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VfGH vom 23.06.1981, B449/79

VfGH vom 23.06.1981, B449/79

Sammlungsnummer

9157

Leitsatz

EStG 1972; denkunmögliche Anwendung des § 18 Abs 1 Z 3 lita (zwei Personen als Wohnungseigentumswerber einer gemeinsamen Wohnung)

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Die Beschwerdeführerin schloß im Jahre 1975 mit einer Bausparkasse einen nach § 108 EStG 1972 begünstigten Bausparvertrag ab. Für ihre in den Jahren 1975 bis 1978 geleisteten Beiträge an die Bausparkasse wurde ihr Einkommensteuer (Lohnsteuer) im Gesamtbetrage von S 5.751,- erstattet. Mit Schreiben vom teilte die Bausparkasse dem zuständigen Wohnsitzfinanzamt mit, daß der Beschwerdeführerin das Guthaben aus dem Bausparvertrag zur Gänze zurückgezahlt worden sei. Die Beschwerdeführerin hatte das Guthaben als Anzahlung für eine von einem gemeinnützigen Wohnbauträger zu errichtende Eigentumswohnung verwendet, für die sie gemeinsam mit ihrem damaligen Bräutigam und jetzigen Ehegatten als Wohnungswerber auftrat.

In der Folge erließ das Finanzamt einen Rückforderungsbescheid iS des § 108 Abs 7 EStG 1972 und forderte die erstattete Einkommensteuer (Lohnsteuer) mit der Begründung zurück, daß das Guthaben aus dem Bausparvertrag vorzeitig (gemeint offenbar: vor Ablauf der gemäß §§108 Abs 6 iVm 114 Abs 3 EStG 1972 idF BGBl. 550/1979 hier maßgeblichen 6jährigen Bindungsfrist) zurückgezahlt wurde und demnach die Steuererstattung zu Unrecht erfolgt sei.

b) In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß der von der Bausparkasse vorzeitig ausbezahlte Betrag widmungsgemäß verwendet worden sei. Die Bausparkasse habe diesen Betrag als Anzahlung für eine Wohnung direkt an eine gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft überwiesen. Die Beschwerdeführerin legte dem Finanzamt auch ein Schreiben der gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft vor, in welchem diese bestätigte, daß sie hinsichtlich einer bestimmten Wohnung gemeinsam mit ihrem Bräutigam Wohnungswerberin sei.

Die vom Finanzamt erlassene abweisende Berufungsvorentscheidung ist durch den fristgerecht eingebrachten Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.

c) Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion für Stmk. die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, daß die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Bräutigam als Wohnungswerberin für eine von einer Bau- und Siedlungsgenossenschaft zu errichtende Wohnung auftrete, für welche beiden eine Kaufanwartschaft eingeräumt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe ebenso wie ihr Bräutigam die vorzeitig zurückgezahlten Bausparguthaben als Anzahlung für diese Wohnung verwendet, und die Bau- und Siedlungsgenossenschaft habe diese Beträge als 5jährig gebundene Beträge iS des § 18 Abs 1 Z 3 lita EStG 1972 zur Schaffung von Wohnraum bestätigt. Da jedoch die Begünstigung des § 18 Abs 1 Z 3 lita EStG 1972 für die gleiche Wohnung nur von jenen Personen, die im § 18 Abs 2 Z 1 EStG 1972 genannt sind (nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten und Kinder iS des § 119 EStG 1972), in Anspruch genommen werden könne, für Brautleute, die nicht unter diese Bestimmung fallen, eine Ausnahmebestimmung nicht vorhanden sei, könne nur ein Wohnungswerber die steuerliche Begünstigung des § 18 Abs 1 Z 3 lita EStG 1972 beanspruchen. Die vorzeitig zurückgezahlten Bausparbeträge seien somit nicht zur Wohnraumbeschaffung verwendet worden, und daher seien die Erstattungsbeträge gemäß § 108 Abs 7 EStG 1972 zurückzufordern gewesen.

2. a) In der gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (infolge denkunmöglicher Gesetzesanwendung) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (dies, weil die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt habe) gerügt.

