OGH vom 25.08.2020, 8Ob33/20s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers C*****, vertreten durch Mag. Julia Mair, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner M***** B*****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Georg Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 4/20m-331, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 8 Pu 305/11t-320, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist der am geborene und somit während des Rekursverfahrens volljährig gewordene Sohn des Antragsgegners. Beide Parteien haben gesundheitliche Probleme. Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom , ON 221, wurde der Antragsgegner dazu verpflichtet, dem Antragsteller beginnend ab bis auf weiteres einen monatlichen Unterhalt von 225 EUR zu leisten. Der Antragsgegner erhöhte den Unterhaltsbetrag freiwillig ab auf monatlich 284 EUR.
Der Antragsteller stellte am , ON 260, vertreten von seiner damals noch obsorgeberechtigten Mutter, einen Antrag auf Erhöhung und Nachzahlung des Unterhalts und auf Zuerkennung von Sonderbedarf. Mit Schriftsatz vom , ON 307, erfolgte eine ziffernmäßige Bestimmung dieses Antrags. Begehrt wurde im Wesentlichen für den Zeitraum ab eine Erhöhung des Unterhalts auf den jeweiligen Regelbedarf und ein Betrag von insgesamt 24.929,13 EUR für (näher aufgeschlüsselten) Sonderbedarf.
Das Erstgericht stellte – soweit für das Verständnis dieser Entscheidung von Bedeutung – fest, dass der Antragsgegner eine Berufsunfähigkeitspension von zuletzt durchschnittlich – inklusive anteiliger Sonderzahlungen – netto 1.359,12 EUR bezieht, eine von ihm selbst bewohnte Eigentumswohnung besitzt und Guthaben auf (auch Spar-)Bankkonten hat, deren Gesamtbetrag von 3.825,48 EUR per auf zuletzt (Stand ) 11.595,18 EUR anwuchs. Vermögenserträgnisse sind unter Berücksichtigung der KESt und der Kontogebühren nicht vorhanden. Von diesen sowie weiteren Feststellungen ausgehend erhöhte das Erstgericht die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners zeitlich gestaffelt auf letztlich – beginnend ab – 305 EUR und verpflichtete diesen – jeweils samt Zinsen – zur Entrichtung der bis zur Rechtskraft des Beschlusses aufgelaufenen Rückstände und zur Zahlung eines Betrags von 9.139,46 EUR für Sonderbedarf. Den Mehrbegehren des Antragstellers blieb der Erfolg versagt. Das Erstgericht legte seiner Unterhaltsentscheidung die Prozentsatzmethode zugrunde. Hinsichtlich des Vermögensstammes vertrat es die Ansicht, dieser könne im gegenständlichen Fall nicht zur Berechnung des Unterhalts herangezogen werden.
Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Dass der Vater die ihm verbleibenden Einkünfte dazu nutze, eine Krankenzusatzversicherung bzw eine Lebensversicherung zu bezahlen, stehe ihm frei, ohne dass dies dazu führe, dass dem Minderjährigen höhere Unterhaltszahlungen zustünden. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu. Im Hinblick auf die Erkrankung des Antragsgegners sei dessen Vorsorge durch einen Notgroschen zwar sinnvoll und die Entscheidung des Erstgerichts in diesem Lichte angemessen. Im Revisionsrekurs werde dem Rekursgericht aber hinsichtlich der verneinten Verpflichtung des Antragsgegners zur Heranziehung des Stammes seines Vermögens eine auffallende Fehlbeurteilung zur Last gelegt, weshalb der Revisionsrekurs zuzulassen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts – nicht zulässig. Das ist wie folgt kurz (§ 71 Abs 3 AußStrG) zu begründen:
1. Als Unterhaltsbemessungsgrundlage dient in der Regel – wie auch bereits in der in dieser Familienrechtssache ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 8 Ob 140/05d (ON 25), festgehalten – das nach spezifisch unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelte tatsächliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen. Soweit nicht Anhaltspunkte für schuldhaftes Mindereinkommen vorliegen (4 Ob 86/11t = EF-Z 2012/72 [Gitschthaler]) besteht keine Veranlassung, von diesem Grundsatz abzugehen (vgl RIS-Justiz RS0113786).
Einkommen ist die Summe aller tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder Geldwertleistungen, über die er frei verfügen kann oder die zumindest seine Bedürfnisse verringern. Ausgenommen sind gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossene sowie solche Einnahmen, die zur Gänze dem Ausgleich eines tatsächlichen Mehraufwands dienen. Erträgnisse eines Vermögens sind als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn das Vermögen dauernden Ertrag abwirft; anrechenbare Vermögenserträgnisse sind etwa Zinsen aus Kapitalvermögen (7 Ob 166/10b; 3 Ob 9/19y [Pkt 2.1] = iFamZ 2019/123 [Deixler-Hübner)]; RS0113786 [T5]).
An diesen Grundsätzen orientierten sich die Vorinstanzen. Erträgnisse eines Vermögens des Antragsgegners liegen nach den Feststellungen nicht vor. Ebensowenig sind Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Mindereinkommen des Antragsgegners vorhanden.
