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OGH vom 29.02.1996, 8Ob31/95

OGH vom 29.02.1996, 8Ob31/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth S*****, vertreten durch Dr.Maximilian Ganzert, Dr.Friedrich Wilhelm Ganzert, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Dr.Viktor A.Straberger, Rechtsanwalt, 4600 Wels, Maria Theresia-Straße 19, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der J***** GesmbH, ***** wegen Feststellung einer Konkursforderung von S 81.471,-- netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 263/94-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom , GZ 9 Cg 40/94-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Zinsenbegehrens als unangefochten unberührt bleiben, werden darüber hinaus aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom wurde über das Vermögen der ehemaligen Dienstgeberin der Klägerin der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Die Klägerin war im Betrieb der Gemeinschuldnerin vom bis als Verkaufsleiterin im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde zum im beiderseitigen Einvernehmen aufgelöst. Die vertretene Klägerin meldete im Konkursverfahren mit Schriftsatz vom eine Forderung von netto S 81.471,-- an. Sie brachte vor:

"Ich war beim Gemeinschuldner vom bis als Verkaufsleiterin beschäftigt. Mein Dienstverhältnis wurde zum letztgenannten Datum mit Schreiben vom im beiderseitigen Einvernehmen aufgelöst. Aus dem beendeten Dienstverhältnis habe ich Anspruch auf nachstehende Nettozahlungen:

1. Lohn 1.12. bis incl. Überstunden ...... S 81.471,--.

Ich beantrage 1. die Feststellung der von mir gestellten Konkursforderung von S 81.471,--."

In der Prüfungstagsatzung vom bestritt der beklagte Masseverwalter diese Forderung. Im Anmeldungsverzeichnis wurde dazu angemerkt: "Bestritten mangels Aufschlüsselung".

Mit ihrer am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, daß der vom Masseverwalter bestrittene Betrag in der Höhe von S 81.471,-- netto zuzüglich 4 % Zinsen seit zu Recht bestehe. Die Klägerin wiederholte im wesentlichen das Vorbringen der Forderungsanmeldung und bot - im Gegensatz zum Vorbringen im Konkursverfahren - verschiedene Beweismittel an.

Der Beklagte wendete dagegen ein, daß die Klägerin die im Konkursverfahren angemeldete Forderung weder aufgeschlüsselt noch Beweismittel zum Nachweis der geltend gemachten Forderung angeboten habe. Für den Masseverwalter sei daher nicht nachvollziehbar gewesen, aufgrund welcher Anspruchsgrundlagen ein derart hohes Nettogehalt für einen Monat begehrt werde. Mangels Schlüssigkeit und Substantiierung hätte die Forderungsanmeldung richtigerweise zurückgewiesen werden müssen, weshalb der Klage schon aus diesem Grunde ein Erfolg zu versagen sei. Im übrigen werde gegen die Klagsforderung eine Gegenforderung von S 49.328,-- eingewendet.

Im vorbereitenden Schriftsatz ON 4 führte die Klägerin ergänzend aus, daß sich ihre Forderung laut Abrechnung des Dienstgebers wie folgt zusammensetze:

Gehalt 12/93 brutto S 29.829,--

Mehrstunden (6,5 x 178,62) brutto S 1.161,03

Überstundengrundlohn brutto S 66.076,50

Überstundenzulage 50 % brutto S 26.148,80

Überstundenzulage 50 % brutto S 3.776,--

Überstundenzulage 100 % brutto S 6.230,07.

