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OGH vom 30.07.2015, 8Ob34/15f

OGH vom 30.07.2015, 8Ob34/15f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn, sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Insolvenzsache der M***** P*****, vertreten durch Mörth Ecker Filzmaier Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wegen Widerrufs der Restschuldbefreiung, über den „Revisionsrekurs“ der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 32 R 49/14x 111, mit dem über Rekurs der Insolvenzgläubiger 1. H***** H*****, und 2. Dipl. Ing. E***** B*****, beide vertreten durch Dr. Siegfried Legat, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, sowie 3. H***** L*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer, Dr. Günter Secklehner, Rechtsanwälte in Liezen, der Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom , GZ ***** S 101, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des im zweiten Rechtsgang befindlichen Verfahrens vgl die Vorentscheidung des erkennenden Senats 8 Ob 124/12m sind Anträge der im Kopf genannten Insolvenzgläubiger auf Widerruf der der Schuldnerin erteilten Restschuldbefreiung gemäß der hier noch anwendbaren Bestimmung des § 216 KO.

Aufgrund der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung des Rekursgerichts steht fest, dass die Schuldnerin ihre Obliegenheiten gemäß § 210 Abs 1 Z 2 iVm Z 4 KO verletzt hat, weil sie den Umstand, dass ihr ihre Mutter mit Testament vom eine Liegenschaft vererbt hat, nicht dem Insolvenzgericht mitgeteilt hat, obwohl sie in der Lage und auch verpflichtet gewesen wäre, das entstandene Erbrecht dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder bekanntzugeben. Zu prüfen bleibt im fortgesetzten Verfahren, ob die Schuldnerin ihre Obliegenheiten iSd § 216 Abs 1 KO vorsätzlich verletzt hat und ob sie dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang die Anträge der Insolvenzgläubiger ab. Es ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Die Schuldnerin beantragte am die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und die Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß §§ 213 Abs 2 und Abs 3 KO. Gegen diesen Antrag sprachen sich mehrere Insolvenzgläubiger aus, weil die Schuldnerin die Mindestquote von 10 % der Forderungen nicht einmal annähernd erreicht habe.

Am verstarb die Mutter der Schuldnerin, die zwei Kinder, nämlich neben der Schuldnerin auch einen Sohn, hinterließ. Mit Testament vom setzte die Mutter die Schuldnerin als Alleinerbin ein.

Anlässlich der Todesfallaufnahme am erfuhr die Schuldnerin erstmals vom Inhalt dieses Testaments. Für die Schuldnerin war es unerklärlich, weshalb sie von ihrer Mutter zur Alleinerbin eingesetzt worden war, zumal sie von ihrer verstorbenen Mutter bereits 1994 mit Notariatsakt eine Liegenschaft geschenkt erhalten hatte, wofür sie im Gegenzug auf Erb und Pflichtteilsansprüche verzichtet hatte. Dieser Erb und Pflichtteilsverzicht der Schuldnerin wurde mit einem Notariatsakt vom dahin eingeschränkt, dass er nicht gilt, wenn die Mutter der Schuldnerin außer der Schuldnerin keine weiteren erb und pflichtteilsberechtigten Personen mehr hinterlässt. Vor diesem Hintergrund vermutete die Schuldnerin, dass noch ein weiteres Testament vorhanden sein müsse.

Noch am selben Tag, dem , teilte die Schuldnerin mit einer Eingabe ihres Rechtsanwalts dem Insolvenzgericht mit, dass sie zum Zweck einer Enderledigung und Schuldenbereinigung gegenüber den Insolvenzgläubigern einen Betrag von 10.000 EUR zur Verfügung stellen könne, dies durch Unterstützung aus ihrem Freundeskreis. Den Inhalt des Testaments gab die Schuldnerin weder dem Treuhänder noch dem Erstgericht noch den Insolvenzgläubigern bekannt.

Am Tag nach der Todesfallaufnahme setzte die Schuldnerin ihren Bruder vom Inhalt des Testaments in Kenntnis. Der Bruder teilte ihr mit, dass er das Testament anfechten werde, zumal er davon ausgegangen sei, die Liegenschaft zu erhalten.

