VfGH vom 27.11.1985, B461/85
Sammlungsnummer
10692
Leitsatz
ApothekenG idF BGBl. 502/1984; keine Bedenken, vor allem nicht unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes, gegen §§10, 29 Abs 1 und 2, 48 Abs 2, 51 Abs 3, 53; Parteistellung und Berufungsrecht des Inhabers einer öffentlichen Apotheke im Verfahren zur Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke nur hinsichtlich der Einhaltung des § 29 (Bedarfsbeurteilung nach formalen Kriterien), nicht jedoch hinsichtlich der Möglichkeit einer Existenzgefährdung; bei klarem Gesetzeswortlaut kein Rückgriff auf Entstehungsgeschichte oder Absicht des Gesetzgebers; kein Entzug des gesetzlichen Richters durch rechtmäßige Zurückweisung der Berufungen von Apothekenkonzessionären
Spruch
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) aa) Der Landeshauptmann von Stmk. erteilte mit Bescheid vom einem praktischen Arzt mit dem Berufssitz in Sinabelkirchen gemäß §§29 und 53 des Apothekengesetzes, RGBl. 5/1907, idF vor dem (mit erfolgten) Inkrafttreten der Nov. BGBl. 502/1984 die Genehmigung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.
Gegen die beabsichtigte Errichtung der Hausapotheke hatte Mag. pharm. H T (der Konzessionär der - nach den im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen - von der Ordination des Arztes 7,7 km entfernten öffentlichen Apotheke in Ilz) Einspruch erhoben, dem mit dem zitierten Bescheid nicht entsprochen wurde.
bb) Der Landeshauptmann von Vbg. bewilligte mit Bescheid vom einem praktischen Arzt mit dem Berufssitz in Thüringen (Bezirk Bludenz) gemäß § 29 Abs 2 des Apothekengesetzes, BGBl. 5/1907, idF der Nov. BGBl. 502/1984 (im folgenden: ApG nF) die Haltung einer ärztlichen Hausapotheke als Nachfolger eines anderen praktischen Arztes mit Hausapothekenbewilligung.
Gegen die beabsichtigte Errichtung der Hausapotheke hatte ua. Mag. pharm. M W (die Konzessionärin der - nach den im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen - von der Ordination des Arztes 5,2 km entfernten öffentlichen Apotheke in Nüziders) Einspruch erhoben. Dieser wurde mit dem erwähnten Bescheid gemäß § 29 Abs 2 ApG nF nicht entsprochen.
b) Gegen diese Bescheide der Landeshauptmänner von Stmk. und von Vbg. erhoben die Konzessionäre der öffentlichen Apotheken Mag. pharm. H T und Mag. pharm. M W Berufungen. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz wies mit den beiden Bescheiden vom gemäß § 29 Abs 1 bzw. 2, § 52 und § 48 Abs 2 ApG nF iVm. § 66 Abs 4 AVG 1950 diese Berufungen zurück. Bei Bewilligung zum Halten einer ärztlichen Hausapotheke komme dem Inhaber einer benachbarten öffentlichen Apotheke kein Einspruchs- und Berufungsrecht wegen Existenzgefährdung zu. Für eine Berufung in der Bedarfsfrage fehle ebenfalls die gesetzliche Grundlage.
2. Gegen diese Berufungsbescheide erheben die beiden Apotheker auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerden. Sie behaupten, in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§29 Abs 1 und § 48 Abs 2 Apothekengesetz, allenfalls iVm. § 53) sowie in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
3. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hat Gegenschriften erstattet, in denen er der Sache nach begehrt, die Beschwerden abzuweisen.
II. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der beiden angefochtenen Bescheide sind vor allem folgende Stellen des ApG nF maßgebend.
Dessen § 10 bestimmt:
"(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat,
2. ein Bedarf für eine Apotheke besteht und
3. durch die Neuerrichtung die Existenzfähigkeit bestehender öffentlicher Apotheken nicht gefährdet wird.
