VfGH vom 12.12.2012, B450/11

VfGH vom 12.12.2012, B450/11

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Leitsatz

Verletzung in den Rechten auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch eine inhaltliche Entscheidung über einen Entschädigungsanspruch für eine Grundabtretung in das öffentliche Gut

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal und in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 355, KG Leesdorf, in Baden bei Wien. Aus Anlass einer vom Beschwerdeführer angezeigten Änderung der Grundstücksgrenzen gemäß § 10 NÖ BauO 1996 hat der Bürgermeister der Stadtgemeinde Baden dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom aufgetragen, eine Teilfläche des Grundstücks im Ausmaß von 201 m² kostenlos in das öffentliche Gut zu übertragen. In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheids wird als ordentliches Rechtmittel die beim Gemeindeamt der Stadtgemeinde Baden einzubringende Berufung angegeben.

2. Der Beschwerdeführer hat gegen den Bescheid fristgerecht eine an die Stadtgemeinde Baden gerichtete Berufung erhoben und diese wie folgt begründet:

"Die Berufung richtet sich ausschließlich gegen die mit diesem Bescheid verfügte kostenlose Abtretung einer Teilfläche aus dem GSt.Bfl. .355 KG Leesdorf in das öffentliche Gut der Gemeinde.

Gemäß § 12 Abs 1 NÖ Bauordnung 1996 sind Eigentümer

unter anderem verpflichtet, Grundflächen, die zwischen den Straßenfluchtlinien liegen und nicht mit einem Gebäudeteil bebaut sind, in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten, wenn die Änderung von Grundstücksgrenzen angezeigt wird. Für die abzutretende Grundstücksfläche gebührt nach § 12 Abs 2 leg cit keine Entschädigung, wenn an beiden Seiten der Verkehrsfläche Bauland angrenzt bis zur Mitte der Verkehrsfläche höchstens bis zu einer Breite von 7 Metern. Hingegen steht nach § 12 Abs 3 NÖ Bauordnung 1996 eine Entschädigung für die abzutretende Grundfläche zu, wenn das in § 12 Abs 2 leg cit angeführte Ausmaß überschritten wird. Wie in dem Schreiben [von Ing. Kons. f. Vermessungswesen] an die Stadtgemeinde Baden vom dargelegt wurde, sind die gemäß § 12 Abs 2 NÖ Bauordnung 1996 für eine entschädigungslose Grundstücksflächenabtretung vorgesehenen Grenzen im gegenständlichen Fall offensichtlich überschritten.

Ich stelle daher den Antrag, den angeführten Bescheid betreffend die kostenlose Abtretung einer Teilfläche (Ziffer 2 laut Teilungsplan) aus dem Grundstück GSt.Nr. .355 KG Leesdorf aufzuheben und für die abzutretende Grundstücksfläche eine Entschädigung gemäß § 12 Abs 4 NÖ Bauordnung 1996 festzusetzen. Als Grundlage für die Bemessung des Verkehrswertes könnte dabei der mit der Stadtgemeinde Baden abgeschlossene Kaufvertrag betreffend den Erwerb einer Teilfläche aus dem öffentlichen Gut GSt.Nr. 782/2 KG Leesdorf herangezogen werden."

3. Der Stadtrat der Stadtgemeinde Baden gab der Berufung als Baubehörde zweiter Instanz (§2 Abs 1 NÖ BauO 1996) keine Folge und führte in der Begründung aus:

"Die [von dem Beschwerdeführer] fristgerecht erhobene Berufung richtet sich ausschließlich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte kostenlose Abtretung der im Teilungsplan mit Ziffer 2 bezeichneten Teilfläche aus dem Gst.Bfl. .355 KG Leesdorf in das öffentliche Gut der Gemeinde. Der Berufungswerber stellte den Antrag, den angefochtenen Bescheid betreffend die kostenlose Abtretung dieser Teilfläche (Ziffer 2 laut Teilungsplan) aufzuheben und für die abzutretende Grundstücksfläche eine Entschädigung gemäß § 12 Abs 4 NÖ Bauordnung 1996 festzusetzen.

Rechtlich ist dazu Folgendes auszuführen:

§12 Abs 1 NÖ Bauordnung 1996 regelt die Verpflichtung des Eigentümers, Grundflächen, die zwischen den Straßenfluchtlinien liegen und nicht mit einem Gebäudeteil bebaut sind, in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten, wenn die Änderung von Grundstücksgrenzen angezeigt wird.