Die Schuldnerin setzte auch ihren Rechtsvertreter vom Inhalt des Testaments in Kenntnis, der die Familie der Schuldnerin persönlich seit Jahren kannte und ebenfalls verwundert über die Einsetzung der Schuldnerin als Alleinerbin war. Er teilte der Schuldnerin mit, dass sie „allenfalls schauen müsste, wie dies für das Konkursverfahren beachtlich wäre“, und dass sie „ja noch nichts geerbt“ habe und jedenfalls ein weiteres Testament vorliegen müsse.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom wurde das Abschöpfungsverfahren für beendet erklärt und der Schuldnerin unter der Voraussetzung der Zahlung eines Betrags von 10.000 EUR gemäß § 213 Abs 2 KO die Restschuldbefreiung erteilt. Dieser Beschluss erwuchs am in Rechtskraft.

Am gab die Schuldnerin im Verlassenschaftsverfahren nach ihrer verstorbenen Mutter die unbedingte Erbantrittserklärung ab. Aufgrund dieser wurde ihr mit Einantwortungsbeschluss vom die Verlassenschaft zur Gänze eingeantwortet. Der Nachlass der Mutter der Schuldnerin belief sich auf einen Reinwert von 42.024,29 EUR, darunter die nach dem dreifachen Einheitswert mit 40.551,45 EUR bewertete Liegenschaft.

Im März 2012 wurde gegen die Schuldnerin ein Strafverfahren gemäß § 156 StGB eingeleitet. Die Schuldnerin wurde von dieser Anklage rechtskräftig freigesprochen.

„Es kann nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin durch Nichtbekanntgabe des Inhalts des Testaments vom es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dadurch Interessen der Gläubiger erheblich zu beeinträchtigen.“

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Schuldnerin eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden könne, weil sie rechtsfreundlich vertreten gewesen sei und ihr bis zu der in diesem Verfahren ergangenen Vorentscheidung 8 Ob 124/12m gar nicht bewusst war bzw bewusst sein konnte, gegen eine Obliegenheit iSd § 210 Abs 1 Z 2 KO zu verstoßen.

Das Rekursgericht gab den von den Rekurswerbern gegen diesen Beschluss erhobenen Rekursen Folge. Es hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Zu Unrecht berufe sich die Schuldnerin auf einen Irrtum, weil sie dem anwaltlichen Rat gefolgt sei und höchstgerichtliche Rechtsprechung zum damaligen Zeitpunkt gefehlt habe. Die Schuldnerin sei sich nämlich durchaus im Klaren gewesen, dass der Erbanfall Auswirkungen auf das Abschöpfungsverfahren haben könne. Sie habe sich angesichts der unrichtigen Ausführungen ihres Rechtsbeistands bewusst dazu entschieden, den Erbanfall nicht zu melden. Die Obliegenheit habe die Schuldnerin daher gekannt, sie habe sich nur darüber geirrt, welche Folgen an ihr insofern vorsätzliches Verhalten geknüpft gewesen seien. Dabei handle es sich aber nur um einen für den Bereich des zwingenden Rechts unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum. Die Schuldnerin habe daher die Obliegenheit, den Erbanfall dem Insolvenzgericht zu melden, vorsätzlich verletzt. Auf die Unkenntnis des § 1278 ABGB könne sie sich wegen § 2 ABGB nicht berufen. Selbst wenn sich die Schuldnerin subjektiv im Recht vermeint habe, habe sie das Risiko der Obliegenheitsverletzung dennoch bewusst in Kauf genommen.