(2) Bei der Prüfung des Bedarfes sind insbesondere die Anzahl der zu versorgenden Personen unter Berücksichtigung der ständigen Einwohner und die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke zu berücksichtigen. Ferner sind die Lebensverhältnisse der Bevölkerung sowie der Verkehr im Standort und in der Umgebung, die vorhandenen Krankenanstalten, Heime, Schulen und Erziehungsanstalten, größere gewerbliche und industrielle Betriebe, der Umfang des Geschäftsbetriebes der im Standort und in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheken sowie deren Turnusdienst in Betracht zu ziehen. Ein Bedarf ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn
1. a) in Orten, in denen keine öffentliche Apotheke besteht, die Zahl der in einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5500 beträgt oder
b) in Orten, in denen eine oder mehrere öffentliche Apotheken bestehen, die Zahl der von der neuen Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5500 beträgt und
2. die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen Apotheke weniger als 500 m beträgt. Diese Entfernung darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.
(3) Eine öffentliche Apotheke gilt in ihrer Existenzfähigkeit gefährdet, wenn der Fortbestand der bestehenden Apotheke durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung nicht gewährleistet erscheint. Hierüber ist ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Das Gutachten hat unter Berücksichtigung der nach statistischen Grundsätzen durch die Österreichische Apothekerkammer ermittelten durchschnittlichen und objektiv angemessenen Kosten und Erträge vergleichbarer öffentlicher Apotheken die zu erwartende zukünftige betriebliche Lage und Entwicklung nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu beurteilen.
(4) Besteht ein zwingender Bedarf der Bevölkerung nach Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke, so ist die Konzession trotz Gefährdung der Existenzfähigkeit einer bestehenden öffentlichen Apotheke zu erteilen."
§29 Abs 1 und 2 ApG nF besagen:
"(1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.
(2) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist auf Antrag dem Nachfolger eines praktischen Arztes mit Hausapothekenbewilligung zu erteilen, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als vier und weniger als sechs Straßenkilometer beträgt."
§48 Abs 2 ApG nF lautet:
"In diese Verlautbarung ist eine Bestimmung aufzunehmen, daß die Inhaber von öffentlichen Apotheken, welche den Bedarf an der neuen öffentlichen Apotheke als nicht gegeben oder die Existenzfähigkeit ihrer Apotheke durch die Errichtung der neuen Apotheke gemäß § 10 als gefährdet erachten, etwaige Einsprüche gegen die Neuerrichtung innerhalb längstens sechs Wochen, vom Tage der Verlautbarung an gerechnet, ... geltend machen können, daß später einlangende Einsprüche aber nicht in Betracht gezogen werden."
§51 Abs 3 ApG aF und nF bestimmt:
"Gegen eine Entscheidung der Landesbehörden (jetzt: des Landeshauptmannes), mit welcher die Konzession zum selbständigen Betriebe einer Apotheke verweigert wird, steht dem Gesuchsteller, gegen die Erteilung der Konzession aber denjenigen Inhabern öffentlicher Apotheken, welche gemäß § 48 zweiter Absatz rechtzeitig einen Einspruch erhoben haben, die Berufung an das Ministerium des Inneren (jetzt: Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz) zu. Die Entscheidungen sind ohne allen Verzug zu treffen."
§53 ApG nF normiert:
"Für das Verfahren bei Anträgen auf Bewilligung zum Betrieb einer Filiale einer öffentlichen Apotheke sowie zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke im Sinne des § 29 und zum Betrieb einer Anstaltsapotheke sind die §§47 bis 51 sinngemäß anzuwenden."
III. Der VwGH hat mit Erk. vom , Z 85/08/0048, einen Fall entschieden, dem ein ähnlicher Sachverhalt wie den beiden Anlaßbeschwerden zugrundelag. Der Landeshauptmann von Sbg. hatte einem Arzt mit der Ordination in Eben im Pongau die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke erteilt. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hatte die dagegen vom Inhaber einer (weiter als 6 Straßenkilometer entfernten) öffentlichen Apotheke in Radstadt erhobene Berufung gemäß den §§29 Abs 1, 53 und 48 Abs 2 ApG nF zurückgewiesen. Der VwGH wies mit der zitierten Entscheidung die vom Apotheker eingebrachte Beschwerde ab und begründete dies in den hier wesentlichen Teilen wie folgt:
"...