Gemäß § 12 Abs 2 NÖ Bauordnung 1996 gebührt dem Eigentümer keine Entschädigung für die abzutretende Grundfläche, wenn an beiden Seiten der Verkehrsfläche Bauland angrenzt bis zu Mitte der Verkehrsfläche, höchstens bis zur Breite von 7 Metern.

§12 Abs 3 NÖ Bauordnung 1996 sieht eine Entschädigung für die abzutretende Grundfläche vor, wenn das in § 12 Abs 2 leg. cit. angeführte Ausmaß von 7 Metern überschritten wurde.

Eine Einsichtnahme in den Teilungsplan des Ing. Kons.

f. Vermessungswesen [...] hat ergeben, dass dieser abzutretende Streifen zwischen 1,9m und 5,6m breit ist. Die kostenlos abzutretende Breite von 7m zur Mitte der Verkehrsfläche wurde daher nicht überschritten."

Am Ende der Bescheidausfertigung wird auf die Möglichkeit, Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde zu erheben, hingewiesen.

4. Die gegen den Bescheid erhobene Vorstellung wies die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Die Vorstellungsbehörde begründete inhaltlich ihre Entscheidung - auf das Wesentliche zusammengefasst - damit, dass der Beschwerdeführer nur verpflichtet worden sei, "innerhalb der Straßenfluchtlinie[n] liegende Grundflächen in einer Breite von 1,9 m bis 5,6 m abzutreten" und daher ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 12 Abs 3 NÖ BauO 1996 nicht gesehen werde. Bis zu einer Breite von 7 m sei ja eine unentgeltliche Abtretung vorgesehen.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die

vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, der NÖ BauO 1996, behauptet und die Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

Eine Verletzung des Art 83 Abs 2 B-VG sieht der Beschwerdeführer darin, dass gemäß § 8 Abs 1 NÖ BauO 1996 gegen einen Bescheid der Baubehörde erster Instanz, mit dem über eine Entschädigung nach § 12 Abs 3 NÖ BauO 1996 abgesprochen werde, kein Rechtmittel zulässig sei, sondern gemäß § 8 Abs 2 NÖ BauO 1996 beim Landesgericht die Neufestsetzung der Entschädigung begehrt werden könne (sukzessive Kompetenz). Sowohl der Bescheid der Baubehörde zweiter Instanz als auch der angefochtene Bescheid der Aufsichtsbehörde vom seien daher durch eine gesetzlich nicht zuständige Behörde ergangen.

An der Enteignung gebe es kein begründetes

öffentliches Interesse und keinen konkreten Bedarf. Zudem sei der Eingriff unverhältnismäßig, weil mit der Enteignung für den Beschwerdeführer als Grundeigentümer kein Aufschließungsvorteil, mit dem die Unentgeltlichkeit der Grundabtretung üblicherweise gerechtfertigt werde, verbunden sei.

Die Verfassungswidrigkeit der Norm, § 12 Abs 2 und § 12 Abs 3 Teilstrich 1 NÖ BauO 1996, begründet der Beschwerdeführer mit deren Unbestimmtheit und unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 16.455/2002 - mit diesem hat der Verfassungsgerichtshof eine ebenfalls die unentgeltliche Abtretung von Grundflächen in das öffentliche Gut betreffende Bestimmung der Bauordnung für Wien wegen deren Unverhältnismäßigkeit aufgehoben - mit der Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung.

6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die Stadtgemeinde Baden gab eine Stellungnahme ab. Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift und die Stellungnahme.

II. Rechtslage

§8 NÖ BauO 1996 lautet:

"Verfahren für Entschädigungen und Kostenersatzleistungen

§8. (1) Über eine Entschädigung oder Kostenersatzleistung nach § 7 Abs 5, § 12 Abs 3 und 4, § 13 Abs 2, § 36 Abs 3, § 68 Abs 5 und § 76 hat die Baubehörde erster Instanz zu entscheiden. Gegen diesen Bescheid ist kein Rechtsmittel zulässig.

(2) Binnen 3 Monate ab Rechtskraft des Bescheides

darf der Anspruchsberechtigte beim Landesgericht, das aufgrund der Lage des betroffenen Grundstücks zuständig ist, die Neufestsetzung der Entschädigung oder Kostenersatzleistung begehren. Langt ein solcher Antrag bei Gericht ein, tritt die diesbezügliche Entscheidung der Baubehörde außer Kraft.

