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OGH vom 24.06.2004, 8Ob35/04m

OGH vom 24.06.2004, 8Ob35/04m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Versicherungs AG *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Jürgen Michael Z*****, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in Graz, und 2. Autohaus Ing. Franz K***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Peissl, Rechtsanwalt in Köflach, wegen EUR 12.266,66 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 174/03b-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 39 Cg 58/02g-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zu neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am Mittwoch, dem brachte der Versicherungsnehmer der klagenden Kaskoversicherung seinen PKW der Marke Audi TT mit dem Auftrag zur zweitbeklagten Partei, das Jahresservice durchzuführen und ein Geräusch zu beheben. Vereinbart war, dass ihn ein Mitarbeiter der zweitbeklagten Partei anrufen würde, wenn das Auto zur Abholung bereit sei. Das Service wurde durchgeführt und der Versicherungsnehmer am Freitag, dem angerufen und ihm mitgeteilt, dass er seinen PKW bis Samstag, (8.00 bis 12.00 Uhr) abholen könne. Er holte den PKW aber nicht ab. Der PKW war in einer Halle, deren Rolltor am zu Mittag nach Ende des Journaldienstes verschlossen worden war und das von außen nicht zu öffnen ist, abgestellt. Allerdings war er unversperrt und der Schlüssel steckte im Zündschloss. In der Nacht von 23. auf den stahl der Erstbeklagte dieses Fahrzeug. Dazu musste er eine ca 2,5 m hohe Trapezblechwand überwinden und konnte dann über die Feuerleiter und ein nicht versperrbares Kippfenster in die Werkstätte und in die Halle gelangen. Er nahm das Fahrzeug in Betrieb, öffnete das Rolltor und fuhr mit dem Auto hinaus. Dann brach er noch das Vorhängeschloss an einem Schranken auf und gelangte so aus dem Betriebsgelände. Einige Tage später wurde er mit dem - mittlerweile beschädigten - PKW an der deutsch-polnischen Grenze betreten.

Die klagende Kaskoversicherung erbrachte folgende Zahlungen:

Rückholung des Fahrzeuges S 23.129,--

Teilzerlegung zur Ermittlung der

Schadenshöhe und Reparatur S 9.117,--

endgültige Reparatur S 95.266,--

außergerichtliche Bereinigung EUR 3.000,--.

Am Betriebsgelände der Zweitbeklagten befindet sich eine Tankstelle, die am bis 19.00 Uhr geöffnet hatte. Ein Hauswart kontrollierte Samstag Abend nach 20.00 Uhr nochmals das gesamte Betriebsgelände, insbesondere, ob alle Schranken, Tore und Türen versperrt waren. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens für die Werkstätte war der Zweitbeklagten von einem Oberbrandrat empfohlen worden, die Autos unversperrt zu belassen.

Die klagende Kaskoversicherer begehrt die Aufwendungen von zusammen EUR 12.336,42 sA von den beiden beklagten Parteien zur ungeteilten Hand ersetzt. Gegen den Erstbeklagten erging ein in Rechtskraft erwachsenes Versäumungsurteil. Gegenüber der Zweitbeklagten wurde das Klagebegehren auf EUR 12.266,66 sA eingeschränkt und im Wesentlichen mit der mangelhaften Verwahrung des zur Reparatur übernommenen Fahrzeuges begründet. Die Zweitbeklagte habe nicht einmal die einfachsten Sicherungsmaßnahmen für ihr Betriebsgeländes durchgeführt. Weder die Halle, in der das Fahrzeug aufbewahrt worden sei, noch das Fahrzeug seien versperrt gewesen. Auch der Fahrzeugschlüssel sei nicht an einem sicheren Ort aufbewahrt worden.