2.4.3. Auszugehen ist vom § 29 Abs 1 ApG nF. Unter den dort aufgezählten Tatbestandsmerkmalen, deren Vorliegen für die Erteilung der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke erforderlich ist, befindet sich kein dem § 10 Abs 1 Z 3 und Abs 3 ApG nF entsprechendes Tatbestandselement des Inhaltes, daß durch die Haltung der ärztlichen Hausapotheke die Existenzfähigkeit bestehender öffentlicher Apotheken nicht gefährdet werden dürfe. § 29 Abs 1 ApG sieht die Berücksichtigung dieses Umstandes nicht vor, enthält aber in der neuen Fassung eine - formalisierte - Umschreibung des Bedarfes, nämlich dahin gehend, daß die Hausapotheke zu bewilligen ist, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als 6 km entfernt ist.
Die Beschwerdeführer sind nun der Rechtsauffassung, daß der im § 29 Abs 1 ApG nF von ihnen vermißte Versagungstatbestand der Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken aus § 53 ApG nF abgeleitet werden müsse. Nach dieser Bestimmung sind für das Bewilligungsverfahren betreffend ärztliche Hausapotheken die §§47 bis 51 ApG sinngemäß anzuwenden.
2.4.3.1. Eine Rechtsvorschrift 'sinngemäß' anzuwenden bedeutet, daß die auf einen anderen Tatbestand zugeschnittene Vorschrift auf den Tatbestand, auf den sie sinngemäß angewendet werden soll, nicht unmittelbar, sondern nur nach entsprechender, vom Gesetzesanwender vorzunehmender Anpassung anwendbar ist. Dabei hat der Anwender der verweisenden Norm keinen anderen normativen Gehalt als den jener Bestimmung, auf die verwiesen wird, zugrunde zu legen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/09/0183).
2.4.3.2. § 51 Abs 3 ApG in Verbindung mit § 48 Abs 2 ApG nF regelt die Parteistellung des Inhabers einer bestehenden öffentlichen Apotheke im Verfahren betreffend die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke und sieht - entsprechend der materiell-rechtlichen Bestimmung des § 10 ApG, die sowohl den Bedarf nach der neuen öffentlichen Apotheke als auch die Nichtgefährdung der Existenzfähigkeit bestehender öffentlicher Apotheken als sachliche Bewilligungsvoraussetzung normiert - diese Parteistellung sowohl in der Bedarfs- als auch in der Existenzgefährdungsfrage vor. (Auch) durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Existenzgefährdung 'gemäß § 10, im § 48 Abs 2 ApG nF unterscheidet sich diese neue Fassung von der alten Fassung, die den genannten Zusatz 'gemäß § 10, nicht enthielt. Es trifft daher die Voraussetzung in der Argumentation der Beschwerdeführer, daß die zitierte Bestimmung des § 48 Abs 2 ApG (mit Ausnahme des Bedarfseinspruches) gleichgeblieben ist, insofern nicht zu. Auch dieser Umstand ist aber für die Frage der sinngemäßen Anwendung von Bedeutung. Damit ist nämlich im Wortlaut des § 48 Abs 2 ApG nF ausdrücklich die Verbindung zur Regelung der materiellen Verleihungsvoraussetzungen im § 10 ApG hergestellt. Eine Übertragung dieser die Parteistellung betreffenden Regelung auf den Fall der Hausapothekenbewilligung, für die § 29 ApG gerade diese Verleihungsvoraussetzung (daß die Nachbarapotheke in ihrer Existenzfähigkeit nicht gefährdet werden darf) nicht normiert, verbietet sich unter dem Titel einer sinngemäßen Anwendung schon wegen des ausdrücklich auf § 10 ApG abstellenden Wortlautes der verwiesenen Norm des § 48 Abs 2 ApG nF.
