OGH vom 28.10.2014, 13Ns56/14k

OGH vom 28.10.2014, 13Ns56/14k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in der Finanzstrafsache gegen Peter S***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG, AZ 9 Hv 61/14v des Landesgerichts Ried im Innkreis, über Vorlage durch das Oberlandesgericht Linz, AZ 9 Bs 226/14w, gemäß §§ 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz, 215 Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 60 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo. 2005) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.

Text

Gründe:

Mit Anklageschrift vom (ON 10) legt die Staatsanwaltschaft Salzburg Peter S***** ein als Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG qualifiziertes Verhalten zur Last. Demnach habe er von 4. bis in St. M***** gewerbsmäßig unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflicht dadurch, dass er verbrauchsteuerpflichtige Waren, nämlich 327.545 Liter Dieselkraftstoff, aus Rumänien nach Österreich importiert und im Steuergebiet der T***** GmbH verkauft habe, „durch Unterlassen der ordnungsgemäßen Anzeige nach § 23 Abs 1 und 6 MinStG bzw der Abfuhr der selbst zu berechnenden Mineralölsteuer in Höhe von EUR 139.206,23“ eine Abgabenverkürzung in dieser Höhe bewirkt.

Ein Einspruch dagegen liegt nicht vor.

Der Akt wurde vom Vorsitzenden des Schöffengerichts wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Ried im Innkreis gemäß § 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz StPO dem Oberlandesgericht Linz und von diesem weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei nach Verneinen des Vorliegens der in § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO genannten Einspruchsgründe (vgl RIS Justiz RS0124585) gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz (iVm § 213 Abs 6 dritter Satz) StPO dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.

Wird Mineralöl aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates (des EG Verbrauchsteuergebiets § 2a Z 4 MinStG) zu gewerblichen Zwecken bezogen, entsteht die Steuerschuld gemäß (dem hier zufolge der Subsidiaritätsregelung des § 21 Abs 1 MinStG ausschließlich zur Anwendung kommenden) § 41 Abs 1 MinStG dadurch, dass der Bezieher das Mineralöl im Steuergebiet (also in Österreich) in Empfang nimmt (Z 1) oder das außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommene Mineralöl in das Steuergebiet verbringt oder verbringen lässt (Z 2). Steuerschuldner ist der Bezieher und jede Person, in deren Gewahrsame sich das Mineralöl befindet. Nach dem Anklagesachverhalt habe die D***** GmbH, deren Geschäftsführer der Angeklagte ist, den Dieselkraftstoff im freien Verkehr in Rumänien gekauft (dort über ihn die Verfügungsmacht übernommen) und anschließend nach Österreich importiert, weshalb vorliegend die Steuerschuld nach dem Anknüpfungstatbestand des § 41 Abs 1 Z 2 MinStG entstanden ist (vgl auch ON 6 S 9). Demgemäß sind die den Angeklagten treffenden abgabenrechtlichen Pflichten nicht wie mit Blick auf den Anklagetenor angemerkt wird in (dem an die Entstehung der Steuerschuld gemäß § 21 MinStG anknüpfenden) § 23 Abs 1 und 6 MinStG, sondern (von den vorlegenden Gerichten zutreffend erkannt) in § 41 Abs 5 MinStG geregelt. Danach hat der Steuerschuldner (soweit hier von Bedeutung) unverzüglich bei dem Zollamt, in dessen Bereich er seinen Geschäfts oder Wohnsitz hat, eine Steueranmeldung abzugeben, die Steuer (selbst) zu berechnen und diese bis zum 25. des auf das Entstehen der Steuerschuld folgenden Kalendermonats zu entrichten. Wird das Verfahren „nach Abs. 3“ (bestehend insbesondere aus der vorherigen Anzeige des geplanten Mineralölbezugs und einer Sicherheitsleistung für die Steuer) wie (nach der Aktenlage) hier nicht eingehalten, ist die Steuer unverzüglich zu entrichten.

Gemäß § 195 Abs 1 FinStrG gelten im Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Finanzvergehen grundsätzlich die Bestimmungen (also auch die Zuständigkeitsregeln) der Strafprozessordnung. Primärer Anknüpfungspunkt der örtlichen Zuständigkeit ist gemäß § 36 Abs 3 StPO der Ort der Tatausführung. Im (hier gegebenen) Fall des Unterlassens ist jener Ort maßgeblich, an dem der Täter den Tatbestand durch das pflichtwidrige Nichthandeln verwirklicht hat ( Nordmeyer , WK StPO § 25 Rz 1 mwN). Bei der Mineralölsteuer handelt es sich um eine Selbstberechnungsabgabe (nicht Eingangsabgabe), weshalb sich der Tatort nach dem Vorgesagten nicht nach der Einfuhr des Kraftstoffs in das Steuergebiet oder der erstmaligen Empfangnahme in diesem (so die Anklageschrift), sondern nach dem Ort, an dem die Anmeldung und die Entrichtung der Steuer vorzunehmen gewesen wäre (also dem Zuständigkeitsbereich des Zollamts), richtet.

Der Sitz der Steuerschuldnerin (§ 41 Abs 5 erster Satz MinStG), also der D***** GmbH, befindet sich, wie die vorlegenden Gerichte im Einklang mit der Aktenlage (vgl ON 6 S 5) festgehalten haben, in Wien. Die Steuer wäre daher beim Zollamt Wien (§ 11 Abs 1 AVOG 2010 DV) anzumelden und zu entrichten gewesen. Der aus der inkriminierten Verletzung der in § 41 Abs 5 MinStG normierten abgabenrechtlichen Pflichten resultierende Tatort liegt somit in Wien.

Rechtliche Beurteilung

Die Sache war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur dem Oberlandesgericht Wien zu übermitteln, das gemäß § 215 Abs 4 erster Satz StPO die Sache dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen hat.

Bleibt anzumerken, dass durch jedes Unterlassen der unverzüglichen Anmeldung und Entrichtung der im Zusammenhang mit der Verbringung von Kraftstoff in das Steuergebiet entstehenden (selbst zu berechnenden) Mineralölsteuer eine selbständige Tat im Sinn des § 21 Abs 1 FinStrG begangen wird. Hat der Täter das inkriminierte Verhalten im Zusammenhang mit mehreren selbständigen Lieferungen gesetzt (vgl ON 6 S 5), liegen ihm mehrere Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung zur Last (zur vergleichbaren Konstellation bei der Kapitalertragsteuer RIS Justiz RS0124712 T4).

Überdies wird zu beachten sein, dass § 4 Abs 2 FinStrG (anders als § 61 StGB) grundsätzlich die Anwendung des Tatzeitrechts (hier §§ 33 und 38 FinStrG idF BGBl I 2010/104) anordnet, außer die im Urteilszeitpunkt geltende Rechtslage wäre (was hier nicht der Fall ist) günstiger.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0130NS00056.14K.1028.000