Die Zweitbeklagte beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass sie für eine ausreichende Verwahrung des Fahrzeuges gesorgt habe. Außerdem habe sich der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Diebstahls in Annahmeverzug befunden, der der klagenden Partei zuzurechnen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Ansicht, der Versicherungsnehmer sei in Annahmeverzug geraten. Die Klägerin müsse sich den Annahmeverzug ihres Versicherungsnehmers zurechnen lassen. Dadurch werde aber die Haftung des Gläubigers auf grobe Fahrlässigkeit eingeschränkt. Eine solche liege aber hier nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge Es ging auf die Bekämpfung der erstgerichtlichen Feststellungen zur Frage des Annahmeverzuges nicht ein. Darauf komme es nicht an, weil der Zweitbeklagte seine Verwahrerpflichten in jeder Hinsicht erfüllt habe. Ob ein Annahmeverzug des Versicherungsnehmers der klagenden Partei vorliege brauche daher nicht entschieden werden. Unter Berücksichtigung aller Maßnahmen, mit denen die zweitbeklagte Partei Vorfällen wie dem gegenständlichen vorzubeugen versuchte, könne ihr nicht einmal leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Selbst dass der Zündschlüssel steckte, stelle hier keinen Verstoß gegen die Verwahrungspflichten dar, hätte doch der Erstbeklagte in den Räumlichkeiten der Halle nach dem Schlüssel suchen können, wenn er nicht im Auto vorhanden gewesen wäre. Die ordentliche Revision erachtetet das Berufungsgericht als zulässig, da zur Frage, welche Sicherungsmaßnahmen bei in verschlossenen Gebäuden verwahrter Fahrzeuge zumutbar seien, eine oberstgerichtliche Entscheidung fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

Im Wesentlichen bekämpft die Klägerin zutreffend die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, wonach trotz des Belassens des Fahrzeugschlüssels im Fahrzeug ein haftungsbegründender Sorgfaltsverstoß gegen die Verwahrungspflichten des Zweitbeklagten nicht gegeben wäre.

Verträge wie der vorliegende Reparaturvertrag betreffend das KFZ des Versicherungsnehmers der klagenden Kaskoversicherung werden als Werkverträge mit der Nebenpflicht (RIS-Justiz RS0008963 mwN etwa EvBl 1974/160) zur sorgfältigen Verwahrung des für die Zeit bis zur Rückgabe in den Verfügungsbereich abgestellten und damit im Sinne des § 957 ABGB in Obsorge übernommenen Fahrzeuges qualifiziert (vgl RIS-Justiz RS0019378 mwN; vgl zuletzt etwa mwN; ebenso Schubert in Rummel ABGB3 § 960 Rz 3; Binder in Schwimann ABGB2, § 957 Rz 5). Darunter ist nicht nur die rein passive Verwahrung zu verstehen ist, sondern es ist der Verwahrer auch zu einzelnen positiven Handlungen verpflichtet ist, die zur Erhaltung der Sache bzw Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich sind (vgl RIS-Justiz RS0019366 mzwN).

Von einer Kraftfahrzeugwerkstätte wird dabei regelmäßig verlangt, den Betrieb so zu organisieren, dass ein zum Service übergebener Personenkraftwagen, so verwahrt wird, dass unbefugte Dritte zum Fahrzeugschlüssel ebenso wie zu den Kraftfahrzeugpapieren keinen Zutritt haben (vgl RIS-Justiz RS0018949 mzwN etwa SZ 56/143; SZ 64/62 zuletzt 3 Ob 234/02m; OGH 2 Ob 540/84 "die einfachsten und leicht zumutbaren Vorkehrungen gegen Wegnahme"; vgl im Übrigen auch zu § 6 EKHG "Schwarzfahrer RIS-Justiz RS0058478 mwN insbes 2 Ob 159/75 zu einem in einer versperrten Halle, aber mit angestecktem Zündschlüssel abgestellten KFZ).

Das Berufungsgericht vermeint im Wesentlichen, dass die Zweitbeklagte hier deshalb nicht gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen habe, weil sich der PKW ohnehin in einem abgeschlossenen Gebäude befunden habe.

Es hat der Oberste Gerichtshof etwa schon in seiner Entscheidung 2 Ob 540/84 bei einem in einem Innenhof des Werkgeländes, das von einem Drahtzaun samt mit Vorhangschlössern gesicherten Toren umgeben war, abgestellten PKW ausgesprochen, dass diese Sicherung nicht ausreicht, wenn der Zündschlüssel im Zündschloss belassen und die Fahrzeugtüren nicht abgesperrt wurden. Bereits in der vom Berufungsgericht auch herangezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 2 Ob 101/99p wurde bei einer mit einem Vorhängeschloss versperrten Halle, in welcher die Fahrzeuge mit steckengelassenen Zündschlüsseln abgestellt waren, es für erforderlich erachtet, die näheren Umstände (Art, Anbringung und Anfälligkeit für Öffnungsversuche Unbefugter) dieser Schlosssicherung sowie die genaue Örtlichkeit (und Zugänglichkeit) dieser Halle samt den zu ihrer Überwindung (für Unbefugte) angebrachten Hindernissen, aber auch allfällige behauptete behördlich Auflagen zum Belassen der Wagenschlüssel in den dort abgestellten Fahrzeugen näher zu erheben und festzustellen; nur daraus könne die Beklagte der aus § 1298 ABGB abzuleitenden Beweispflicht genügen, für das Eigentum des Versicherungsnehmers der Klägerin nach dem Maßstab der Sorgfaltspflichten der §§ 1297, 1299 ABGB vorgesorgt zu haben.