Eine 'sinngemäße' Anwendung dieser Regelung über die Parteistellung auf das Verfahren betreffend die Haltung einer ärztlichen Hausapotheke, für deren Bewilligung § 29 Abs 1 ApG nF als Tatbestandsmerkmal nur den formalisiert umschriebenen Bedarf, nicht aber den Ausschluß der Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken vorsieht, bedeutet nun, daß dem Inhaber einer öffentlichen (Nachbar-)Apotheke Parteistellung lediglich in der Frage des Bedarfsmerkmals (daß sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist), nicht aber in der Frage der Existenzgefährdung, die gar nicht als sachliche Verleihungsvoraussetzung im § 29 Abs 1 ApG normiert ist, zukommt. Sehen die verwiesenen Normen (§§48 Abs 2, 51 Abs 3 ApG) die Parteistellung des Nachbarapothekers und ein entsprechendes Verfahren zur Geltendmachung der eingeräumten Rechte in zwei Fragen, die materielle Verleihungsvoraussetzung sind und auf die in der verfahrensrechtlichen Vorschrift ausdrücklich hingewiesen wird, vor, dann bedeutet die sinngemäße Anwendung dieser mit der Parteistellung im Zusammenhang stehenden verfahrensrechtlichen Regelung auf die Bewilligung von Hausapotheken, für die nur eine der beiden Fragen (die Bedarfsfrage), materielle Verleihungsvoraussetzung ist, daß die Parteistellung auf diese Frage beschränkt ist, nicht aber, daß umgekehrt aus der Regelung der verwiesenen Norm über die Parteistellung in beiden Fragen - entgegen dem Wortlaut des § 29 Abs 1 ApG - auf eine Erweiterung der dort geregelten materiellen Verleihungsvoraussetzungen geschlossen werden darf.
2.4.3.3. Da das Apothekengesetz in seiner geltenden Fassung aus sich selbst heraus auszulegen ist, ist es verfehlt, darauf abzustellen, daß die bisherige Rechtsprechung überwiegend davon ausgegangen ist, daß aus der damals auf die Existenzgefährdungsfrage beschränkten Parteistellung der Nachbarapotheker im Bewilligungsverfahren betreffend neue öffentliche Apotheken bei den Hausapotheken geschlossen werden müsse, der Gesetzgeber habe das Nichtvorliegen der Existenzgefährdung, ungeachtet der mangelnden Erwähnung dieses Merkmals im § 29 Abs 1 ApG aF, dennoch als eine der Verleihungsbedingungen vorausgesetzt, also implizit vorgesehen. Jedenfalls nach der derzeit geltenden Rechtslage kann keinesfalls davon ausgegangen werden, daß die verfahrensrechtliche Regel des § 53 ApG nF keinen Anwendungsbereich hätte, wenn sie nur auf die Bedarfsfrage beschränkt gesehen wird. Im übrigen verweist der VwGH auf seine neuere Rechtsprechung, in der er die Beachtlichkeit der Existenzgefährdungsfrage nicht aus der verfahrensrechtlichen Norm des § 53 Abs 1 ApG aF, sondern aus dem Klammerzitat '(§10 dritter Absatz)' in dem die sachlichen Bewilligungsvoraussetzungen regelnden § 29 Abs 1 ApG aF abgeleitet und das Klammerzitat offenbar wegen der Harmonisierung mit § 53 Abs 1 in Verbindung mit §§48 Abs 2 und 51 Abs 3 ApG aF nicht als normloses Redaktionsversehen angesehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/08/0054).
Angesichts des eindeutigen Ergebnisses der systematischen Interpretation der insofern klaren Regelung des geltenden Apothekengesetzes vermag weder ein Hinweis auf die Auslegung der anders gestalteten früheren Rechtslage durch die Rechtsprechung noch ein solcher auf die programmatische Erklärung des Gesetzgebers in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend die ApG-Nov. 1984 über den Primat der Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln durch öffentliche Apotheken zu einem anderen Ergebnis führen, zumal dieser Grundsatz in anderen Institutionen auch nach der neuen Regelung nach wie vor seinen normativen Niederschlag findet (zB in den Regelungen des § 29 Abs 4 und 5 ApG nF).
