OGH vom 09.07.1997, 9ObA158/97v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hradil und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Eberhard Piso (AG) und Wolfgang Neumeier (AN) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Alfred G*****, Facharzt, ***** vertreten durch Dr.Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Konvent *****, vertreten durch Dr.Christian Kuhn und Dr.Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unwirksamerklärung einer Kündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 337/96d-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 17 Cga 20/96y-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S
13.725 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Ob es dem Kläger ein Leichtes sei, einen neuen Posten zu finden und ob als Feststellungsgrundlage auch ein Sachverständiger herangezogen hätte werden müssen, ist deshalb nicht relevant, weil das Berufungsgericht zutreffend darauf verweist, daß selbst bei Annahme der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Klägers durch die Kündigung vom Dienstgeber der Ausnahmetatbestand des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG nachgewiesen worden ist. Wie bereits im Berufungsverfahren rügt der Revisionswerber die Nichtzulassung der Frage, ob die beklagte Partei Kunde der R*****bank sei. Da das Berufungsgericht die Relevanz dieser Frage und damit das Vorliegen eines Verfahrensmangels verneint hat, kann dieser Mangel nicht neuerlich im Revisionsverfahren geltend gemacht werden (Arb 11.265 ua).
Im übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend die Sozialwidrigkeit der Kündigung infolge Vorliegens des Ausnahmetatbestandes des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG und einer zugunsten der beklagten Partei ausgehenden Interessensabwägung verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist lediglich auszuführen:
Die Einvernehmlichkeit mit dem Dienstgeber bei Betrieb des Ambulatoriums für bildgebende Diagnostik beschränkte sich naturgemäß darauf, daß durch diese Tätigkeit keine nachteiligen Auswirkungen auf die Tätigkeit des Klägers im Krankenhaus entstehen. Die beklagte Partei wies auf die Einhaltung der Dienstpflichten ausdrücklich, sogar unter Androhung der Beendigung des Dienstverhältnisses, im Oktober 1995 hin. Eine Zustimmung zur Ausweitung des Betriebes auf eine Tagesklinik hat der Kläger nie erhalten. In diesem Zusammenhang von einer durch die Zustimmung zur Führung des Ambulatoriums vorliegenden Genehmigung auch dienstwidrigen oder dienstschädlichen Verhaltens auszugehen, die im nachhinein Einwendungen nicht zulasse, ist in den Feststellungen nicht begründet. Darüber hinaus sprechen auch die Bestimmungen des Dienstvertrages über die Arbeitszeit und die Diensteinteilung unter Berücksichtigung des Spitalsbetriebes gegen diese Auffassung. Mangels ausdrücklicher Vereinbarungen ist daher das mangelnde Engagement des Klägers und seine Dienstabwesenheit nicht von einer Genehmigung der beklagten Partei getragen.
Da § 863 ABGB für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen einen strengen Maßstab anlegt (Rummel in Rummel ABGB2 Rz 14 zu § 863) kann aus der Äußerung des Ansprechpartners des Klägers bei der beklagten Partei auf die Frage, ob ein Arzt des Krankenhauses in seiner Klinik operieren dürfe, "wir werden sehen" und aus dem Verkauf eines Operationstisches an den Kläger, kein vernünftiger Grund gesehen werden, unzweifelhaft eine Zustimmung zur Ausweitung der Tätigkeit des Klägers anzunehmen.
Der Kooperationsvertrag vom Mai 1992 zwischen dem Land Burgenland und der beklagten Partei hat, wie schon das Berufungsgericht ausführte, keine Auswirkungen auf den privatrechtlichen Dienstvertrag des Klägers vom Juni 1985. Eine bloße Wirtschaftsaufsicht und eine Zustimmung zum Budget sowie dem Dienstpostenplan durch das Land bei der weiterhin bei der beklagten Partei verbleibenden Personalhoheit und der ihr zustehenden privatrechtlichen Arbeitgeberfunktion lassen keine Zweifel an der Arbeitgebereigenschaft der beklagten Partei aufkommen, zumal sie auch diese Funktionen stets im eigenen Namen ausgeübt hat. Ein äußerer Tatbestand, der das Land als wahren Dienstgeber erscheinen ließe (DRdA 1994/13 [Kerschner]) ist nicht hervorgekommen, sodaß das Berufungsgericht nicht nur die Passivlegitimation der beklagten Partei, sondern auch die Nichtanwendbarkeit des Landesvertragsbedienstetengesetzes zutreffend bejahte.
Auch bei einer als gegeben angesehenen Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Klägers durch die Kündigung wurde der Ausnahmetatbestand des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG von den Vorinstanzen deshalb zutreffend bejaht, weil die in diesem Falle vorzunehmende Interessensabwägung zugunsten der beklagten Partei ausfällt (DRdA 1992/41 [Runggaldier] = ZAS 1992/19; EvBl 1994/18; Ind 1996, 2343; 9 ObA 125/95). Die Interessen des Dienstgebers an Loyalität, Offenheit, Information, Dynamik, Einsatz und Anwesenheit des Dienstnehmers während der notwendigen Kernarbeitszeit, an einer mängelfreien Arbeit, zumindest aber auch an einer Verbesserung einer fehlerhaften und lückenhaften Befundung, sohin an der Erfüllung von Dienstpflichten, steht dann im Vordergrund und wirkt sich bei der Interessensabwägung gewichtiger aus, wenn der Arbeitnehmer trotz Ermahnung keine Besserung oder Einsicht zeigt, sodaß der Eindruck, daß er seine privaten Interessen vor alle dienstlichen Interessen stellt, objektiviert ist. Soweit der Kläger noch dazu einen Konkurrenzbetrieb (Tagesklinik) in unmittelbarer Nachbarschaft der beklagten Partei, plante und auch schon einen bei der beklagten Partei beschäftigten Arzt bei sich verwendete, ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß die Interessenbeeinträchtigung des Dienstgebers überwiegt.
Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß der nach den Feststellungen für drei Kinder unterhaltspflichtige Kläger das mit Zustimmung der beklagten Partei geführte Ambulatorium für bildgebende Diagnostik immer weiter, nunmehr aber ohne Zustimmung des Beklagten, zu einem tagesklinischen Betrieb ausweitete und entsprechende Investitionen tätigte. Soweit er daher durch die Kündigung in seinen finanziellen Interessen wesentlich beeinträchtigt ist, ist das darauf zurückzuführen, daß er die Zustimmung des Dienstgebers zu seinem Privatbetrieb mißbrauchte und seine Dienstpflichten immer mehr vernachlässigte, obwohl eine Ausweitung des Betriebes nie von der Zustimmung der beklagten Partei getragen war. Gerade die vom Dienstgeber eingeräumte Möglichkeit, einen (eingeschränkten) Privatbetrieb neben den dienstvertraglichen Verpflichtungen zu führen, hätte den Kläger zu der von der beklagten Partei vermißten besonderen Loyalität, Offenheit, Information, Einsatz und Einhaltung der dienstvertraglichen Pflichten verpflichtet.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 Abs 1 iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.