OGH vom 03.10.2016, 17Os16/16f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marco H***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom , GZ 38 Hv 19/15g 22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marco H***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (III) und jeweils eines Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1, Abs 4 StGB (I) sowie der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er am in B*****
(I) in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei, nämlich „im Verfahren der Polizeiinspektion W***** [richtig: B***** – vgl US 3] gegen unbekannte Täter wegen §§ 127, 129 StGB“, als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die (US 3: wahrheitswidrige) Behauptung, Unbekannte hätten am versucht, in sein Wohnhaus einzubrechen und er habe (vgl US 3: aufgrund eines dadurch verursachten Schadens am Zylinderschloss) einen Schlüsseldienst mit der Öffnung der Eingangstür beauftragt, falsch ausgesagt;
(II) durch die vom Schuldspruch I erfasste Tat (vgl US 3: einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten) die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich eines Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 StGB, wissentlich vorgetäuscht;
(III) mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Recht auf Strafverfolgung und Aufklärung des Verdachts begangener Straftaten zu schädigen, den Beamten der Polizeiinspektion B***** Reinhard F***** durch die Aufforderung, die vom Angeklagten „erstattete Anzeige gegen unbekannte Täter wegen §§ 15, 127, 129 StGB zu vergessen und wegzuwerfen“, wissentlich zu bestimmen versucht, von einer „Anzeigenerstattung“ gegen den Angeklagten „nach der Strafprozessordnung betreffend seiner unter Pkt. I. und II. angeführten Straftaten“ Abstand zu nehmen, mithin seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen tätigte der Angeklagte seine von den Schuldsprüchen I und II erfasste (Falsch )Aussage im Zuge seiner polizeilichen Vernehmung als Zeuge. Der damit befasste Polizeibeamte errichtete hierüber eine Niederschrift, die der Angeklagte unterfertigte (US 3). Danach beschloss der Polizeibeamte, den (behaupteten) Tatort selbst zu besichtigen, begab sich in Begleitung des Beschwerdeführers zu dessen Wohnhaus und erkannte dort, dass die Eingangstür augenscheinlich – den Angaben des Angeklagten widersprechend – kein neues Zylinderschloss aufwies. Erst mit dieser Erkenntnis konfrontiert räumte der Angeklagte schließlich die wahre Sachlage ein (US 4).
Zu Schuldspruch I beruft sich der Beschwerdeführer mit dem Einwand, seine Aussage sollte „später fortgesetzt“ werden und sei daher zum Zeitpunkt ihrer Richtigstellung durch den Angeklagten noch nicht beendet gewesen, auf den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 291 StGB). Indem er dabei – ohne einen Feststellungsmangel (RIS-Justiz RS0118580) auch nur zu behaupten – den Urteilssachverhalt durch eigene Auffassungen ergänzt, verfehlt er die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten (materiellen) Nichtigkeitsgrundes ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 584, 593).
Auf Basis der Urteilskonstatierungen war die Vernehmung übrigens mit der Unterfertigung des darüber aufgenommenen Protokolls durch den Angeklagten beendet (und nicht bloß unterbrochen; vgl § 96 Abs 1 Z 6, Abs 4 letzter Satz StPO; RIS Justiz RS0096377; Plöchl/Seidl in WK 2 StGB § 291 Rz 3; Tipold SbgK § 291 Rz 10), sodass tätige Reue ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht kam (§ 291 StGB).
Weshalb ihm in Ansehung des Schuldspruchs II – trotz des festgestellten (US 4, 6) polizeilichen Ermittlungsschritts (§ 91 Abs 2 StPO; Pilnacek/Swiderski in WK 2 StGB § 298 Rz 22) – tätige Reue im Sinn des § 298 Abs 2 StGB zustatten kommen sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar (siehe aber RIS Justiz RS0116565).
Der Sache nach aus Z 9 lit a reklamiert die Beschwerde zu Schuldspruch III absolute Untauglichkeit des Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB), weil es sich beim Wortlaut der Aufforderung des Angeklagten gegenüber dem Beamten um eine „lediglich allgemeine Floskel“ handle. Aus welchem Grund aber bei dem konstatierten – vom Willen, der Strafverfolgung zu entgehen, getragenen (US 5) – wiederholten Drängen, er solle „das halt vergessen“, „die erstattete Anzeige wegwerfen“ (US 4 f) und von der „Anzeigenerstattung“ gegen ihn Abstand nehmen (US 2, 5), eine dem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich gewesen sein sollte, sohin unter keinen Umständen hätte erwartet werden können ( Hager/Massauer in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 70; RIS-Justiz RS0102826, RS0115363), wird nicht erklärt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0170OS00016.16F.1003.000