2.4.3.4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtsvorschriften sind nicht entstanden. Es kann dem Gesetzgeber nicht der Vorwurf einer schlechterdings unsachlichen und demzufolge mit dem Gleichheitssatz in Widerstreit geratenden Regelung gemacht werden, wenn er es bei Abwägung des Zieles einer Erleichterung der Heilmittelversorgung durch die Bevölkerung mit jenem nach möglichster Sicherung der bestehenden und bewährten Versorgungsstruktur durch lebensfähige, pharmazeutisch und kaufmännisch einwandfrei geführte öffentliche Apotheken in Kauf genommen hat, daß dem Merkmal des Bedarfes gegenüber jenem der Existenzsicherung bestehender öffentlicher Apotheken das Übergewicht zukommen kann. Der Gesetzgeber hat dies in der Apothekengesetznovelle 1984 in gleicher Weise im Verhältnis öffentlicher Apotheken untereinander (§10 Abs 4 ApG nF) wie hier im Verhältnis ärztlicher Hausapotheken zu bestehenden öffentlichen Apotheken getan. Ob der Gesetzgeber hingegen innerhalb des ihm offenstehenden rechts- und ordnungspolitischen Gestaltungsspielraumes eine zweckmäßige Regelung getroffen hat und ob es ihm allenfalls nicht zur Gänze gelungen sein könnte, seine in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage programmatisch zum Ausdruck gebrachte Vorstellung über die Gestaltung der Heilmittelversorgung primär durch die öffentlichen Apotheken in jeder Hinsicht im Gesetz zu verwirklichen, ist kein Gegenstand, der in die vom B-VG vorgegebenen Prüfungsaufgaben des VwGH fällt.
2.4.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß den Beschwerdeführern seit dem kein Berufungsrecht in Ansehung der von ihnen behaupteten Existenzgefährdung ihrer öffentlichen Apotheke in Radstadt zukam. ..."
IV. Der VfGH hat über die beiden Beschwerden (I.2.) erwogen:
1. a) Die eine Behauptung der Beschwerden geht dahin, daß dem Inhaber einer öffentlichen Apotheke - sofern er einen Einspruch erhoben hat - im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung, eine ärztliche Hausapotheke zu halten, Parteistellung und Berufungsrecht zukomme.
Diese Behauptung trifft nicht zu. Es genügt im wesentlichen, auf die zutreffende, im soeben zitierten Erk. des VwGH unter 2.4.3. bis 2.4.3.3. enthaltene Begründung zu verweisen.
b) Einer zusätzlichen Erörterung bedarf folgende Behauptung der Bf.:
Eine historische Interpretation des ApG idF vor der Nov. 1984 ergebe eindeutig - und in diese Richtung gehe auch die Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zur früheren Rechtslage -, daß der Gesetzgeber des Jahres 1906 dem Inhaber einer öffentlichen Apotheke im Verfahren zur Erteilung einer Hausapothekenbewilligung Parteistellung zugebilligt habe. Daran habe die mit in Kraft getretene ApG-Nov. 1984 nichts geändert; weder der Wortlaut noch die aus den Erläuterungen zur RV (395 BlgNR XVI. GP) erkennbare Absicht des Gesetzgebers (die auf eine Erweiterung des Rechtsschutzes der Inhaber öffentlicher Apotheken gerichtet gewesen sei) böten hiefür einen Anhaltspunkt.
In dieselbe Richtung geht die Argumentation von Mayer, Zur Frage der Parteistellung im Apothekenrecht, ZfV 1985/4/367 ff., der sich im geschilderten Sinn kritisch mit dem zitierten Erk. des auseinandersetzt.
c) Diese Ausführungen vermögen nicht die vom VwGH vertretene Meinung zu widerlegen. Der Wortlaut des ApG nF im gegebenen Zusammenhang ist völlig eindeutig:
§29 ApG nF sieht als Voraussetzung für die Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke ausschließlich vor, daß in der Ortschaft, in der der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke besteht, und daß eine bestimmte Mindestentfernung zwischen der Hausapotheke und der öffentlichen Apotheke eingehalten wird. Diese Bestimmung ermächtigt die Behörde ganz eindeutig nicht dazu, die Frage einer möglichen Existenzgefährdung der öffentlichen Apotheke zu prüfen.
