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VfGH vom 15.10.2005, B446/05

VfGH vom 15.10.2005, B446/05

Sammlungsnummer

17686

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der Aufnahme bestimmter Arzneimittel in den Gelben Bereich des Erstattungskodex mangels ausreichenden Nachweises des therapeutischen Nutzens; keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch bloß nachprüfende Kontrolle durch die Unabhängige Heilmittelkommission; hinreichende Bestimmtheit der Rechtsgrundlagen für die Entscheidung des Hauptverbandes; kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht; keine Bindung des Hauptverbandes an den arzneimittelrechtlichen Zulassungsbescheid; keine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit; keine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen für die Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die beschwerdeführenden Gesellschaften beantragten mit Schriftsätzen vom beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die Aufnahme der von ihnen vertriebenen Arzneispezialitäten "Artzal-Lösung (Ampulle und Fertigspritze)" bzw. "Hyalgan (Spritz- und Stechampulle)" in die Heilmittel-Sonderliste des Heilmittelverzeichnisses (nunmehr: Gelber Bereich des Erstattungskodex). Mit insgesamt vier Schreiben vom teilte der Hauptverband mit, diese Arzneispezialitäten nicht in den Gelben Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, der therapeutische Nutzen dieser Arzneispezialitäten sei von den antragstellenden Unternehmen nicht ausreichend nachgewiesen worden.

Mit zwei Bescheiden vom wies die Unabhängige Heilmittelkommission die gegen diese Entscheidungen erhobenen Beschwerden jeweils als unbegründet ab.

Gegen diese - keinem weiteren Rechtszug

unterliegenden (vgl. § 351h Abs 5 ASVG) - Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden; darin behaupten die beschwerdeführenden Parteien, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt zu sein, und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Die belangte Behörde legte jeweils die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift; darin verteidigt sie die angefochtenen Bescheide und beantragt die Abweisung der Beschwerden. Der an den Beschwerdeverfahren beteiligte Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erstattete jeweils eine schriftliche Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Gemäß § 31 Abs 3 Z 12 ASVG (in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung der 61. Novelle, Art 1 des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2003 - 2. SVÄG 2003, BGBl. I Nr. 145) obliegt dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die Herausgabe eines Erstattungskodex für die Abgabe von Arzneispezialitäten für Rechnung eines Sozialversicherungsträgers. Der Erstattungskodex ist in drei Bereiche unterteilt ("rot", "gelb", "grün"). Arzneispezialitäten, die zwar einen "wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen" für Patienten haben, aber aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden, sind im gelben Bereich anzuführen. Die Abgabe dieser Arzneispezialitäten für Rechnung eines Sozialversicherungsträgers bedarf grundsätzlich der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes dieses Versicherungsträgers (vgl. § 31 Abs 3 Z 12 litb ASVG).

Abschnitt V des Sechsten Teiles des ASVG regelt die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex:

Die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex ist demnach vom vertriebsberechtigten Unternehmen beim Hauptverband zu beantragen (§351c Abs 1 erster Satz ASVG). Zur Beurteilung der Frage, inwieweit ein "wesentlicher therapeutischer Nutzen" oder eine "wesentliche therapeutische Innovation" vorliegt, sind vom Antragsteller pharmakologische, medizinisch-therapeutische und gesundheitsökonomische Unterlagen vorzulegen (§351c Abs 3 erster Satz ASVG). Nähere Bestimmungen über das Aufnahmeverfahren trifft die auf § 351g Abs 1 ASVG gestützte - von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen mit Bescheid vom genehmigte - Verfahrensordnung des Hauptverbandes zur Herausgabe des Erstattungskodex - VO-EKO (Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr. 47/2004). Diese Verordnung ist mit in Kraft getreten (§56 Abs 1 VO-EKO); soweit das Aufnahmeverfahren - wie hier - vor diesem Tag eingeleitet worden ist, ist aber die bisherige Verfahrensordnung zur Herausgabe des Heilmittelverzeichnisses - VO-HMV (Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr. 100/2002) weiterhin anzuwenden (§58 Abs 1 VO-EKO).