2.1. Der Vermögensstamm des Unterhaltspflichtigen ist nach herrschender Auffassung für den Unterhalt regelmäßig ohne Belang. Er ist ausnahmsweise bei der Unterhaltsbemessung dann zu berücksichtigen, wenn – erster Ausnahmefall – die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden können, wobei der Durchschnittsbedarfssatz („Regelbedarf“) einen Richtwert für den „erforderlichen“ Unterhalt darstellt, oder – zweiter Ausnahmefall – wenn der Unterhaltspflichtige selbst die Substanz seines Vermögens heranzieht, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken und den für die Lebensführung verwendeten Beträgen im Ergebnis jeweils (zusätzliche) Einkommensfunktion für zuordenbare Perioden zukommt (3 Ob 172/16i = EF-Z 2017/55 [Gitschthaler] mwN; vgl auch RS0047494; RS0113786; RS0117850).
2.2. Der Antragsteller beruft sich im Revisionsrekurs auf den ersten Ausnahmefall, wenn er ins Treffen führt, dass der ihm nach der Prozentsatzmethode von den Vorinstanzen zuerkannte monatliche Unterhalt deutlich den Regelbedarf unterschreitet (nämlich nur rund zwei Drittel von diesem ausmacht). Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Regelbedarf für den erforderlichen Unterhalt zumindest einen Richtwert darstellt (3 Ob 172/16i [Pkt 2.2]) und nicht ersichtlich ist, warum der erforderliche Unterhalt des Antragstellers hier nicht den Regelbedarf erreichen soll, ergibt sich damit noch nicht die Berechtigung von dessen Standpunkt. Weitere Voraussetzung für die Heranziehung des Vermögensstammes ist nämlich, dass sie – unter Anlegung des Maßstabes eines pflichtbewussten, mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils – dem Unterhaltsverpflichteten zumutbar ist (RS0047470; Hopf/Stefula in KBB6§ 231 ABGB Rz 14; Limberg in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06§ 231 Rz 11). Im vorliegenden Fall besteht der Vermögensstamm zum einen aus der vom Antragsgegner selbst bewohnten Eigentumswohnung. Nach der Rechtsprechung ist die Veräußerung oder Belastung einer Liegenschaft (oder Eigentumswohnung) dem Unterhaltspflichtigen jedenfalls dann nicht zumutbar, wenn damit der Verlust der Deckung des dringenden eigenen Wohnbedürfnisses verbunden ist (9 Ob 60/98h mwN). Davon ist hier aber nach dem festgestellten Sachverhalt auszugehen. Das übrige Vermögen des Antragsgegners stellen Bankguthaben im Gesamtwert von 11.595,18 EUR per dar. Schon weil der Antragsgegner von den Vorinstanzen dazu verpflichtet wurde, dem Antragsteller für Sonderbedarf 9.139,46 EUR zu zahlen, ist sein in Geld bestehender Vermögensstamm wirtschaftlich betrachtet fast zur Gänze aufgebraucht, sodass für eine weitere Heranziehung desselben kein Raum verbleibt.
Der Antragsteller macht insgesamt keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG geltend; sein Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG. Im Revisionsrekursverfahren war der Antragsteller bereits volljährig, sodass für dieses die genannte Kostenersatzregelung und nicht mehr § 101 Abs 2 AußStrG Anwendung findet (9 Ob 71/06s = EF-Z 2008/16 [Gitschthaler]; 8 Ob 102/11z; RS0123811; Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 I § 101 Rz 79 mwN). Dem mit seinem – substantiierten – Begehren auf Zurückweisung des Revisionsrekurses erfolgreichen Revisionsrekursgegner stehen daher die Kosten seiner Rechtsmittelbeantwortung zu. Die Bemessungsgrundlage dafür bestimmt sich nach § 9 Abs 3 RATG. Bei einem Begehren auch auf Erhöhung des laufenden Unterhalts ist Bemessungsgrundlage grundsätzlich das Zwölffache der begehrten Differenz. Werden neben dem laufenden Unterhalt rückständige Beträge begehrt, so sind diese nicht in die Bemessungsgrundlage einzurechnen. Es bleibt bei der einfachen Jahresleistung. Hinzuzuzählen ist jedoch der begehrte Sonderbedarf (1 Ob 134/09a; 1 Ob 57/16p; RS0121989; Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 I § 78 Rz 96, 98; ders, Kostenhandbuch3 Rz 2.20 [je mwN]). Ab beträgt der zugesprochene monatliche Unterhalt 305 EUR, der vom Antragsteller (erfolglos) begehrte 463 EUR. Das Zwölffache der Differenz sind 1.896 EUR. Dies addiert mit dem erfolglosen Sonderbedarfsmehrbegehren ergibt einen den verzeichneten Ansatz von 13.070 EUR übersteigenden Betrag, sodass die verzeichneten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung nicht zu beanstanden sind.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00033.20S.0825.000 |
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