OGH vom 03.10.2000, 10ObS279/00b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Gründler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter R*****, vertreten durch Dr. Gabriele Schubert, Rechtsanwältin in Baden, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 130/00d-10, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 4 Cgs 4/00y-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Kläger beantragte am die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension und stellte gleichzeitig den Antrag auf Selbstversicherung und Nachkauf von sechs Schulmonaten. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Nachkaufes von Schulzeiten und den Beitrag zur Selbstversicherung für einen Monat mit insgesamt S 24.583,20 mitgeteilt. Der Kläger äußerte sich dahingehend, dass er die Beiträge unter der Voraussetzung, dass Berufsunfähigkeit vorliege, binnen drei Monaten nach dem Erhalt der jeweiligen Bewilligung einzahlen werde.
Daraufhin erkannte die beklagte Partei mit Bescheid vom , dass der Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen und mangels Vorliegens von Berufsunfähigkeit abgelehnt werde.
Dagegen richtet sich die vom Erstgericht abgewiesene Klage, mit der die Bereitschaft zur Einzahlung der für den Nachkauf der Versicherungsmonate notwendigen Beträge erklärt wird.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mangels Erfüllung der Wartezeit und wendete auch ein, dass ein vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und im Wesentlichen unveränderter körperlicher und/oder geistiger Zustand nicht zum Eintritt des Versicherungsfalles führen könne.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Erfüllung der Wartezeit ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Es verneinte eine Verpflichtung des Erstgerichtes, den Kläger zur Stellung eines Feststellungsbegehrens auf Vorliegen der Berufsunfähigkeit anzuleiten; das ASVG kenne nämlich keine dem § 133a GSVG vergleichbare Bestimmung, die einen Feststellungsanspruch einräume. Mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit könne dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für die Annahme der Berufsunfähigkeit erfüllt seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungs- bzw das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionswerber stellt nicht in Frage, dass die Anspruchsvoraussetzung der Erfüllung der Wartezeit für einen Anspruch auf die Leistung einer Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 1 Z 2 ASVG nicht erfüllt sei. Er vertritt jedoch den Standpunkt, ungeachtet dessen wäre die Frage des Bestehens einer Berufsunfähigkeit im Sinne des § 273 Abs 1 ASVG zu prüfen und hierüber (allenfalls nach einer nach gerichtlicher Anleitung vorzunehmenden Modifikation des Begehrens durch ihn) eine feststellende Entscheidung zu treffen gewesen. Nur auf diese Weise würde für ihn eine Grundlage für die Entscheidung geschaffen, ob er die von der beklagten Partei bekannt gegebenen Beiträge zur Selbstversicherung tatsächlich leisten solle; es könne von ihm nicht verlangt werden, die Einzahlung ohne Gewähr dafür vorzunehmen, dass ihm später auch die begehrte Leistung gewährt werde.
Einen solchen Feststellungsanspruch sieht das ASVG jedoch nicht vor. Aufgrund des durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz (SRÄG 1991, BGBl 1991/157) eingeführten und bereits durch die 51. Novelle zum ASVG (BGBl 1993/335) seit wieder aus dem Rechtsbestand ausgeschiedenen § 273a ASVG bestand die Möglichkeit, die verbindliche Feststellung der Berufsunfähigkeit zu begehren, wenn der Versicherte am Stichtag in der Pensionsversicherung nach dem ASVG, GSVG oder BSVG pflichtversichert war (SZ 67/164 = SSV-NF 8/94; 10 ObS 195/94). Eine solche Feststellung ist, weil der Nichtbestand einer Pflichtversicherung am Stichtag seit keine Anspruchsvoraussetzung für die Berufsunfähigkeitspension mehr ist, überflüssig geworden (SSV-NF 7/129, 8/94). Voraussetzung für ein Feststellungsbegehren war aber auch in diesem Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Pensionsleistung - abgesehen vom Nichtbestand einer Pflichtversicherung - erfüllt waren. Waren sonstige Anspruchsvoraussetzungen - etwa die Wartezeit - nicht erfüllt, so bot auch § 273a keine Grundlage für eine Entscheidung über ein Begehren auf Feststellung der Berufsunfähigkeit.
