OGH vom 28.11.2007, 9ObA160/07f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DDr. T***** N*****, Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, *****, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in Gmünd, gegen die beklagte Partei M***** M*****, vertreten durch die Hirtzberger Sacha Katzensteiner Rechtsanwälte GmbH in Krems, wegen EUR 950 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 56/07i-13, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Ausbildung von „Ordinationshilfen bei Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (approbierten Zahnärzten) und Zahnärzten (Dentisten)" ist noch nicht gesetzlich geregelt (vgl Präambel des Kollektivvertrags für Zahnarzt-Angestellte vom ). Auch eine Verordnung iSd § 7 BAG liegt hinsichtlich dieses Berufs nicht vor (s Lehrberufsliste, BGBl 1975/268 idgF). Es handelt sich somit bei der Ausbildung einer Ordinationshilfe um kein Lehrverhältnis iSd BAG (§ 12 Abs 2 BAG; Preiss in ZellKomm § 7 BAG Rz 5, § 12 BAG Rz 7). Zutreffend geht daher auch die Revisionswerberin davon aus, dass eine unmittelbare Anwendung des BAG auf ihr Arbeitsverhältnis als „zahnärztliche Assistentin" nicht in Betracht kommt (§ 1 BAG;8 ObA 224/00z ua). Sie will aber auf Grund ergänzender Auslegung ihres Anstellungsvertrags die Grundsätze des BAG zumindest „analog" angewendet wissen. Das befristete Ausbildungsverhältnis einer Ordinationshilfe sei nämlich einem Lehrverhältnis durchaus ähnlich. Beim Lehrverhältnis sei nach den § 9 Abs 1, § 17 BAG davon auszugehen, dass der Anspruch des Lehrlings auf Lehrlingsentschädigung unabdingbar sei. Dies habe analog auch für das zu Beginn „geringere" Arbeitsentgelt einer Ordinationshilfe zu gelten. Ein Rückersatz der Ausbildungskosten (hier: für einen einjährigen Lehrgang für Zahnarzthelferinnen) komme daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht.
Das am begründete Arbeitsverhältnis der Beklagten (geb 1965) war (zufolge Weiterbeschäftigung nach Ablauf der ursprünglichen dreimonatigen Befristung) unbefristet. Das Gehalt der Beklagten war mehr als doppelt so hoch wie die kollektivvertragliche Entlohnung einer Ordinationshilfe im ersten Ausbildungsjahr. Von einem zu Beginn „geringeren" Arbeitsentgelt kann daher nicht gesprochen werden. Die Annahme, dass sich die Beklagte in einer einem Lehrverhältnis ähnlichen Situation befunden habe, drängt sich bei dieser Konstellation nicht auf. Letztlich hängt die Frage, ob der Anstellungsvertrag der Beklagten - dies als Voraussetzung für die von der Revisionswerberin geforderte ergänzende Vertragsauslegung - lückenhaft war (RIS-Justiz RS0017829 ua), von der konkreten Gestaltung des Vertrags im Einzelfall ab, dessen Auslegung aber keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (vgl RIS-Justiz RS0017486, RS0042776 ua). Da von keiner analogen Anwendung des BAG auf das Arbeitsverhältnis der Beklagten auszugehen ist, braucht auf die rechtliche Situation von Lehrlingen in der Frage des Ausbildungskostenrückersatzes nicht eingegangen werden (vgl Berger/Fida/Gruber, BAG § 12 Rz 77; Preiss in ZellKomm § 12 Rz 33 ua).
