (rechtlicher oder tatsächlicher Art)
– ungeachtet ihrer Grundlage in Vorschriften des öffentlichen Rechts – nicht im Sinn des § 302 Abs 1 StGB „in Vollziehung der Gesetze“ vorgenommen (RIS-Justiz RS0129612). Soweit Gerhard O***** hier zum Schuldspruch A ein Fehlgebrauch seiner Befugnis, als Bürgermeister Vorschriften der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung (kurz: K-AGO) im Zusammenhang mit einer (nach dem Gemeindeorganisationsrecht und dem Dienstrecht der genannten Mitarbeiterinnen erforderlichen) Beschlussfassung des Gemeinderats über die (den Dienstvertrag ändernde) Gewährung von Zulagen anzuwenden, vorgeworfen wird, fehlt also der Bezug zur Hoheitsverwaltung (vgl 17 Os 17/17d).

Das zum Schuldspruch A ebenfalls thematisierte (vgl US 2, 12) Unterbleiben einer Änderung der so genannten „Nebengebührenverordnung“ der Gemeinde K***** (ON 11 S 281 ff [einer Durchführungsverordnung auf Grundlage des § 29 Abs 6 K-GBG]) ist zwar eine Angelegenheit der Hoheitsverwaltung. In diesem Zusammenhang hat aber das Erstgericht eine
– Befugnisfehlgebrauch bedeutende (vgl RIS-Justiz RS0129855) – Verletzung einer Gerhard O***** treffenden Handlungspflicht, ausgelöst etwa durch darauf abzielende Antragstellung von Mitgliedern des Gemeinderats oder des Gemeindevorstands (vgl § 35 Abs 1 und 5, § 41 Abs 1 und 4, § 42 K-AGO), nicht festgestellt (vgl US 12 f und 25 f). Einen Grund für eine Pflicht des Gerhard O*****, amtswegig eine Beschlussfassung des Gemeinderats für eine Änderung der „Nebengebührenordnung“ herbeizuführen, nennt das Urteil ebenso wenig.

Zudem reicht die Feststellung eines auf Schädigung der „Gemeinderäte“ an ihrem Recht auf „Einberufung des Gemeinderates und Behandlung von Themen, die der Beschlussfassung durch den Gemeinderat vorbehalten sind“ (US 13) gerichteten Vorsatzes für die Tatbestandserfüllung nicht aus. Damit wird nämlich – nach ständiger Rechtsprechung unzureichend (RIS-Justiz RS0096270 [insbesondere T10, T12]; 17 Os 17/17d) – der Sache nach bloß das Recht „des Staates“ (der Gemeinde) auf Einhaltung jener Vorschriften angesprochen, deren Verletzung den tatbildlichen Befugnisfehlgebrauch begründete.

Die Herbeiführung eines – bloß im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) angeführten – Vermögensschadens der Gemeinde kommt als Folge des hier unter dem Aspekt des § 302 Abs 1 StGB angelasteten Verhaltens nicht in Betracht.

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs A, demgemäß auch des Gerhard O***** betreffenden Strafausspruchs. Da nach der Aktenlage Feststellungen, die einen Schuldspruch in Ansehung dieses Sachverhalts tragen könnten, in einem zweiten Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs A mit Freispruch in der Sache selbst zu entscheiden (RIS-Justiz RS0118545; Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24).

Bei der erforderlichen Strafneubemessung für das Gerhard O***** zum Schuldspruch B/I weiterhin zur Last liegende Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB wertete der Oberste Gerichtshof erschwerend die vielfache Tatwiederholung und den langen Tatzeitraum (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie die Begehung der Untreue unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit (§ 313 StGB), mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB).