Es ergebe sich daraus ein Bruttoanspruch von S 133.221,40, welcher nach Abzug der darauf entfallenden Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt S 51.750,40 den im Konkurs angemeldeten Nettobetrag ergebe. Die Gemeinschuldnerin habe ihre kollektivvertragliche Pflicht zur Führung von Überstundenaufzeichnungen nicht erfüllt, es sei daher auch die Klägerin zur Führung entsprechender Aufzeichnungen nicht verpflichtet gewesen. Im übrigen sei die Berechnung der Überstunden durch die Gemeinschuldnerin erfolgt, sodaß die Klägerin auf die Richtigkeit habe vertrauen dürfen. Die eingewendete Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, da der Klägerin nicht angelastet werden könne, daß die Gemeinschuldnerin für gewährte Sachbezüge die Lohnsteuer nicht korrekt abgerechnet habe.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 103 Abs. 1 KO seien in der Forderungsanmeldung nicht nur der Betrag der Forderung, sondern auch die rechtserzeugenden Tatsachen im einzelnen kurz und vollständig anzugeben und die Beweismittel genau zu bezeichnen. Nur dann sei es dem Masseverwalter, aber auch dem Gemeinschuldner und den übrigen Konkursgläubigern möglich, sich sachgerecht über den Bestand des angemeldeten Anspruches zu unterrichten. In der Forderungsanmeldung der Klägerin sei weder eine Aufschlüsselung erfolgt noch seien Beweismittel zum Nachweis der geltend gemachten Forderung angeboten worden. Für den Masseverwalter sei daher nicht nachvollziehbar gewesen, aufgrund welcher Anspruchsgrundlage dieses hohe Nettogehalt für einen Monat begehrt werde. Die Forderungsanmeldung müsse daher als nicht ausreichend substantiiert und konkretisiert und damit als unschlüssig bezeichnet werden. Das ergänzende Vorbringen im Prüfungsprozeß könne nur dann beachtet werden, wenn die Angaben der Forderungsanmeldung ausreichten, um die Identität der angemeldeten Forderung überprüfen zu können. Aufgrund der dürftigen Angaben im Konkursverfahren könne das Vorliegen der Identität der Forderungen nicht mehr unterstellt werden. Eine Verbesserung des fehlenden Vorbringens im Prüfungsprozeß sei deshalb nicht zulässig.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Bei Beurteilung der Frage, ob eine Forderungsanmeldung im Konkurs den Inhaltserfordernissen des § 103 KO entspreche, sei ein strenger Maßstab anzulegen, weil ansonsten die Gefahr bestehe, daß die Identität zwischen der im Konkurs angemeldeten und der im Prüfungsprozeß geltend gemachten Forderung nicht festgestellt werden könne, und weil nach Feststellung der Forderung aufgrund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis nach Konkursaufhebung in das Vermögen des Gemeinschuldners Exekution geführt werden könne. Der Umstand, daß das Konkursgericht die Forderungsanmeldung nicht zur Verbesserung zurückgestellt habe, habe keinen Einfluß auf die Beurteilung, da anderenfalls gegen den von Amts wegen zu beachtenden Grundsatz, daß nur die Feststellung einer ausreichend substantiiert angemeldeten Forderung im Prüfungsverfahren zulässig sei, verstoßen würde. Die in diesem Zusammenhang ergangene ältere Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach die unzureichende Forderungsanmeldung im Prüfungsprozeß verbessert werden könne, sei überholt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Revision der Klägerin kommt Berechtigung zu.

Vorweg ist klarzustellen, daß auf das gegenständliche Verfahren § 111 Abs. 1 KO idF vor der am in Kraft getretenen ASGG-Nov. 1994 anzuwenden ist, da die Klage am bei Gericht eingebracht wurde. Die Verfahrensbestimmungen des ASGG insbesondere jene der §§ 10 ff ASGG über die Gerichtsbesetzung sind daher auf den gegenständlichen Prüfungsprozeß nicht anzuwenden, wie dies für die hier zu beachtende alte Rechtslage durch die Entscheidung ArbSlg 10.759 klargestellt wurde.