Im Übrigen ist diese Bestimmung mit außer Kraft getreten. Aus dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz ergibt sich, dass die Sozialgerichte nur dann über ein Feststellungsbegehren entscheiden können, wenn die Bestimmungen über das Verfahren vor den Versicherungsträgern eine entsprechende (feststellende) Entscheidung in Leistungssachen vorsehen. Bei der Entscheidung über ein Feststellungsbegehren ist nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Stichtag, sondern immer auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen, sodass auch die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens zu diesem Zeitpunkt zu prüfen ist (fehlt in dem für den Versicherungsträger maßgeblichen Verfahren im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit einer feststellenden Entscheidung, dann ist das Feststellungsbegehren schon aus diesem Grund abzuweisen, ohne dass die Voraussetzungen des § 228 ZPO zu prüfen wären [SZ 67/164 = SSV-NF 8/94; SZ 69/79; SSV-NF 11/85]). Den Ausführungen des Klägers ist entgegenzuhalten, dass abgesehen davon, dass ein Feststellungsantrag nicht gestellt worden ist, eine im Verfahren vor den Versicherungsträgern geltende Bestimmung fehlt, die eine solche feststellende Entscheidung ermöglicht hätte und daher allenfalls eine Anleitung des Klägers auf Umformulierung seines Leistungsbegehrens in ein ein minus bildendes Feststellungsbegehren geboten gewesen wäre.
Auch die vom Kläger monierte analoge Anwendung des § 133a GSVG scheidet aus. Abgesehen davon, dass die Geschlossenheit der verschiedenen Systeme der Sozialversicherung für unselbständig Erwerbstätige einerseits und Selbständige andererseits die (analoge) Anwendung der für einen Bereich getroffenen Bestimmungen für den anderen Bereich regelmäßig nicht zulässt, fehlt auch eine für eine Analogie erforderliche Gesetzeslücke. Wie dargestellt hat der Gesetzgeber die Bestimmung des § 273a ASVG mit der 51. ASVGNov aufgehoben. Damit wurde zum Ausdruck gebracht, dass im Bereich des ASVG ein Feststellungsanspruch iSd früheren § 273a ASVG nicht bestehen soll. Das Fehlen einer dem § 133a GSVG entsprechenden Regelung im ASVG entspricht damit dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Dies steht aber einer analogen Anwendung der Bestimmung des § 133a GSVG entgegen (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht 11 Band 128).
Abgesehen davon wäre für den Kläger auch aus einer analogen Anwendung des § 133a GSVG nichts gewonnen, weil die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit nur erfolgen kann, wenn, abgesehen vom Fehlen einer Pflichtversicherung, die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung erfüllt sind (siehe dazu die obigen Ausführungen zur Bestimmung des § 273a ASVG [aF]). Da der Kläger die Wartezeit nicht erfüllt, würde auch die analoge Anwendung dieser Bestimmung keine Grundlage für ein Feststellungsbegehren in dem vom Kläger vertretenen Sinn bilden.
Soweit der Kläger argumentiert, es könne ihm nicht zugesonnen werden, die von der beklagten Partei bekanntgegebenen Beiträge zur Selbstversicherung zu zahlen, ohne sicher zu sein, im Weiteren tatsächlich eine Berufsunfähigkeitspension zu erhalten, übersieht er das auch dem Sozialversicherungsrecht innewohnende Versicherungsprinzip. Es ist dem gesamten Sozialversicherungssystem immanent, dass Beitragsleistungen zu erbringen sind, ohne dass eine Gewähr dafür besteht, dass dem später Leistungen gegenüberstehen. Während des Bestandes einer Pflichtversicherung sind etwa laufend Beiträge zur Pensionsversicherung zu leisten, ohne dass gesichert ist, dass später tatsächlich ein Pensionsanspruch entsteht; zufolge Ablebens vor Entstehung eines solchen Anspruches oder Nichterfüllung der Wartezeit kann es dazu kommen, dass ein Anspruch auf Leistungen aus der Pensionsversicherung nicht existent wird, ohne dass ein Anspruch auf Rückerstattung der Beiträge besteht. Dies entspricht dem grundsätzlichen Versicherungsprinzip, dass nicht aus jeder Beitragsleistung ein Leistungsanspruch erwächst.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.