Davon ausgehend sah sich der Oberste Gerichtshof – bedingt durch den Wegfall der strafrahmenbestimmenden strafbaren Handlung (§ 302 Abs 1 StGB) – zu einer Reduktion der vom Erstgericht verhängten Strafe ([gemäß § 43a Abs 2 StGB] einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen und einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten) auf das im Spruch ersichtliche, schuldangemessene Ausmaß veranlasst. Die Tagessatzhöhe ergibt sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslage des Angeklagten. Eine Änderung der Umstände ist nicht eingetreten.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard O***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Mag. (FH) Nicole K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 78 Hv 76/17a-76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung von Mag. (FH) Nicole K***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Mag. (FH) Nicole K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gerhard O***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (verfehlt) „iVm § 61 StGB“ (A) und beide Angeklagte (Gerhard O***** zu B/I und Mag. [FH] Nicole K***** zu B/II) des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben – soweit hier von Bedeutung – in K***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken

B/ ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die Gemeinde K***** in einem 5.000 Euro übersteigenden Ausmaß am Vermögen geschädigt, indem sie in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstießen, die dem Vermögensschutz der (wirtschaftlich berechtigten) Gemeinde K***** dienten, nämlich „das ihnen nach §§ 24, 25 KGHO obliegende Anweisungsrecht, die Pflicht zur Haushaltsüberwachung nach § 26 K-GHO im Rahmen der Kassen- und Buchführung und zur Überwachung des Budgetvollzuges in Umsetzung des Voranschlages nach §§ 45, 74 K-GHO ohne Beschlussfassung des Gemeinderates und Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde sowie ohne rechtliche Grundlage eigenmächtig ausübten“, und zwar

I/ Gerhard O***** als Bürgermeister der Gemeinde K*****, indem er

1/ von bis März 2015 Renate D***** für die Funktion einer „Amtsleiterstellvertreterin“ eine Mehrleistungszulage und eine Aufwandsentschädigung von insgesamt 20.264,02 Euro brutto anweisen ließ (vgl US 13), obwohl keine Entlohnung für die Tätigkeit der Amtsleiterstellvertretung in den Nebengebührenverordnungen des Landes und der Gemeinde vorgesehen war und er keine Beschlussfassung des Gemeinderats eingeholt hatte, wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden von 25.302,76 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

2/ im Dezember 2013 und im August 2014 Renate D***** eine Standesbeamtenzulage von insgesamt 1.237,08 Euro brutto anweisen ließ, obwohl eine solche nur geprüften Standesbeamten für Trauungen zustand, keine Entlohnung für die (von der Genannten verrichteten) Vorbereitungsarbeiten im Standesamt in den Nebengebührenverordnungen des Landes und der Gemeinde vorgesehen war und er keine Beschlussfassung des Gemeinderats eingeholt hatte, wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden von 1.556 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

3/ von bis der Finanzverwalterin der Gemeinde K*****, Renate H*****, eine Finanzverwalterzulage von insgesamt 6.054,81 Euro brutto anweisen ließ, obwohl eine solche Zulage in den Nebengebührenverordnungen des Landes oder der Gemeinde nicht vorgesehen war und er keine Beschlussfassung des Gemeinderats eingeholt hatte, wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden von 7.522,50 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

4/ im Dezember 2013 und im August 2014 Mag. (FH) Nicole K***** eine Standesbeamtenzulage von insgesamt 1.455,39 Euro anweisen ließ, obwohl ihr eine derartige Zulage nach dem für sie geltenden Dienstrecht nicht zustand „und er keine Beschlussfassung des Gemeinderates und der Gemeindeaufsichtsbehörde eingeholt hatte“, wodurch der Gemeinde K***** ein Schaden von insgesamt 1.808,18 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

II/ Mag. (FH) Nicole K***** als Amtsleiterin und Lohnverrechnerin der Gemeinde K*****, indem sie

1/ von bis Renate D***** die zu Punkt B/I/1 bezeichnete Mehrleistungszulage und Aufwandsentschädigung im Gesamtbetrag von 17.674,58 Euro brutto anwies, wodurch der Gemeinde ein Schaden in dieser Höhe entstand;