Im Sinne des § 110 Abs. 1 KO ist Gegenstand des Prüfungsprozesses der Teilnahmeanspruch des Gläubigers, so wie er Gegenstand der Prüfungsverhandlung war (SZ 56/196; RdW 1987, 292; ÖBA 1993/392). Im Prüfungsprozeß ist deshalb nur die Feststellung einer im Prüfungsverfahren bestrittenen Forderung zulässig, die in der Anmeldung ausreichend substantiiert und konkretisiert wurde (5 Ob 307, 308/83; 4 Ob 4/84; 8 Ob 597, 598/89; 9 ObS 12/92; ecolex 1992, 629). Nur auf diese Weise kann die Identität der im Prüfungsprozeß geltend gemachten mit der im Konkursverfahren angemeldeten Forderung festgestellt werden. Das Klagebegehren des Prüfungsprozesses muß daher auf den Anspruchsgrund gestützt werden, der bereits in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben wurde (§ 110 Abs. 1 KO), eine Erweiterung oder Änderung des Klagegegenstandes und eine Klagsänderung sind nicht zulässig (SZ 39/76; 4 Ob 4/84; 8 Ob 597, 598/89). In der Forderungsanmeldung, deren Inhalt solcherart grundsätzlich durch die Erfordernisse des § 226 ZPO bestimmt wird, sind der Betrag der Forderung und die Tatsachen, auf die sie sich gründen sowie die Beweismittel anzugeben, die zum Nachweis der behaupteten Forderung beigebracht werden können (§ 103 Abs. 1 KO). Werden mehrere Forderungen angemeldet, so hat dies nicht in Bausch und Bogen zu geschehen; es sind vielmehr die Beträge der einzelnen Forderungen gesondert anzuführen, ebenso die für die einzelnen Forderungen anspruchsbegründenden Tatsachen (5 Ob 302/85; RdW 1987, 292). An die Beurteilung, ob eine Forderungsanmeldung im Konkurs die gesetzlichen Inhaltserfordernisse erfüllt, ist ein strenger Maßstab anzulegen, da einerseits sonst die Gefahr besteht, daß die Identität zwischen der im Konkurs angemeldeten und der im Prüfungsprozeß geltend gemachten Forderung nicht festgestellt werden kann und andererseits zu berücksichtigen ist, daß die im Konkurs festgestellte und vom Gemeinschuldner nicht ausdrücklich bestrittene Forderung aufgrund ihrer Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis nach Konkursaufhebung einen Exekutionstitel gegenüber dem Gemeinschuldner bildet (4 Ob 4/84; 5 Ob 302/85; RdW 1987, 292). Bei Prüfung des Inhaltes der Forderungsanmeldung darf überdies nicht außer acht gelassen werden, daß nach dem aus dem Gesetz hervorleuchtenden Zweck der Bestimmung des § 103 Abs. 1 KO die Anmeldung so bestimmt sein muß, daß sie dem Masseverwalter, dem Gemeinschuldner und den Konkursgläubigern die Möglichkeit gibt, sich über den Bestand der angemeldeten Forderung zu informieren, um sie in die Lage zu versetzen, sich bei der Prüfungstagsatzung zu der angemeldeten Forderung richtig zu erklären (5 Ob 307, 308/83; 4 Ob 4/84; 9 ObS 12/92).

Die vom Rekursgericht zitierten Belegstellen für eine von diesem strengen Beurteilungsmaßstab abweichende ältere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bewegen sich in Wahrheit ebenfalls innerhalb der dargestellten Grundsätze und nehmen nur auf die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles und den Sinn der dargestellten Grundsätze angemessen Bedacht: In 4 Ob 4/84 verwies der Oberste Gerichtshof ausdrücklich auf das Erfordernis der ausreichenden Substantiierung und Konkretisierung der Anmeldung, erachtete dieses jedoch deshalb für gegeben, da die Konkursgläubigerin in der Anmeldung ausdrücklich das erstinstanzliche Urteil, mit welchem ihr der angemeldete Betrag zugesprochen worden war, genannt und es lediglich unterlassen hatte, die in der Klage enthaltene Aufgliederung in ihrer Anmeldung zu wiederholen. In diesem Falle wurde es als dem Masseverwalter zumutbar erachtet, in den Prozeßakt Einsicht zu nehmen, um so den bereits dargestellten Zwecken des § 103 Abs. 1 KO gerecht zu werden. Auch in der Entscheidung SZ 56/196 hielt der Oberste Gerichtshof an dem Grundsatz fest, daß die Prüfungsklage nur auf den in der Anmeldung der Forderung angegebenen Rechtsgrund gestützt werden und nicht über den Umfang der Anmeldung hinausgehen dürfe. Er erachtete aber die Zuordnung eines im Prüfungsprozeß geltend gemachten Teilbetrages zu dem in der Anmeldung unter Nennung zweier Rechtsgründe genannten Gesamtbetrag deshalb für möglich, da der aus dem einen Rechtsgrund resultierende Betrag vom Masseverwalter ausdrücklich anerkannt worden war und somit der auf den zweiten Rechtsgrund gestützte Klagsbetrag identifiziert werden konnte. Die Entscheidungen 8 Ob 597, 598/89 und ÖBA 1993/392 hatten sich mit der Anmeldung von Forderungen aus einem Kontokorrentkreditverhältnis zu befassen und gelangten zu dem Ergebnis, daß es auch in einer Klage nicht erforderlich wäre, zur rechnungsmäßigen Darlegung des geltend gemachten Saldos alle Einzelposten anzuführen, solange nur der Anspruchsgrund sowie die einzeln bezeichneten Beweismittel eine ausreichende Identifizierung erlaubten. Soweit Einzelposten vom Masseverwalter bestritten worden seien, seien sie dadurch ausreichend bestimmter Gegenstand der Prüfungsverhandlung geworden.