Auf die Feststellung des Erstgerichts, dass die Schuldnerin nicht den Vorsatz gehabt habe, durch Nichtbekanntgabe des Testaments die Interessen der Insolvenzgläubiger erheblich zu beeinträchtigen, komme es anders als im Strafverfahren nicht an, weil es sich dabei um ein objektives Tatbestandsmerkmal handle. Da das Erstgericht Feststellungen zur erheblichen Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger nicht getroffen habe, erweise sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Gegenstands 5.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur maßgeblichen Frage, wie sich ein Rechtsirrtum auf die Annahme einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung auswirke, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der auch im zweiten Rechtsgang wiederum unrichtig als „Revisionsrekurs“ bezeichnete Rekurs (§ 527 Abs 2 ZPO) der Schuldnerin. Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Das Rekursgericht hat seiner Entscheidung die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt. Mit der Behauptung, es hätte diesen Feststellungen einen Inhalt unterstellt, den sie nicht haben, wendet sich die Rekurswerberin in Wahrheit gegen die rechtliche Beurteilung des Verschuldensgrades der Schuldnerin durch das Rekursgericht, womit sie jedoch keine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens aufzeigt.

2. Die Frage, ob der Schuldnerin vorwerfbar ist, die hier schon feststehende Obliegenheitsverletzung vorsätzlich begangen zu haben, kann regelmäßig nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden und stellt daher im Allgemeinen keine iSd § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage dar. Eine krasse Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit des Revisionsrekurses rechtfertigen könnte, zeigt die Rekurswerberin nicht auf. Der Schuldnerin war der für jeden Schuldner leicht erkennbare Umstand, dass ein ihr zukommendes Vermögen im Abschöpfungsverfahren dem Insolvenzgericht bekanntzugeben ist, nicht zuletzt durch den Hinweis ihres Rechtsvertreters bewusst. Die Rechtsauffassung des Rekursgerichts, dass sie sich nicht darauf berufen könne, dass ihr der Nachlass im maßgebenden Zeitpunkt noch nicht eingeantwortet war, ist vor diesem Hintergrund jedenfalls vertretbar. Die Auskunft ihres Rechtsanwalts kann daran schon deshalb nichts ändern, weil dieser die Verpflichtung zur Bekanntgabe des Erbanfalls keineswegs in Abrede stellte sondern im Gegenteil erklärte, dass man „allenfalls schauen müsste, wie dies für das Konkursverfahren beachtlich wäre“. Der weitere Hinweis, dass die Schuldnerin „ja noch nichts geerbt“ habe, mag eine gewisse Relativierung dieser Aussage darstellen; insgesamt kann aus der Auskunft des Rechtsanwalts aber gerade nicht abgeleitet werden, dass der Erbanfall nicht bekanntzugeben sei. Dennoch hat sich die Schuldnerin entschlossen, nach der Todesfallaufnahme eine zusätzliche Zahlung an die Gläubiger anzubieten, im entsprechenden Schriftsatz aber den Erbanfall nicht zu erwähnen. Wenngleich zum möglichen Zusammenhang des Zahlungsanbots mit dem Erbanfall keine Feststellungen getroffen wurden, bleibt jedenfalls der Umstand, dass die Schuldnerin unmittelbar nach der Todesfallaufnahme an das Insolvenzgericht herantrat, den Erbanfall aber trotz der Auskunft ihres Rechtsanwalts, man müsse dessen Auswirkungen prüfen, weder in diesem Schriftsatz noch später gegenüber dem Insolvenzgericht auch nur mit einem Wort erwähnte. Die Ausführungen der Schuldnerin, sie habe „keinesfalls“ davon ausgehen können, Erbin zu werden, finden schon im Hinblick auf den festgestellten Inhalt des Testaments der Mutter in den Feststellungen keine Grundlage.

3. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass sich der Vorsatz des Schuldners nur auf die Obliegenheitsverletzung beziehen muss, während die weitere in § 216 Abs 1 KO normierte Widerrufsvoraussetzung, dass durch sie die Interessen der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt werden, vom Vorsatz nicht umfasst sein muss, wird von der Schuldnerin in ihrem Rechtsmittel nicht bekämpft, sodass darauf nicht einzugehen ist.

Wenn das Rekursgericht aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht beanstandeten Rechtsansicht das Verfahren für ergänzungsbedürftig erachtet, kann der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten (8 Ob 124/12m mwH).

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war der Rekurs daher zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00034.15F.0730.000