Genau das konnte die Zweitbeklagte aber hier nicht nachweisen. Weder lag einer behördlicher Auftrag zum Belassen der Autoschlüssel in den abgestellten PKW vor, noch war die Halle wirksam verschlossen. Vielmehr konnte der Dieb ohne Gewaltanwendung allein durch das Überklettern der Trapezblechwände und das Öffnen des unversperrten Fensters in die Halle gelangen und diese von innen ungehindert öffnen. Dass das am Schranken des Werksgeländes angebrachte Vorhängeschloss nicht ausreicht ergibt sich bereits aus der Entscheidung zu 2 Ob 540/84. Auch ist darauf hinzuweisen, dass auch die nahe Tankstelle in den Nachtstunden ihren Betrieb eingestellt hat, also keinerlei Hindernis für ein Überklettern der Wand und das Aufbrechen des Vorhangschlosses darstellt. Nach dem nicht weiter bestrittenen Vorbringen der Klägerin beträgt der Neuwert des erst ein Jahr alten KFZ über EUR 40.000,-. Die Werkstätte war über die Weihnachtsfeiertage offensichtlich mehrere Tage lang geschlossen. Ausgehend davon ist in dem Umstand, dass die Zweitbeklagte die Schlüssel in dem PKW stecken ließ, eine Sorgfaltsverletzung zu sehen. Gerade in dieser Situation kann in dem Abziehen und sicheren Verwahren der Autoschlüssel kein unzumutbarer Aufwand gesehen werden. Dies hätte den Diebstahl zumindest erheblich erschwert. Beachtlich ist, dass allgemein den mit den Autoschlüsseln verbundenen elektronischen Sicherungsmaßnahmen (Wegfahrsperren etc) verstärkte Bedeutung zukommt.

Das Verhalten der Zweitbeklagten, in dem nur unzureichend gesicherten Betriebsgebäude, in das man im Ergebnis ohne Gewaltanwendung eindringen konnte und beim Wegfahren nur ein Vorhängeschloss aufbrechen musste, die Schlüssel in einem KFZ von beachtlichen Wert ohne zwingenden Grund stecken zu lassen, ist also als sorgfaltswidrig zu beurteilen. Diese Sorgfaltswidrigkeit ist aber in Hinblick auf die doch bestehenden Einschränkungen (hohe Trapezblechwand, Vorhängeschloss, von Innen versperrte Halle) nicht als grobe Fahrlässigkeit einzustufen (vgl RIS-Justiz RS0066003 zu § 61 VersVG). Konnte für die Beklagte doch der Eindruck entstehen, dass durch das Abstellen in der Halle ohnehin eine ausreichende Absicherung gegeben sei (vgl allgemein zur Abgrenzung der groben Fahrlässigkeit danach, ob "einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten RIS-Justiz RS0030331 mwN).

Damit wird die Frage entscheidend, ob sich der Versicherungsnehmer der klagenden Kaskoversicherung tatsächlich in Annahmeverzug befunden hat (zu ständigen Judikatur zur Einschränkung der Haftung im Falle des Annahmeverzuges RIS-Justiz RS0011498 mwN zuletzt 1 Ob 9/97y; RIS-Justiz RS0020187 mwN; vgl andererseits auch Schubert aaO § 961 Rz 3; Binder aaO § 961 Rz 25).

Da aber das Berufungsgericht, ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, dass der Zweitbeklagten überhaupt kein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen sei, die Tatsachenrüge der Klägerin hinsichtlich Feststellungen zum Annahmeverzug nicht behandelt hat, war die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.