§351d ASVG (idF der 61. Novelle) lautet samt Überschrift:

"Entscheidung des Hauptverbandes

§351d. (1) Der Hauptverband hat über den Antrag (einschließlich des Preises) auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex, unbeschadet der für den roten Bereich geltenden Befristung, innerhalb von 90 Tagen ab dem Vorliegen einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission nach deren Einlangen zu entscheiden.

(2) Der Hauptverband hat seine Entscheidung nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Antragsteller ist über die Möglichkeit der Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission sowie über die Rechtsmittelfristen nach § 351i Abs 3 zu belehren.

(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Hauptverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und der selben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Hauptverband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist."

Über Beschwerden gegen die Ablehnung eines Antrages auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex entscheidet die Unabhängige Heilmittelkommission (§351i Abs 1 Z 1 lita ASVG).

Gemäß § 351i Abs 3 ASVG können sich Beschwerden an

diese Behörde "nur auf Sachverhalte und Umstände beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen sowie vom Hauptverband bereits eingebracht worden sind. Die Unabhängige Heilmittelkommission darf sich bei ihrer Entscheidungsfindung nicht auf Sachverhalte und Umstände stützen, die nach der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen sowie vom Hauptverband eingebracht werden."

Gemäß § 351i Abs 4 ASVG hat die Unabhängige Heilmittelkommission die ablehnende Entscheidung des Hauptverbandes aufzuheben, "wenn der Hauptverband im Verfahren sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar ausgeübt hat; dabei sind alle in der Beschwerde vorgebrachten Argumente zu würdigen."

2. Die Beschwerden rügen, dass der Unabhängigen Heilmittelkommission gemäß § 351i Abs 4 ASVG "keine umfassende Kognitionsbefugnis" zukomme: Diese Behörde könne nur Ermessensfehler des Hauptverbandes aufgreifen, zudem habe sie bloß kassatorische Entscheidungsbefugnis. Den Anforderungen an ein "Tribunal" iS des Art 6 Abs 1 EMRK sei daher nicht entsprochen.

Dieser Vorwurf ist nicht begründet:

Gemäß Art 6 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass (ua.) über seine "zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" ein unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Tribunal entscheidet.

Diese Gewährleistung ist - im Sinne der mit

VfSlg. 11.500/1987 beginnenden, ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - so zu verstehen, dass über Ansprüche und Verpflichtungen, die dem Zivilrecht in engster Bedeutung (verstanden als Regelung der Rechtsverhältnisse der Bürger untereinander) und damit dem Kernbereich der "civil rights" zuzuzählen sind, ein den Anforderungen des Art 6 EMRK entsprechendes Tribunal in der Sache selbst zu befinden hat (zB VfSlg. 11.646/1988, 11.729/1988, 11.760/1988). Handelt es sich aber um Streitigkeiten, die nicht über "civil rights" selbst entstanden sind, sondern solche nur in ihren Auswirkungen berühren - wie die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex -, so reicht es aus dem Blickwinkel des Art 6 Abs 1 EMRK aus, wenn eine Verwaltungsbehörde unter der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache tätig wird (vgl. zuletzt VfSlg. 17.232/2004, S 1071 mwN). Dies gilt auch dann, wenn die zunächst einschreitende Stelle (hier: der Hauptverband) der nachprüfenden Kontrolle einer - gleichsam an die Stelle des Verwaltungsgerichtshofes tretenden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt VfSlg. 15.886/2000, S 1184) - Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, wie sie die Unabhängige Heilmittelkommission darstellt (vgl. VfSlg. 17.023/2003, S 665), unterliegt.

Soweit die Unabhängige Heilmittelkommission daher

gemäß § 351i Abs 4 ASVG auf eine bloß nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen des Hauptverbandes beschränkt ist, steht dies somit nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 EMRK.

3. Bedenken ob der hinreichenden Bestimmtheit der Rechtsgrundlagen der Entscheidung des Hauptverbandes, insbesondere der - in den §§31 Abs 3 Z 12 und 351c ASVG enthaltenen - Kriterien für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex, sind nicht entstanden (zum "differenzierten" Verständnis des aus Art 18 Abs 1 und 2 B-VG abgeleiteten verfassungsrechtlichen Determinierungsgebotes vgl. insbesondere VfSlg. 13.785/1994,

S 666). Auch verstößt es nicht gegen Gemeinschaftsrecht, den zuständigen Behörden im vorliegenden Zusammenhang einen gewissen Beurteilungsspielraum einzuräumen (vgl. - zum arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren - EuGH

Rs C-120/97, Upjohn, Slg. 1999, I-223, Rz 33 ff).