(3) Für das gerichtliche Verfahren sind die Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, BGBl. Nr. 71/1954 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2003, sinngemäß anzuwenden. Der Antrag auf gerichtliche Neufestsetzung darf, ausgenommen in den Fällen des § 7 Abs 5 und § 13 Abs 2, nur mit Zustimmung der Gemeinde zurückgezogen werden. Wenn der Antrag zurückgezogen wird, gilt der im Bescheid bestimmte Betrag als vereinbart."

§12 NÖ BauO 1996 lautet:

"Grundabtretung für Verkehrsflächen

§12. (1) Die Eigentümer sind verpflichtet,

Grundflächen, die zwischen den Straßenfluchtlinien liegen und nicht mit einem Gebäudeteil bebaut sind, in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten, wenn

1. die Änderung von Grundstücksgrenzen (§10) [...] angezeigt wird, oder

2. eine Baubewilligung im Bauland [...] erteilt wird.

Erfolgt eine Anzeige nach Z. 1 und ist durch einen Bebauungsplan keine Straßenfluchtlinie festgelegt, ist im Bescheid, mit dem die Grundabtretung vorgeschrieben wird, die Straßenfluchtlinie und deren Niveau zu bestimmen.

Die Grundflächen sind frei von in Geld ablösbaren

Lasten und geräumt von baulichen Anlagen, Gehölzen und Materialien zu übergeben. Die grundbücherliche Durchführung ist von dem zur Grundabtretung verpflichteten Eigentümer zu veranlassen.

Die Baubehörde hat dem Eigentümer mit Bescheid die Grundabtretung aufzutragen.

(2) Keine Entschädigung für die abzutretende

Grundfläche gebührt,

wenn

* an beiden Seiten der Verkehrsfläche Bauland

angrenzt bis zur Mitte der Verkehrsfläche, höchstens bis zur Breite von 7 m, oder

* nur an einer Seite Bauland angrenzt bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, höchstens 14 m.

Wenn an zwei oder mehreren Seiten eines Grundstücks Grundflächen abzutreten sind, dann gilt dieselbe Regelung.

(3) Eine Entschädigung gebührt für jene Grundfläche, die

* über das im Abs 2 angeführte Ausmaß oder,

* wenn eine Straßenfluchtlinie neu festgelegt und

zuvor schon im vollen, damals gesetzmäßigen Ausmaß für dieselbe Verkehrsfläche abgetreten wurde, nunmehr zusätzlich

abzutreten ist.

(4) Die Entschädigung (Abs3) ist aufgrund des Verkehrswertes des Grundstücks zu bemessen. Die Kosten der grundbücherlichen Durchführung sind anteilsmäßig zu ersetzen.

(5) Die Verpflichtung zur Straßengrundabtretung darf auch dann vollstreckt werden, wenn eine Entscheidung über die Entschädigung nach § 8 Abs 2 beantragt wurde. Voraussetzung dafür ist, daß der von der Baubehörde festgesetzte Betrag bei Gericht erlegt ist.

(6)-(7) [...]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid richtete sich ausschließlich gegen die kostenlose Abtretung einer Grundstücksfläche in das öffentliche Gut. Der Beschwerdeführer stellte auch ausdrücklich in der Berufung den Antrag, "für die abzutretende Grundstücksfläche eine Entschädigung gemäß § 12 Abs 4 NÖ Bauordnung 1996 festzusetzen". Der Ausspruch des Stadtrats der Stadtgemeinde Baden als Berufungsbehörde, dass der Berufung keine Folge gegeben werde, stellt daher der Sache nach eine Entscheidung über einen Entschädigungsanspruch dar. Die belangte Behörde hat aber die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid u.a. mit der Begründung abgewiesen, dass der Entschädigungstatbestand des § 12 Abs 3 NÖ BauO 1996 nicht verwirklicht worden sei.

2. Gemäß Art 6 Abs 1 EMRK muss über "civil rights" von einem "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, genügt die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als "Tribunal" eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 6 EMRK nicht (siehe VfSlg. 11.760/1988, 11.762/1988, 17.732/2005).

Diese Anforderungen gelten nicht nur für Verfahren betreffend die Höhe eines Entschädigungsanspruchs, sondern auch dann, wenn das Bestehen eines Anspruchs dem Grunde nach festgestellt wird, indem festgestellt wird, dass eine Entschädigung im konkreten Fall nicht gebührt (vgl. VfSlg. 16.891/2003, 17.732/2005).