Zutreffend geht die Revisionswerberin davon aus, dass die gegenständliche Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz noch nicht dem am mit AVRAG-Novelle, BGBl I 2006/36, eingeführten § 2d AVRAG, sondern noch der „alten" Rechtslage unterliegt. Bei dieser fehlten - bis auf einige, hier allerdings nicht relevante Ausnahmen (zB § 30 VBG) - nähere gesetzliche Regelungen hinsichtlich des Rückersatzes von Ausbildungskosten. Für Vereinbarungen über den Ausbildungskostenrückersatz, die vor dem In-Kraft-Treten des § 2d AVRAG abgeschlossen wurden, gilt, dass diese - auf der Basis der auf der Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien begründeten Vertragsfreiheit - grundsätzlich zulässig sind. Die Grenzen für die Zulässigkeit sind vom Maßstab der Sittenwidrigkeit abgesteckt, wozu Rechtsprechung und Lehre die maßgebenden Grundsätze entwickelt haben (vgl Oberhofer, Ausbildungskostenrückersatz und Konkurrenzklausel neu, ZAS 2006, 152 [153] mwN ua). Danach verstoßen Verpflichtungen zur Rückzahlung von Ausbildungskosten dann gegen die guten Sitten, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt (RIS-Justiz RS0016712 ua). Hingegen sind einschlägige Vereinbarungen grundsätzlich zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben dem Arbeitnehmer zuzumuten sind und vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen (Oberhofer aaO 153 mwN; RIS-Justiz RS0017754 ua). Dem entsprechend geht die Rechtsprechung davon aus, dass dann, wenn das Arbeitsverhältnis erst einige Zeit nach Abschluss der Ausbildung beendet wird, vom Arbeitgeber bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dieses Anspruchs, nur ein aliquoter Teil der Ausbildungskosten entsprechend dem Verhältnis der seit dem Abschluss der Ausbildung zurückgelegten Dienstzeit zur gesamten (zulässigen) Bindungsdauer begehrt werden kann (9 ObA 136/95 ua). Zu diesem Ergebnis gelangte der Oberste Gerichtshof durch Vertragsauslegung (§ 914 ABGB), selbst wenn die Arbeitsvertragsparteien keine besondere Vereinbarung der Aliquotierung getroffen haben (1 Ob 625/87 ua). Aus dem hier noch nicht anwendbaren § 2d Abs 2 Z 3 AVRAG will nun die Revisionswerberin auch bereits für die alte Rechtslage ableiten, dass eine im Vertrag nur in jährlichen (statt monatlichen) Schritten vorgesehene Abstufung keine ausreichende Aliquotierung sei, weshalb die gesamte Rückersatzvereinbarung unwirksam sei. Ob dies tatsächlich für die Rechtslage nach § 2d AVRAG zu gelten hat (vgl dazu etwa Reissner/Preiss, Die Neuerungen im Recht der Konkurrenzklausel und der Ausbildungskostenklausel, DRdA 2006, 183 [188] ua), kann hier auf sich beruhen. Die Aliquotierung der Ausbildungskosten kann naturgemäß nur den Zeitraum zwischen der Beendigung der Ausbildung und dem Ende der zulässigen Bindungsdauer betreffen. Da die Beklagte aber bereits mehrere Monate vor dem Abschluss der Ausbildung vom Kläger begründet entlassen wurde (unstrittig), stellt sich, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend aufzeigte, die Aliquotierungsfrage hier gar nicht.
Zuletzt meint die Revisionswerberin unter Bezugnahme auf die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses vor Abschluss der Ausbildung eine erhebliche Rechtsfrage darin zu erblicken, dass nach § 2d Abs 1 AVRAG ein Rückersatz der Ausbildungskosten nur für eine „erfolgreich absolvierte Ausbildung" in Betracht komme. Ob dies nach der neuen Rechtslage auch für den Fall zu gelten hat, wenn der Arbeitnehmer die Ausbildung vereitelt (verneinend etwa Reissner/Preiss aaO 187; Oberhofer aaO 155 ua), kann hier ebenfalls dahingestellt bleiben. Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Abschluss der Ausbildung infolge begründeter Entlassung selbst zuzuschreiben. Im Übrigen hat sie aber ohnehin die vom Kläger finanzierte Ausbildung nach der Entlassung weiter absolviert und schließlich abgeschlossen. Bei dieser Konstellation vermag der Oberste Gerichtshof in der Verneinung der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung des Ausbildungskostenrückersatzes keine unvertretbare Beurteilung zu erblicken.
Zusammenfassend ist es der Revisionswerberin nicht gelungen, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Ihre außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.