2/ im Dezember 2013 und August 2014 Renate D***** die zu Punkt B/I/2 bezeichnete Standesbeamtenzulage anwies, wodurch der genannten Gemeinde ein Schaden von 1.556 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

3/ von bis Renate H***** die zu Punkt B/I/3 bezeichnete Zulage anwies, wodurch der genannten Gemeinde ein Schaden von insgesamt 7.522,50 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand;

4/ im Dezember 2013 und im August 2014 sich selbst die zu Punkt B/I/4 bezeichnete Standesbeamtenzulage anwies, wodurch der genannten Gemeinde ein Schaden von insgesamt 1.808,18 Euro inklusive Dienstgeberabgaben entstand.

Rechtliche Beurteilung

Die von Mag. (FH) Nicole K***** gegen den Schuldspruch B/II aus § 281 Abs 1 StPO Z 5, 9 lit a und 10a ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Soweit die Mängelrüge kritisiert, die Annahme eines unvertretbaren Verstoßes gegen Regeln, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen (vgl § 153 Abs 2 StGB), sei nicht begründet (nominell Z 5 vierter Fall), spricht sie bloß die rechtliche Beurteilung durch die Tatrichter an, die nicht Gegenstand von Feststellungen ist und demnach als Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ausscheidet (RIS-Justiz RS0100877 [T6]; 17 Os 15/17k; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393).

Im Übrigen sind die Ausführungen zu tatbestandsmäßigem Verhalten bei Ermessensentscheidungen mit Blick auf den Urteilssachverhalt, der von Verstößen gegen (zwingende) Vorschriften auf dem Gebiet der Gemeindeorganisation und des Dienstrechts der Gemeindemitarbeiter (Gemeindevertragsbediensteten) ausgeht, unverständlich.

Die (Anweisungs-)Befugnis der Beschwerdeführerin folgt aus der Feststellung ihrer Funktion als Amtsleiterin (US 6 ff), der nach § 78 Abs 2 K-AGO die Leitung des „inneren Dienstes“ zukommt. Zu diesem zählen auch Angelegenheiten des zentralen Besoldungsdienstes wie die (hier relevante) Auszahlung der Gemeindemitarbeiterbezüge (Sturm, K-AGO5 § 78 Rz 7; vgl auch US 8 [wonach der Aufgabenbereich der Beschwerdeführerin unter anderem „die monatliche Lohnverrechnung und Anweisung der Bezüge“ umfasst habe]). Der Einwand insoweit fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) geht daher schon aus diesem Grund fehl. Davon abgesehen stützt das Erstgericht seine Feststellung auch auf die Verantwortung der Beschwerdeführerin, „es sei ein Fehler gewesen“, dass „sie die Zulagen weiter ausbezahlt habe“ und „sie die Auszahlung nicht gestoppt habe“ (US 18).

Mit Blick auf den konstatierten Fehlgebrauch der Beschwerdeführerin selbst zukommender Befugnis (US 9 ff) ist die Urteilsannahme, die Beschwerdeführerin habe mit Gerhard O***** „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ gehandelt, (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) nicht entscheidend und daher kein Bezugspunkt der Mängelrüge (RIS-Justiz RS0117499).

Die weitere Rüge, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 14 f) seien offenbar unbegründet (Z 5 vierter Fall), nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der tatrichterlichen Erwägungen (RIS-Justiz RS0119370). Diese setzen sich ausführlich mit der insoweit leugnenden Verantwortung der Beschwerdeführerin auseinander und leiten deren Unglaubwürdigkeit unter anderem aus ihrer fachspezifischen Ausbildung und dem persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung (insbesondere dem dort demonstrierten hohen Kenntnisstand hinsichtlich der einschlägigen Vorschriften des Gemeinde- und des Dienstrechts) ab (US 18 ff). Im Übrigen wäre auch die – von der Mängelrüge allein in den Blick genommene – Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem „nach außen hin zur Darstellung gebrachten Verhalten“ (US 29) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht mit der Kritik fehlender Feststellungen zur Wissenskomponente des Schädigungsvorsatzes die explizit dazu getroffenen Konstatierungen (US 14; RIS-Justiz RS0099810).

