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OGH vom 29.06.2017, 8ObA5/17v

OGH vom 29.06.2017, 8ObA5/17v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Nicolai Wohlmuth und Dr. Ingomar Stupar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch die Beer & Steinmair Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Plankel, Dr. Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 50.115,88 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 40.494,09 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 87/16d-67, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof war bereits wiederholt mit der Rückverrechnung bzw Rückforderung von Provisionsgutschriften gegen Handelsvertreter bzw Handelsagenten nach Nichteinlösung oder Stornierung vermittelter Verträge befasst (vgl etwa 8 ObA 20/11s; 8 ObA 20/14w; 8 ObA 19/15z; 9 ObA 10/14g; 9 ObA 47/15z; 8 ObA 54/16y).

Nach der einseitig zwingenden Bestimmung des § 9 Abs 2 HVertrG entsteht der Provisionsanspruch des Handelsvertreters spätestens mit Ausführung des Geschäfts, also mit Erbringung der vertragsgemäßen Leistung, durch den Kunden. Bei (periodisch) wiederkehrenden Kundenleistungen entsteht der Provisionsanspruch ab der erstmaligen (Prämien-)Zahlung jedenfalls zeitlich anteilsmäßig im Verhältnis zum liquidierten Prämienzeitraum. Bei Tätigwerden eines selbständigen Subvertreters entsteht dessen Provisionsanspruch dementsprechend mit der Zahlung der Provision aus dem ausgeführten Geschäft oder bei wiederkehrenden Kundenleistungen jedenfalls zeitlich anteilsmäßig mit der Zahlung der Provision aus der jeweiligen (Prämien-)Zahlung des Kunden durch die Produktgesellschaft an den Hauptvertreter (bzw Vermittler). Darüber hinausgehende vertragliche Bedingungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs sind unwirksam. Für den Vermittler (Agenten) im Verhältnis zur einseitig zwingenden Bestimmung des § 9 Abs 2 HVertrG günstigere vertragliche Regelungen bleiben dagegen nach dem Günstigkeitsprinzip aufrecht (siehe dazu 8 ObA 19/15z und 8 ObA 22/15s).

Ist der Provisionsanspruch bereits entstanden, so ist für die Frage des Entfalls bzw für die Rückforderbarkeit– außer es besteht eine Sonderregelung – die einseitig zwingende Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG maßgebend. Danach hat in jedem Fall der Unternehmer (Hauptvertreter bzw Vermittler) zu behaupten und zu beweisen, dass die Gründe für die nachträgliche Nichtausführung des Geschäfts (Stornierung bzw Vertragsänderung) nach objektiven Gesichtspunkten nicht in seine Sphäre bzw die Sphäre der Produktgesellschaft fallen.

2. Soweit der Beklagte aus den Entscheidungen 8 ObA 19/15z und 8 ObA 54/16y eine Judikaturdivergenz zu 9 ObA 47/15z in Bezug auf die Entstehung des Provisionsanspruchs bei periodisch wiederkehrenden Leistungen des Kunden ableiten will, kommt es darauf schon deshalb nicht an, weil die Vorinstanzen ohnehin im Sinn des Beklagten davon ausgegangen sind, dass (mit Ausnahme der Fälle, in denen überhaupt kein Vertrag zustande gekommen ist) entsprechend der zwischen den Parteien getroffenen (günstigeren) Vereinbarung die Provisionsansprüche des Beklagten durch den Abschluss des vermittelten Geschäfts und die Provisionszahlung durch den Produktanbieter an die Klägerin entstanden ist. Die Rückforderbarkeit wurde daher richtig jeweils nach § 9 Abs 3 HVertrG geprüft. Dass das Berufungsgericht die Rechtsansicht vertreten hätte, dass der Provisionsanspruch erst mit Ablauf der jeweiligen Stornohaftungszeit entsteht, ist unrichtig.

3. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RISJustiz RS0042828).

Der Beklagte verweist nur pauschal darauf, dass festzustellen gewesen wäre, welche Verträge storniert worden seien, wann dies erfolgt sei, ob die Klägerin an sie ausbezahlte Provision zurückgezahlt habe, in welcher Höhe dem Beklagten eine Provision zugeflossen sei und wie sich die rückzuzahlende Provision errechne und dass das Ersturteil diesen Anforderungen nicht entspreche. Angesicht der umfangreichen Feststellungen des Erstgerichts zu diesen Themenkomplexen zu jedem einzelnen Vertrag ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass das erstgerichtliche Urteil diesbezüglich den von der Judikatur geforderten Kriterien gerecht wird, nicht korrekturbedürftig. Nur beispielhaft kann etwa darauf verwiesen werden, dass allein die (teilweise mit einem Guthaben verrechnete) Rückforderung von 25.480,97 EUR aus Verträgen (unter anderem mit dem Beklagten selbst oder seiner Ehefrau) resultieren, bei denen trotz entsprechender Mahnungen keine (oder in einem Fall nur eine einzige) Prämie bezahlt wurde. Zu jedem einzelnen dieser Fälle wurden detaillierte Feststellungen auch betreffend der von der Klägerin an die Produktgesellschaft zurückbezahlten Provision getroffen. Weitere 1.863,90 EUR resultieren ebenfalls aus Verträgen, die der Beklagte selbst, seine Frau oder sein Sohn abgeschlossen haben. Dazu kommen 6.405,29 EUR aus der Nichteinlösung von Verträgen und weitere 7.117,12 EUR aus nicht in Zusammenhang mit Provisionen stehenden Forderungen der Klägerin.

Ob das Vorbringen der Klägerin als ausreichende Grundlage für diese Feststellungen anzusehen ist, ist – wie ausgeführt – eine Frage des Einzelfalls, die von den Vorinstanzen nicht unvertretbar gelöst wurde.

4. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00005.17V.0629.000
Schlagworte:
Arbeitsrecht

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