Die Beschwerdeführerin sei gemeinsam mit ihrem Bräutigam als Wohnungswerberin für eine zu errichtende Eigentumswohnung aufgetreten und habe mit dem vorzeitig zurückgezahlten Bausparguthaben ihre eigene Wohnraumbeschaffung iS des § 18 Abs 1 Z 3 EStG 1972 finanziert. Sie und ihr Bräutigam hätten jeweils den eigenen Anteil an der späteren gemeinsamen Eigentumswohnung finanziert, an der sie später je zur Hälfte gemäß den Bestimmungen des § 9 Abs 1 WEG das Wohnungseigentum begründen wollten. Indem die belangte Behörde dies verkannt und vermeint habe, der Erlös des Bausparvertrages der Beschwerdeführerin würde zur Finanzierung der Wohnraumbeschaffung ihres Bräutigams dienen, belaste sie den angefochtenen Bescheid mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel.

Zivilrechtlich sei in der Vorphase vor Begründung des Wohnungseigentumes die Frage nach dem aufrechten Bestand der Ehe unbeachtlich. Der aufrechte Bestand der Ehe müsse erst im Zeitpunkt der Begründung des Ehegattenwohnungseigentumes gemäß § 12 Abs 1 WEG durch Verbücherung im Grundbuch gegeben sein. Sowohl Brautleute als auch Ehegatten seien zulässige Wohnungseigentumsbewerber in bezug auf eine bestimmte Eigentumswohnung.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, allenfalls die Beschwerde an den VwGH abzutreten.

b) Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß § 108 Abs 1 EStG 1972 wird unbeschränkt Steuerpflichtigen iS des § 1 Abs 1 leg. cit. auf Antrag Einkommensteuer (Lohnsteuer) erstattet, wenn sie Beiträge an eine Bausparkasse, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat, leisten. Nach § 108 Abs 7 leg. cit. ist zu Unrecht erstattete Steuer vom Steuerpflichtigen zurückzufordern. Die Rückforderung hat ua. zu erfolgen, wenn Beiträge, die als Grundlage einer Steuererstattung geleistet wurden, und die erstattete Steuer selbst dem Bausparer (Steuerpflichtigen) ganz oder zum Teil zurückgezahlt werden, sofern die Rückzahlung vor Ablauf von sechs Jahren (§§108 Abs 6 iVm 114 Abs 3 leg. cit. idF BGBl. 550/1979) seit Vertragsabschluß erfolgt. Sie hat jedoch zu unterbleiben, wenn die zurückgezahlten Beiträge begünstigten Maßnahmen iS des § 18 Abs 1 Z 3 leg. cit. dienen, wobei eine Rückforderung auch dann zu unterbleiben hat, wenn die Maßnahmen durch oder für unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten bzw. durch oder für Kinder iS des § 119 leg. cit. gesetzt werden.

2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Vorschriften sind nicht vorgebracht worden und unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles auch nicht entstanden. Zu prüfen ist mithin lediglich, ob die belangte Behörde durch die Zurückforderung der Erstattungsbeträge einen so schweren Fehler begangen hat, daß dies einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten wäre.

a) Nach dem unbestrittenen Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin das vorzeitig zurückgezahlte Bausparguthaben in der Absicht, hiedurch Beträge zur Wohnraumschaffung iS des § 18 Abs 1 Z 3 lita EStG 1972 zu leisten, als Anzahlung für eine von einer gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft zu errichtenden Eigentumswohnung verwendet, für welche ihr und ihrem Bräutigam eine Kaufanwartschaft eingeräumt worden ist. Auch der Bräutigam der Beschwerdeführerin verwendete ein ihm vorzeitig zurückgezahltes Bausparguthaben als Anzahlung für dieselbe Eigentumswohnung.

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß für dieselbe Wohnung als Wohnungswerber iS des § 18 Abs 1 Z 3 lita jeweils nur eine Person auftreten könne, und hat diese Eigenschaft hinsichtlich der in Rede stehenden Wohnung dem Bräutigam der Beschwerdeführerin zugewiesen. Da die Beschwerdeführerin im Verhältnis zu dem als Wohnungswerber angesehenen Bräutigam nicht in den Personenkreis des § 18 Abs 2 Z 1 falle - sie sei weder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte noch ein Kind desselben - und für Brautleute eine Ausnahmebestimmung nicht vorhanden sei, habe sie das vorzeitig zurückgezahlte Bausparguthaben nicht für die Schaffung von Wohnraum iS des § 18 Abs 1 Z 3 und somit widmungswidrig verwendet.

b) In Verfolgung dieser Rechtsansicht hat die belangte Behörde jedoch die Rechtsvorschrift denkunmöglich angewendet.