Ein den zuletzt genannten Fällen durchaus vergleichbarer Sachverhalt liegt hier zur Beurteilung vor. Auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes darf nämlich nicht übersehen werden, daß der in der Forderungsanmeldung der Klägerin verwendete Ausdruck "Lohn" nicht anders als das für die Dienstleistung gebührende Entgelt im Sinne des § 6 AngG verstanden werden kann. Darunter ist aber nach Lehre und Rechtsprechung jede Art von Leistung zu verstehen, die dem Arbeitnehmer für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt wird. Es sind davon neben dem eigentlichen Gehalt auch alle übrigen regelmäßigen oder sonstigen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art, selbst wenn diese auf tatsächliche Mehrleistungen des einzelnen Angestellten abstellen, erfaßt (Arb 9798; 10.308; Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG 177; Krejci in Rummel ABGB2 Rdz 9 zu § 1152). Der rechtserzeugende Sachverhalt im Sinne des § 103 Abs. 1 KO liegt daher sowohl hinsichtlich des fortlaufenden Gehalts gemäß § 15 AngG als auch der Entlohnung für Überstunden (als welche im Ergebnis auch die im Schriftsatz ON 4 genannten "Mehrstunden" anzusehen sind) in dem Entgeltanspruch der Klägerin aufgrund der im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbrachten Leistungen. Die Anmeldung macht für alle am Konkursverfahren Beteiligten ausreichend klar, daß Arbeitsentgelt für einen bestimmten Zeitraum begehrt wird. Da das aufrechte Bestehen des Arbeitsverhältnisses für den Abrechnungszeitraum nicht strittig ist, bedurfte es diesbezüglich auch nicht der Vorlage weiterer Beweismittel. Auch die Vorlage von Aufzeichnungen über die Anzahl der geleisteten Überstunden konnte von der Klägerin im Hinblick auf die im § 26 Abs. 1 AZG normierte Pflicht des Dienstgebers, derartige Aufzeichnungen zu führen, vorerst nicht erwartet werden. Daß die Klägerin in ihrer Anmeldung keine Beweismittel verzeichnet hat, vermag ihr daher nicht zu schaden. Auch hat sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkt dafür ergeben, daß der beklagte Masseverwalter nicht leicht in der Lage gewesen wäre, aus den Unterlagen der Gemeinschuldnerin den Gehalt der Klägerin zu erheben, sodaß es ihm ohneweiteres möglich gewesen wäre, aus der Differenz dazu den Umfang des auf die Überstundenentlohnung entfallenden Anteiles zu errechnen. Daß die angemeldete Forderung dem Masseverwalter insgesamt überhöht erschien, berührt - wie die Revisionswerberin zutreffend vorbringt - nicht die Frage der Schlüssigkeit des Anspruches, sondern jene der materiellen Berechtigung.

Es war daher der Revision Folge zu geben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die Berechtigung der Ansprüche der Klägerin jedoch ausschließlich im Rahmen der Anmeldung und daher nur für den Monat Dezember zu prüfen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.