Weder der Stadtrat der Stadtgemeinde Baden noch die belangte Behörde sind als "Tribunal" im Sinne des Art 6 EMRK eingerichtet. Der Beschwerdeführer wendet sich somit gegen eine inhaltliche Entscheidung über einen Entschädigungsanspruch gemäß § 12 Abs 3 NÖ BauO 1996, die nicht in einem Verfahren getroffen wurde, das den Anforderungen des Art 6 EMRK entspricht.

3. Der Beschwerdeführer wurde aber auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) verletzt:

3.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde insbesondere dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002), aber auch dann, wenn sie als Berufungsbehörde die sachliche Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde nicht aufgreift, dh. den bei ihr bekämpften Bescheid nicht aufhebt (vgl. VfSlg. 6323/1970).

3.2. Die Voraussetzungen für Grundabtretungen für Verkehrsflächen sind in § 12 Abs 1 NÖ BauO 1996 umschrieben. Entschädigungsansprüche für Grundabtretungen ergeben sich aus dem Abs 3 dieser Bestimmung, wobei dieser Absatz in der Form auf Abs 2 verweist, dass der erste Tatbestand des Abs 3 als komplementär zu Abs 2 ("über das im Abs 2 angeführte Ausmaß") umschrieben wird. Der Wortlaut des § 8 NÖ BauO 1996 sieht für Entschädigungsansprüche gemäß § 12 Abs 3 NÖ BauO 1996 eine sukzessive Zuständigkeit des örtlich zuständigen Landesgerichts vor, wobei das Gericht sowohl über die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach als auch über die Zulässigkeit der Höhe des geforderten Betrags entscheidet. Die Höhe der Entschädigung umfasst auch die in der Abweisung des Entschädigungsbegehrens ihren Ausdruck findende "Null-Festsetzung" als Entscheidung dem Grunde nach (vgl. VfSlg. 13.807/1994, 14.176/1995, 16.891/2003, ).

3.3. Die belangte Behörde führt dazu in der Gegenschrift aus:

"Die Frage, ob eine entsprechende Entschädigung festzulegen ist, kann daher erst dann gelöst werden, wenn feststeht, dass der Abtretungsbescheid gesetzwidrig war oder die abzutretende Fläche über die Breite von 7 m hinausgeht. Dies wurde aber von der belangten Behörde verneint.

Weiters handelt es sich ja im gegenständlichen Fall um eine Grundabtretung nach § 12 Abs 2 der NÖ Bauordnung 1996 und ist in diesem Fall § 8 der NÖ Bauordnung 1996 nicht anzuwenden. Im § 8 wird lediglich auf die Bestimmungen des § 12 Abs 3 und 4 der NÖ Bauordnung 1996 verwiesen."

Diese Interpretation widerspricht aber nicht nur der vorhin dargestellten Judikatur, wonach über Entschädigungsansprüche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach "Tribunale" iSd Art 6 EMRK zu entscheiden haben, sie ergibt sich auch nicht aus einer systematischen Interpretation des § 12 NÖ BauO 1996: Diese Bestimmung trennt durch ihre Gliederung die Frage der Grundabtretung (Abs1) klar von der Frage der Entschädigung (Abs2 und 3). Es gibt keine Grundabtretung nach Abs 2 bzw. Abs 3, wie die belangte Behörde meint, sondern nur eine solche nach Abs 1. Die Frage der Entschädigung ist davon unabhängig in Abs 3, der auf Abs 2 verweist, geregelt.

3.4. Entsprechend dem Berufungsvorbringen hat die Behörde nur über die Frage der Entschädigung dem Grunde und der Höhe nach abzusprechen gehabt. Gemäß § 8 Abs 1 NÖ BauO 1996 ist in der Frage der Entschädigung nach § 12 Abs 3 NÖ BauO 1996 aber kein Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Bescheide zulässig, es entscheidet in dieser Frage gemäß § 8 Abs 2 NÖ BauO 1996 das örtlich zuständige Landesgericht in sukzessiver Kompetenz. Der Stadtrat der Stadtgemeinde Baden war daher nicht zuständig, über den Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers als Berufungsbehörde zu entscheiden. Die belangte Behörde hätte die Unzuständigkeit der Berufungsbehörde wahrnehmen und deren Bescheid aufheben müssen.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal (Art6 EMRK) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) verletzt worden. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb aufzuheben.

2. Bei diesem Ergebnis muss auf das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers nicht eingegangen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,-- und eine Eingabegebühr in Höhe von € 220,-- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.