Es ist nicht zweifelhaft, daß die von der Beschwerdeführerin verfügte Verwendung der Bausparbeiträge und der Erstattungsbeträge eine Verwendung iS des § 18 Abs 1 Z 3 lita EStG 1972 ist, daß also diese Beträge als mindestens fünfjährig gebundene Beträge, die vom Wohnungswerber zur Schaffung von Wohnraum an eine gemeinnützige Bau-, Wohnungs- und Siedlungsvereinigung geleistet wurden, anzusehen sind. Diese Verwendung stelle eine begünstigte Maßnahme gemäß § 108 Abs 7 Z 2 leg. cit. dar. Fraglich könnte lediglich sein, ob eine derartige Verwendung dann, wenn sie zugunsten von Brautleuten für eine zu errichtende Eigentumswohnung erfolgt, der Qualifikation als begünstigte Maßnahme - wie das die belangte Behörde vermeint - entgegensteht. Eine derartige Auffassung wäre aber denkunmöglich:

Gemäß § 18 Abs 2 Z 3 EStG 1972 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. 645/1977 kann als Eigentumswohnung iS des Abs 1 Z 3 nur eine Wohnung gemäß den Bestimmungen des WEG 1975, BGBl. 417/1975, verstanden werden, die mindestens zu zwei Dritteln Wohnzwecken dient. In § 9 des WEG 1975 ist die Möglichkeit der gemeinsamen Begründung von Wohnungseigentum durch Ehegatten vorgesehen. Das Erfordernis der Verehelichung muß jedoch erst im Zeitpunkt der Einverleibung des Eigentumsrechtes im Grundbuch erfüllt sein; für den davorliegenden Zeitraum der Anwartschaft besteht dieses Erfordernis jedoch nicht. Keine Vorschrift des WEG verbietet, daß Brautleute Wohnungseigentumswerber eines gemeinsamen Wohnungseigentumsobjekts sein können (so auch Faistenberger - Barta - Call, Kommentar zum WEG 1975, 1976, S 300); § 23 Abs 1 WEG 1975 ermöglicht ausdrücklich, daß ein Wohnungseigentumsorganisator Wohnungseigentumsbewerbern auch bedingt das Wohnungseigentumsrecht an einer Wohnung einräumt, womit zweifellos auch die Bedingung einer vor Einverleibung zu erfolgenden Eheschließung subsumiert werden kann.

Der Gesetzgeber des Einkommensteuergesetzes hat bei seiner Regelung an diese Rechtslage angeknüpft. Dies wird insbesondere durch den Verweis auf das WEG 1975 im § 18 Abs 2 Z 3 deutlich. Es kann daher die Möglichkeit, daß zwei Personen verschiedenen Geschlechtes als Wohnungswerber für eine Eigentumswohnung die für die Schaffung einer solchen vorgesehenen Steuerbegünstigung des § 18 Abs 1 Z 3 lita in Anspruch nehmen können, nicht vorweg ausgeschlossen werden. Gegenteiliges ist weder dem Wortlaut des § 18 Abs 1 Z 3 noch einer anderen Gesetzesstelle zu entnehmen. Auch der Satz "Das Eigenheim kann auch im Eigentum zweier oder mehrerer Personen stehen." in § 18 Abs 2 Z 3 bezieht sich nur auf Eigenheime und enthält für den Bereich der Eigentumswohnungen keine Aussagen.

Es ist somit davon auszugehen, daß es für die Beschwerdeführerin und ihren Bräutigam rechtlich zulässig war, gegenüber dem Wohnbauträger als Wohnungswerber hinsichtlich derselben Wohnung aufzutreten. Dementsprechend bestand auch für beide die Möglichkeit der Inanspruchnahme der für die Schaffung von Eigentumswohnungen vorgesehenen Steuerbegünstigung in § 18 Abs 1 Z 3 EStG. Wenn die belangte Behörde die Qualifikation der Beschwerdeführerin als Wohnungswerberin iS dieser Gesetzesstelle verneint hat und aus diesem Grunde die Voraussetzungen für die Zurückforderung der gemäß § 108 EStG 1972 gutgeschriebenen Erstattungsbeträge als erfüllt erachtete, hat sie das Gesetz denkunmöglich angewendet.

c) Die bescheidmäßige Zurückforderung eines gemäß § 108 EStG 1972 gutgeschriebenen Erstattungsbetrages stellt einen Eingriff in das Eigentumsrecht dar. Da diese hier in denkunmöglicher Anwendung des Gesetzes erfolgte, wurde die Beschwerdeführerin im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.