§53 ApG nF bestimmt, daß für das Verfahren bei Anträgen auf Bewilligung zum Betrieb einer Filiale einer öffentlichen Apotheke, zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke iS des § 29 und zum Betrieb einer Anstaltsapotheke die §§47 bis 51 sinngemäß anzuwenden sind. Ua. wird damit also auf § 48 Abs 2 ApG nF verwiesen. Danach wird den Inhabern bestehender öffentlicher Apotheken das Recht eingeräumt, Einspruch zu erheben, wenn sie "den Bedarf an der neuen öffentlichen Apotheke als nicht gegeben oder die Existenzfähigkeit ihrer Apotheke gemäß § 10 als gefährdet erachten". Der verweisende § 53 ApG nF bringt iVm. dieser verwiesenen - durch die ApG-Nov. 1984 neu gefaßten - Bestimmung (wie immer die Vorgängerbestimmung in ihrem Zusammenhang auszulegen war) deutlich folgendes zum Ausdruck: Wenn und insoweit für die Bewilligung, eine Filiale oder eine Anstaltsapotheke zu betreiben oder eine Hausapotheke zu halten, Voraussetzung die Bejahung des Bedarfes und die Verneinung der Existenzgefährdung einer bestehenden öffentlichen Apotheke ist, haben die Inhaber der öffentlichen Apotheke ein Einspruchsrecht und damit (allenfalls beschränkte) Parteistellung; nicht jedoch - und dies geht vor allem deutlich aus der Wendung "gemäß § 10" hervor - begründet § 53 iVm. § 48 Abs 2 ApG nF weitere Genehmigungsvoraussetzungen. Ist aber als Voraussetzung für die Genehmigung zum Halten einer ärztlichen Hausapotheke auch an keiner anderen Stelle des Gesetzes vorgesehen, daß eine bestehende öffentliche Apotheke nicht in ihrer Existenz gefährdet wird, dann kann die Existenzgefährdungsfrage niemandes Rechtssphäre berühren.
Bezogen auf die ärztliche Hausapotheke bedeutet dies, daß der Inhaber einer öffentlichen Apotheke im Verfahren zur Erteilung einer Hausapothekenbewilligung Parteistellung nur insoweit hat, als es darum geht, ob § 29 ApG nF (der hier einen nach formalen Kriterien zu beurteilenden Bedarf vorschreibt) eingehalten wurde. Nicht jedoch ist in einem solchen Verfahren die Möglichkeit einer Existenzgefährdung zu prüfen; der Inhaber einer öffentlichen Apotheke hat in dieser Hinsicht auch kein Einspruchsrecht und keine daraus erfließende Parteistellung.
Bei diesem klaren Wortlaut des Gesetzes ist ein Regreß auf die Entstehungsgeschichte oder die Absicht des Gesetzgebers ausgeschlossen.
Die bel. Beh. hat daher die Berufungen der Bf. (die Inhaber von bestehenden öffentlichen Apotheken sind) zu Recht zurückgewiesen, soweit darin eine Existenzgefährdung durch die Bewilligung zum Halten von ärztlichen Hausapotheken releviert wird.
Aus all dem folgt, daß der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz die Berufungen der Apothekenkonzessionäre in dieser Hinsicht zu Recht zurückgewiesen hat. Die Bf. wurden daher weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt (vgl. zB VfSlg. 9752/1983).
Die Voraussetzungen nach § 29 ApG nF lagen offenbar vor. Die Bf. erachten sich erkennbar durch diese Punkte der angefochtenen Bescheide nicht beschwert, weshalb darauf nicht weiter einzugehen war.
2. a) Das andere Anliegen der Bf. ist der Nachweis, daß das ApG nF, wenn es den von der Behörde angenommenen Inhalt hat, deshalb verfassungswidrig sei, weil es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Der Gesetzgeber verfolge offenkundig das Ziel, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung in erster Linie durch öffentliche Apotheken zu sichern. Jedenfalls dann sei es unsachlich, den Inhaber einer bestehenden öffentlichen Apotheke davor zu schützen, daß seine wirtschaftliche Existenz durch eine andere öffentliche Apotheke bedroht wird, nicht aber vor einer wirtschaftlich gleichen Gefährdung durch eine ärztliche Hausapotheke.
