OGH vom 23.04.2019, 11Os43/19m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Khalid S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2, Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Khalid S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 39 Hv 97/18s-272, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im den Angeklagten Badr H***** betreffenden Ausspruch über die Einziehung einer Briefwaage aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten S***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant, wurde mit dem angefochtenen Urteil Khalid S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2, Z 3 SMG (A/I), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (A/II) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (A/III) schuldig erkannt.
Danach hat er
(A) in I***** und an anderen Orten – teils gemeinsam mit einem abgesondert verfolgten Mittäter (§ 12 StGB) – als Mitglied einer (aus ihm, drei im Urteil namentlich genannten und weiteren unbekannt gebliebenen Personen bestehenden) kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) – zu I (und zu III) je deren Fünfzehnfaches – übersteigenden Menge
I) eingeführt, indem er Anfang Februar 2018 unbekannte Lieferanten (1) und vor dem Raduan E***** und Aziz Ha***** (2) jeweils gegen Zusage der Bezahlung und Übernahme des Suchtgifts dazu bestimmte, insgesamt 295 Gramm (reines) Cocain von Italien nach Österreich zu verbringen;
II) am mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar durch Übernahme von durch Raduan E***** und Aziz Ha***** aus Italien eingeführten 155 Gramm (reines) Cocain;
III) anderen überlassen, indem er von Ende 2017 bis in wiederholten Angriffen im Urteil genannten (nachgeordneten) Mitgliedern der kriminellen Vereinigung sowie abgesondert verfolgten und unbekannt gebliebenen Abnehmern insgesamt 280 Gramm (reines) Cocain sowie 92 Gramm THC gegen Bezahlung übergab.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S**********.
Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider steht die Nichtaufnahme eines Protokolls über die Hauptverhandlung, nicht aber dessen Inhalt unter Nichtigkeitssanktion (vgl RIS-Justiz RS0099003, RS0113211; Danek, WK-StPO § 271 Rz 4 f; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 262). Die relevierten Protokollierungsmängel (ON 270 S 25) sind allein Gegenstand eines darauf bezogenen Berichtigungsantrags (§ 271 Abs 7 StPO; hier ON 310, der abweisliche Beschluss ON 315 blieb unbekämpft).
Die – gegen die Annahme einer Tatbegehung im Rahmen der kriminellen Vereinigung gerichtete – Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) legt nicht dar, weshalb es auf den (rechtskräftigen) Abschluss der gegen weitere Mitglieder dieser Vereinigung gesondert geführten Strafverfahren ankäme (RIS-Justiz RS0099391; Schmoller, WK-StPO § 15 Rz 13 ff). „Allfällige Ergebnisse“ der – in der Hauptverhandlung nicht verlesenen – Akten AZ 27 Hv 19/17f des Landesgerichts Innsbruck wurden von den Tatrichtern zur Begründung der hier kritisierten Annahmen nicht herangezogen (US 14 und 26), sodass das darauf bezogene Vorbringen ohne Bezug zu den Entscheidungsgründen bleibt. Warum die kritisierten Konstatierungen nicht aus dem äußeren Tatgeschehen im Zusammenhalt mit dem von den Tatrichtern in der Hauptverhandlung vom Beschwerdeführer sowie den abgesondert verfolgten Achraf F***** und Anass A***** gewonnenen persönlichen Eindruck (US 26) erschlossen werden konnten, macht die Rüge nicht klar.
Aus welchem Grund die Feststellung der Überlassung von Suchtgift durch den Beschwerdeführer an die als „Zwischenhändler“ erachteten Anass A***** und Abdelali R***** (US 14 f und 22 ff) in einem (aus Z 5 dritter Fall relevanten) Widerspruch zur Annahme einer durch diese (und weitere) Personen gebildeten kriminellen Vereinigung (US 13 f) stehen sollte, bleibt unerfindlich.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) zu dieser Qualifikation vermag mit Hinweisen auf Achraf F***** und Anass A***** betreffende Umstände keine entscheidenden Tatsachen zu relevieren, weil die übrigen Mitglieder (s oben) davon unberührt bleiben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil im den Angeklagten Badr H***** betreffenden Ausspruch über die Einziehung einer Briefwaage (US 9 iVm ON 212 S 3; vgl auch US 29) nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 2 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO anhaftet, weil dem Urteil – mangels Feststellungen zu einer (zumindest intendierten) Verwendung dieser Waage zur Deliktsbegehung sowie ihrer besonderen Deliktstauglichkeit (RISJustiz RS0090389, RS0121298; Ratz in WK2 StGB § 26 Rz 3, 12 f und 18) – keine hinreichenden Entscheidungsgrundlagen zu dieser Maßnahme zu entnehmen sind. Im Übrigen geht aus dem Urteil auch nicht hervor, dass die Waage – auf deren Ausfolgung nach dem Akteninhalt nicht verzichtet wurde (vgl RISJustiz RS0088201 [T14]) – zur Zeit der Entscheidung im Eigentum des Badr H***** gestanden wäre (§ 19a Abs 1 StGB).
In diesem Umfang war das Urteil daher (ebenfalls in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur) aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00043.19M.0423.000 |
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