4.1. Gemäß § 22 Abs 1 Z 8 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, ist dem Antrag auf Zulassung einer Arzneispezialität ua. dann nicht stattzugeben, wenn ihre Wirksamkeit nicht ausreichend nachgewiesen ist. Entgegen den Beschwerden folgt daraus aber nicht, dass die Frage der Wirksamkeit einer Arzneispezialität im Verfahren betreffend ihre Aufnahme in den Erstattungskodex eine Vorfrage iS des § 38 AVG darstellte und daher vom Hauptverband nicht abweichend vom arzneimittelrechtlichen Zulassungsbescheid beurteilt werden dürfte. Im Aufnahmeverfahren kommt diesem Bescheid vielmehr nur insoweit Tatbestandswirkung zu, als nur zugelassene Arzneispezialitäten für die Aufnahme in den Erstattungskodex in Betracht kommen (vgl. § 31 Abs 3 Z 12 ASVG);

Arzneispezialitäten, deren Zulassung aufgehoben worden ist, sind unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen (§351f Abs 2 ASVG).

Es obliegt somit dem Hauptverband, die Frage des therapeutischen Nutzens einer Arzneispezialität selbständig - aus dem Blickwinkel des § 133 Abs 2 ASVG ("Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.") - zu beurteilen (vgl. § 351c Abs 2 ASVG); diese Regelung erweckt aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken.

4.2. Die Beschwerden erheben weiters den Vorwurf, die - durch das Nebeneinander von arzneimittelrechtlichem Zulassungs- und sozialversicherungsrechtlichem Aufnahmeverfahren bewirkte - "Doppelkontrolle" von Arzneispezialitäten unter pharmakologischen und medizinisch-therapeutischen Gesichtspunkten sei als Verstoß gegen die Freiheit des Warenverkehrs iS des Art 28 EG anzusehen.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Bestimmungen über die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex insoweit nicht einmal in den Anwendungsbereich des Art 28 EG fallen: Sie betreffen nämlich offensichtlich nicht die "Merkmale der Ware selbst", sondern bloß deren Vertrieb; im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (siehe dazu ) könnten sie daher nur dann als "Maßnahme gleicher Wirkung" qualifiziert werden, wenn sie geeignet wären, den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun. Dass dies der Fall wäre, ist dem Verfassungsgerichtshof aber nicht erkennbar und wird auch in den Beschwerden nicht behauptet.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, zur Auslegung des Art 28 EG - wie in den Beschwerden angeregt - eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen; auch die belangte Behörde (zur Stellung der Unabhängigen Heilmittelkommission als "Gericht" iS des Art 234 Abs 3 EG vgl. neuerlich mwN) war hiezu nicht verpflichtet.

4.3. Der Verfassungsgerichtshof hegt schließlich aber auch nicht das Bedenken, der Gesetzgeber habe dadurch, dass er - von der nachprüfenden Kontrolle durch die Unabhängige Heilmittelkommission abgesehen - dem Hauptverband die Kompetenz zur Erlassung des Erstattungskodex und zur Regelung des damit im Zusammenhang stehenden Verfahrens übertragen hat, die der Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern aus verfassungsrechtlicher Sicht gezogenen Grenzen überschritten:

Mit dem Erstattungskodex wird für alle Versicherungsträger verbindlich festgelegt, welche (arzneimittelrechtlich zugelassenen) Arzneispezialitäten im Rahmen des sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs auf Krankenbehandlung auf Rechnung der Krankenversicherungsträger abgegeben werden können bzw. ob dies mit oder ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger geschehen kann. Dabei handelt es sich um die Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Versicherten und den Krankenversicherungsträgern (nämlich die Bestimmung von Modalitäten der Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen des sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs), also um eine Angelegenheit, die den Sozialversicherungsträgern zur eigenverantwortlichen Besorgung übertragen werden darf (vgl. VfSlg. 9737/1983).

