OGH vom 10.05.2016, 10ObS28/16i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 2/16t 13, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die Ausgleichszulage ist ein Differenzbetrag, der gemäß § 292 Abs 1 ASVG einem Pensionsberechtigten gebührt, wenn die Summe aus (Brutto-)Pension und sonstigen Nettoeinkünften unter Berücksichtigung gewisser Unterhaltsansprüche sowie des Nettoeinkommens des/der Ehegatten/Ehegattin (eingetragenen Partners/Partnerin) einen bestimmten Mindestbetrag, den Richtsatz (§ 293 Abs 1 ASVG) nicht erreicht ( Pfeil in SV Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 2).
1.2 Das Ausgleichszulagenrecht geht von einem umfassenden Einkommensbegriff aus. Bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage sind grundsätzlich sämtliche Einkünfte des Pensionsberechtigten in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge zu berücksichtigen (§ 292 Abs 3 ASVG). Es kommt nicht darauf an, aus welchem Titel und von wem die Einkünfte zufließen, ob sie dem Empfänger für oder ohne Gegenleistung zufließen und ob sie allenfalls der Steuerpflicht unterliegen (RIS Justiz RS0085296). In diesem Sinn werden auch wiederkehrende Sachbezüge erfasst (RIS Justiz RS0085296 [T3]).
1.3 Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass der Ausgleichszulagenwerber wie hier die Klägerin in einer Lebensgemeinschaft lebt. Auch im Fall einer Lebensgemeinschaft kommt daher nur die Berücksichtigung im Einzelnen festgestellter, bedarfsmindernder Zuwendungen des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) in Betracht (10 ObS 271/03f, SSV NF 19/48; 10 ObS 147/15p; 10 ObS 9/16w, jeweils mit weiteren Hinweisen).
2.1 Die Revisionswerberin lebt seit vielen Jahren gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten in einer von ihr gemieteten Wohnung. Sie trägt ua insbesondere die Kosten dieser Wohnung allein. Ihr Lebensgefährte trägt zumindest 80 % der Kosten für Lebensmittel, Kosmetik und Hygieneartikel und dergleichen, stellt sein Fahrzeug auch für gemeinsame Fahrten mit der Klägerin zur Verfügung, schafft Elektrogeräte und Fernseher an und übernimmt Kosten für etwaige Sanierungs und Instandhaltungsarbeiten in der Wohnung.
2.2 Das Berufungsgericht hat unter Beachtung der oben dargestellten Rechtsprechung die der Klägerin durch ihren Lebensgefährten zukommenden Einkünfte (Geld und Sachleistungen) bei der Berechnung der Höhe der der Klägerin gebührenden Ausgleichszulage berücksichtigt. Die Klägerin wendet sich in ihrem Rechtsmittel nicht gegen die von den Vorinstanzen vorgenommene Bemessung der Höhe der einzelnen Geld und Sachleistungen des Lebensgefährten an die Klägerin.
2.3 In ihrer Revision macht die Klägerin vielmehr als erhebliche Rechtsfrage allein geltend, dass sie mit ihrem Lebensgefährten auch in einer Wirtschaftsgemeinschaft lebe, in der auch sie erhebliche Leistungen erbringe. Im Rahmen dieser Wirtschaftsgemeinschaft seien die von der Klägerin erbrachten Leistungen und jene ihres Lebensgefährten nicht isoliert zu betrachten sondern gemeinsam. Nur ein danach sich ergebender allfälliger Überhang zu Gunsten der Klägerin dürfe bei der Berechnung der Ausgleichszulage berücksichtigt werden.
2.4 Damit zeigt die Klägerin jedoch keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Der Oberste Gerichtshof hat dazu erst jüngst in der Entscheidung 10 ObS 147/15p ua folgendes ausgeführt:
„Es trifft zwar zu, dass es auch durch ein gemeinsames Wirtschaften von Lebensgefährten in der Regel zu einer tatsächlichen Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung kommt (vgl 10 ObS 244/98z, SSV NF 12/96 = DRdA 1999/20, 192 [ Kerschner ] = ZAS 1999/11, 115 [ Brodil ] ua), weil es bei einer gemeinsamen Haushaltsführung nicht unbeträchtliche Einsparmöglichkeiten und hauswirtschaftliche Synergien gibt. Es wurde in der Rechtsprechung aber ebenfalls bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgleichszulage anders als bei der Notstandshilfe (vgl § 36 Abs 2 und 3 AlVG) darauf verzichtet hat, das Einkommen des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) anzurechnen und somit eine Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) bei der Prüfung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nicht vorgesehen ist (10 ObS 271/03f, SSV NF 19/48; Pfeil in SV Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 24). Im Ausgleichszulagenrecht fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dem Ausgleichszulagenbezieher unter Anwendung des Familienrichtsatzes das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) nach der Art einer zwischen Ehegatten (eingetragenen Partnern), die im gemeinsamen Haushalt leben, bestehenden engen Wirtschaftsgemeinschaft zuzurechnen.“
3. Während somit der Gesetzgeber Ehegatten sowie eingetragene Partner, die im gemeinsamen Haushalt leben, für den Anspruch auf Ausgleichszulage als Wirtschaftsgemeinschaft behandelt (vgl 10 ObS 105/01s, SSV NF 15/59), trifft dies nach der zitierten ständigen Rechtsprechung auf im gemeinsamen Haushalt lebende Lebensgefährten nicht zu. Bei der Ausgleichszulage hat daher der Gesetzgeber anders als bei der Ehe bzw der eingetragenen Partnerschaft (vgl § 292 Abs 2 ASVG) darauf verzichtet, das Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten anzurechnen. Da die Ausgleichszulage einer Mindestversorgung des Pensionsberechtigten dient und rechtlich eine Leistung mit Fürsorgecharakter darstellt (vgl RIS Justiz RS0085127), ist jedoch zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die von der Ausgleichszulage angestrebte Mindestversorgung bereits durch die Lebensgemeinschaft gewährleistet ist oder nicht. In diesem Sinne sind auf den Anspruch eines Pensionsberechtigten auf Ausgleichszulage nach der ebenfalls bereits zitierten ständigen Rechtsprechung bedarfsmindernde Zuwendungen des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) anzurechnen. Da der Gesetzgeber eine zwischen Lebensgefährten bestehende Wirtschaftsgemeinschaft für den Anspruch auf Ausgleichszulage daher nicht berücksichtigt, führt entgegen der Rechtsansicht der Klägerin auch der Umstand, dass sie den Aufwand für die nach ihren eigenen Angaben von ihr allein gemietete Wohnung trägt, nicht zu einem von ihr im Rahmen der Berücksichtigung einer mit ihrem Lebensgefährten bestehenden Wirtschaftsgemeinschaft als notwendig erachteten „Ausgleich“ mit den von ihrem Lebensgefährten für die Klägerin erbrachten bedarfsmindernden Zuwendungen.
4. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Klägerin daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00028.16I.0510.000