Mit dem Verweis auf ihre (von den Tatrichtern übrigens ohnehin erörterte [US 18 und 26]) Verantwortung, sie habe darauf vertraut, dass „die Rechtslage“ (durch den Gemeinderat) „nachträglich saniert werde“, bekämpft die Beschwerdeführerin bloß die zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs getroffenen Feststellungen (US 14 f) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Im Übrigen schließt die nachträgliche Genehmigung durch den Machtgeber den Befugnisfehlgebrauch nicht aus (RIS-Justiz RS0094784), ein dahingehendes Vertrauen steht der Annahme wissentlichen Handelns nicht entgegen (Kirchbacher in WK2 StGB § 153 Rz 43).

Die weitere Rechtsrüge geht von der nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleiteten (RIS-Justiz RS0116565) Prämisse aus, unmittelbarer Täter der Untreue könne nur sein, wer „Alleinbefugnis“ zur (rechtlichen) Verfügungs- oder Verpflichtungsmacht habe (vgl demgegenüber RIS-Justiz RS0094442 [T5]; Kirchbacher in WK2 § 153 Rz 18). Eine tatbildliche (zumindest Mit-)Entscheidungsbefugnis der Beschwerdeführerin ergibt sich – von der Rüge übergangen (RIS-Justiz RS0099810) – aus den Feststellungen zu ihrer Funktion als Amtsleiterin, die mit der Befugnis verknüpft war, Zahlungen (auch in Zusammenhang mit den inkriminierten Gehaltszulagen) selbst anzuweisen und durchzuführen (US 6 ff, 11 und 13; vgl zu rechtlichen Vertretungshandlungen RIS-Justiz RS0095943 [T3, T6]; Kirchbacher in WK2 § 153 Rz 20 f; Kienapfel/Schmoller BT II2 § 153 Rz 50 ff).

Auch die Diversionsrüge (Z 10a) verfehlt den in der Gesamtheit des Urteilssachverhalts gelegenen tatsächlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0119091 [T3], RS0116823). Indem sie nämlich argumentiert, die Beschwerdeführerin, Renate H***** und Renate D***** hätten die (den inkriminierten Auszahlungen) „entsprechenden Leistungen auch tatsächlich erbracht“ (vgl demgegenüber US 9 f und 21 f) und hätten einen durchsetzbaren Anspruch auf die Gehaltszulagen gehabt, die Beschwerdeführerin habe weiters die Zahlungen „in dem Glauben“ angewiesen, dass die „Bezüge dem Grunde und der Höhe nach den Empfängern rechtmäßig zustehen“, bestreitet sie die zur objektiven und subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen. Außerdem setzt sie sich bloß mit einem Teil der gegen die Diversionsvoraussetzung nicht schwerer Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO) sprechenden Umstände (nämlich Begehung der Untreue unter Ausnützung der ihr durch ihre Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit [vgl 17 Os 15/17k; RIS-Justiz RS0091781] und langem Tatzeitraum) auseinander, lässt aber die vielfache Tatwiederholung, die (teilweise) persönliche Bereicherung und den die qualifikationsbegründende Wertgrenze mehrfach übersteigenden Schaden außer Acht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Über eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO in Ansehung des nur den Angeklagten Gerhard O***** betreffenden Schuldspruchs A (dem ein Rechtsfehler nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet) entscheidet der Oberste Gerichtshof gesondert in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung (§ 285d Abs 2 StPO).

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Rechtsgebiet
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2018:0170OS00002.18Z.0625.001
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAE-00397