Wenn der Gesetzgeber - im Hinblick auf gemeinschaftsrechtliche Verpflichtungen - dem Hauptverband für seine Vorgangsweise bei der Erstellung des Erstattungskodex die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens vorschreibt und in diesem Verfahren den betroffenen Unternehmen formelle Antrags- und damit Parteirechte sowie das Recht auf Überprüfung der Entscheidung des Hauptverbandes durch eine unabhängige Behörde eingeräumt hat, so ändert dies nichts an der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Kompetenz des Hauptverbandes: Als Ergebnis des Verfahrens steht nämlich nur fest, ob und auf welche Weise ein Arzneimittel in der Krankenbehandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden darf.

5. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften könnten die beschwerdeführenden Parteien im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz - nach Lage des Falles - nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB

VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001 16.640/2002).

Keiner dieser Mängel liegt hier vor:

Die belangte Behörde hat sich mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien und des Hauptverbandes inhaltlich auseinandergesetzt, Gründe und Gegengründe gegeneinander abgewogen und alle notwendigen rechtlichen Elemente in ihrer Entscheidung behandelt.

Entgegen den Beschwerden waren weder der Hauptverband noch die belangte Behörde verpflichtet, in ihren Entscheidungen auf die in den Aufnahmeverfahren erstatteten Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (vgl. § 351g Abs 2 und 3 ASVG) Bezug zu nehmen.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die belangte

Behörde dadurch, dass sie bei ihrer Entscheidungsfindung bestimmte - im Verfahren bisher nicht erörterte - wissenschaftliche Publikationen berücksichtigt hat, das "Neuerungsverbot" des § 351i Abs 3 vorletzter Satz ASVG missachtet hätte: Die in Rede stehenden Veröffentlichungen (die sich bloß allgemein mit der Frage beschäftigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit klinische Studien mit einem für eine Testsubstanz ungünstigen Ergebnis weder gemeldet noch publiziert werden) sind nämlich kein - die in Rede stehenden Arzneispezialitäten unmittelbar betreffender - Sachverhalt oder Umstand iS der zitierten Gesetzesstelle.

Dem Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe bei ihrer Entscheidung den Umstand außer Acht gelassen, dass die beschwerdeführenden Parteien ihren Umsatz jeweils in erheblichem Ausmaß mit den in Rede stehenden Arzneispezialitäten erzielten, ist schließlich zu erwidern, dass die Höhe des Arzneimittelumsatzes eines vertriebsberechtigten Unternehmens nach dem Gesetz (vgl. neuerlich § 31 Abs 3 Z 12 und § 351c ASVG) kein Kriterium für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex darstellt; vielmehr sind "[b]ei der Entscheidung über die

Aufnahme in den Erstattungskodex ... für alle Produkte die

selben Prüfungsmaßstäbe anzulegen" (§351c Abs 1 vorletzter Satz ASVG). Auch der in den Beschwerden ins Treffen geführten Richtlinie 89/105/EWG betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme, ABl. 1989 L 40/8, kann nicht entnommen werden, dass im Aufnahmeverfahren auf die wirtschaftliche Lage des antragstellenden Unternehmens Bedacht zu nehmen wäre.

6. Die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsausübung könnten im vorliegenden Fall nur verletzt sein, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10.413/1985). Nach dem vorhin Gesagten ist dies aber nicht der Fall, sodass offenbleiben kann, ob die angefochtenen Bescheide überhaupt in diese Rechte eingreifen.

7. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen sohin nicht vor. Die Beschwerdeverfahren haben auch nicht ergeben, dass die angefochtenen Bescheide die beschwerdeführenden Parteien in einem anderen, von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt hätten.

Die beschwerdeführenden Parteien sind somit durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Ob die angefochtenen Bescheide in jeder Hinsicht dem Gesetz entsprechen, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerden - wie hier - gegen die Bescheide einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richten, die gemäß Art 133 Z 4 B-VG nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden können (zB VfSlg. 3975/1961, 7121/1973, 7654/1975, 9541/1982 mwN).

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

8. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.