Im übrigen seien die in den Abs 1 und 2 des § 29 ApG nF vorgesehenen unterschiedlichen Mindestentfernungen (das eine Mal sechs, das andere Mal vier Straßenkilometer) sachlich nicht zu begründen.
b) Auch bei dem von der bel. Beh. (richtig) angenommenen Inhalt bestehen unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerdefälle gegen die die angefochtenen Bescheide vornehmlich tragenden, oben (II.) wiedergegebenen Vorschriften des ApG nF keine verfassungsrechtlichen Bedenken:
Zwar geht das ApG auch idF der Nov. 1984 vom Primat der öffentlichen Apotheken aus (vgl. die RV zur ApG-Nov. 1984, 395 BlgNR XVI. GP). Damit soll offenkundig das Ziel verfolgt werden, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern; es kann, um dieses Ziel zu erreichen, auch zweckmäßig sein, die bestehenden öffentlichen Apotheken vor einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung durch Konkurrenzbetriebe zu schützen (vgl. hiezu VfSlg. 10386/1985).
Es steht dem Gesetzgeber aber im Rahmen seines ihm von verfassungswegen eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes frei, von einem Prinzip, das die Regelung beherrscht, ausnahmsweise (aus sachgerechten Gründen) abzuweichen und abzuwägen, auf welche Weise dem Ziel, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung bestmöglich zu gewährleisten, unter bestimmten Umständen am nächsten gekommen wird, ob nämlich der optimalen Lagerhaltung (die bei einer Durchschnittsbetrachtung durch wirtschaftlich starke und damit leistungsfähige öffentliche Apotheken am besten gesichert erscheint) oder aber kurzen Wegzeiten für den Konsumenten (auf die etwa im Zuge der Bedarfsprüfung Bedacht genommen werden kann) der Vorzug zu geben ist.
So nimmt etwa (wogegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken obwalten) § 10 Abs 4 ApG nF die Existenzgefährdung einer bestehenden öffentlichen Apotheke in Kauf, wenn nach einer neuen Apotheke zwingender Bedarf besteht.
Dem Gesetzgeber kann auch nicht der Vorwurf einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemacht werden, wenn er angenommen hat, ein dringender Bedarf der Bevölkerung nach einer Heilmittelabgabestelle bestehe im Regelfall bei einer Entfernung von mehr als vier, jedenfalls aber bei einer solchen von mehr als sechs Straßenkilometern, wobei es nicht unsachlich ist, dann, wenn bereits eine Arzneimittelabgabestelle in Form einer ärztlichen Hausapotheke bestand und nun von einem neuen Inhaber übernommen werden soll, großzügiger zu sein.
Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, daß die - zumindest vier bis sechs Straßenkilometer entfernte - ärztliche Hausapotheke im Regelfall wohl eine Konkurrenz, nicht aber eine Existenzgefährdung für die bestehende öffentliche Apotheke bedeuten werde, da einerseits ohnehin jeder (auch der nicht eine Hausapotheke haltende) Arzt gemäß § 30 Ärztegesetz 1984, BGBl. 373, zur Vorrathaltung von Arzneimitteln verpflichtet ist, andererseits gemäß § 30 ApG nF die Berechtigung des hausapothekenführenden Arztes darauf beschränkt ist, Heilmittel grundsätzlich nur an die in seiner Behandlung stehenden Kranken zu verabreichen. In jenen Ausnahmsfällen, in denen doch die Existenz der öffentlichen Apotheke gefährdet wird, durfte der Gesetzgeber beim angenommenen dringenden Bedarf der Bevölkerung - schon iS der verfassungsgesetzlich garantierten Erwerbsausübungsfreiheit (vgl. zB VfSlg. 10386/1985) - diese allfällige Existenzgefährdung in Kauf nehmen.
3. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Bf. durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerden waren daher abzuweisen.