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OGH vom 25.09.2017, 17Os12/17v

OGH vom 25.09.2017, 17Os12/17v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Regina S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef H***** sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft, der Angeklagten Regina S***** und der Privatbeteiligten Stadt W***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom , GZ 4 Hv 65/15v-244, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, der Angeklagten Regina S***** und Josef H***** und ihrer Verteidiger Dr. Mayr und Dr. Gütlbauer zu Recht erkannt:

Spruch

I/ In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II, demgemäß auch im Strafausspruch, im Kostenausspruch und im Adhäsionserkenntnis betreffend Josef H***** aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Josef H***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch „die Stadt W***** am Kontrollrecht des Gemeinderates sowie am Recht der Stadt W***** auf ordentliche Gebarung sowie auf ordentliche Kontrolle der Kassengebarung sowie den Bund am Strafverfolgungsrecht“ zu schädigen, seine Befugnis, „im Namen der Stadt W*****, sohin eines Gemeindeverbandes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen wissentlich missbraucht“, indem er

1. Anfang 2010 in Kenntnis von Veruntreuungen von Geldern bei der Gebarung des We***** es unterließ, entgegen der Bestimmung des § 44 des Oö. Statutargemeinden-Beamtengesetzes StGBG 2002 in der Fassung LGBl Nr 50/2002, seinem Vorgesetzten und entgegen der Dienstanweisung Nr 63/1969 Punkt 5d), seinem Vorgesetzten insbesondere der Magistratsdirektion und der Magistratsabteilung 9 darüber Meldung zu erstatten und

2. am in Kenntnis von Veruntreuungen durch Regina S*****, es unterließ entgegen der Bestimmung des § 44 des Oö. StatutargemeindenBeamtengesetzes 2002 in der Fassung LGBl Nr 50/2002, seinem Vorgesetzten und entgegen der Dienstanweisung 158/2012 Punkt e), seinem Vorgesetzten insbesondere der Dienststelle Präsidium und der Finanzdirektion darüber Meldung zu erstatten.

Die Privatbeteiligte Stadt W***** wird mit ihren gegen Josef H***** gerichteten Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

II/ Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte Josef H***** und – soweit sie diesen Angeklagten betreffen – die Staatsanwaltschaft und die Privatbeteiligte Stadt W***** mit ihren Berufungen verwiesen.

III/ Den Berufungen der Angeklagten Regina S***** und der Staatsanwaltschaft, soweit sie diese Angeklagte betrifft, wird nicht Folge gegeben.

IV/ In Stattgebung der Berufung der Privatbeteiligten wird Regina S***** schuldig erkannt, der Stadt W***** 360.782,93 Euro binnen vierzehn Tagen zu zahlen. Mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen wird die Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

V/ Der Angeklagten Regina S***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Interesse – Regina S***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (I) und Josef H***** (wegen des zuvor wiedergegebenen Vorwurfs) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (II/1 und 2) schuldig erkannt.

Nach Punkt I des Schuldspruchs hat Regina S***** von 2006 bis August 2014 in W***** in 96 – im angefochtenen Urteil einzeln angeführten – Fällen sich ein ihr anvertrautes Gut im 300.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich von ihr als Kassenkraft des We***** für Eintritte teils selbst, teils von Kolleginnen und Kollegen kassiertes und ihr zwecks Einzahlung übergebenes Bargeld von insgesamt 383.714,03 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet.

Die von Josef H***** gegen den Schuldspruch II aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Das Erstgericht ging von folgendem Urteilssachverhalt aus:

Die Stadt W***** betreibe unter der Bezeichnung „We*****“ ein Hallenbad samt Sauna, welches (innerhalb des Magistrats) der Dienststelle „Freizeitbetriebe und Hallen“ zugeordnet, während diese der Abteilung „Schulen, Jugend und Freizeit“ unterstellt gewesen sei. Im Tatzeitraum sei Josef H***** Leiter dieser Abteilung gewesen, die Vertragsbedienstete Regina S***** habe als Kassiererin im „We*****“ gearbeitet. Als solche habe sie das eingenommene Bargeld selbst auf ein Konto der Stadt W***** unter dem Verwendungszweck „Eintrittsgebühren (Frei- und Hallenbad)“ mit näherer „Aufteilung der Umsätze auf die Voranschlagstellen 'Eintrittsgebühren Hallenbad und Sauna' einerseits und 'Eintrittsgebühren Freibad' andererseits“ einzahlen müssen. Zu Kontrollzwecken habe sie pro Kalenderjahr (zumindest) einen Abrechnungsordner (mit Wochenabrechnungen, „Tagesabrechnungsstreifen aus dem Kassensystem“ und [mit einem „Aufdruck“ der Bank versehenen] Abschnitten der Einzahlungsbelege) angelegt. Der zweite Abschnitt des Einzahlungsbelegs sei jeweils von der Bank direkt der Buchhaltung der Stadt W***** übermittelt worden. Von der Stadtbuchhaltung sei nach Einlangen dieses Abschnitts auf Grund der Gutschrift auf dem Konto der Stadt W***** jeweils „ein Beleg namens 'Annahmeanordnung' vorbereitet“ worden. Auf diesem Beleg seien der Einzahler („SF-Bad“), die Nummern der Voranschlagstellen, die Beträge und der Satz, „Die Stadtkasse wird angewiesen, den Betrag von Euro … in Empfang zu nehmen“, angeführt gewesen. Diese Belege seien an die Dienststelle Freizeitbetriebe und Hallen übermittelt, „üblicherweise“ vom Dienststellenleiter und vom Abteilungsleiter Josef H***** unterschrieben und schließlich „an die Dienststelle Stadtbuchhaltung“ retourniert worden. Ab 2012 seien die „Kassenabrechnungsordner pro Kassenkraft ausschließlich im Büro“ (nicht mehr von der Kassiererin) geführt worden.

Regina S***** habe von August 2006 bis August 2014 in zahlreichen, im Urteil einzeln angeführten Fällen von ihr als Kassiererin des We***** eingenommenes Bargeld von insgesamt mehr als 380.000 Euro nicht auf das Konto der Stadt W***** eingezahlt. Zur Verschleierung habe sie teils keine Wochenabrechnungen in die Abrechnungsordner gelegt und in einigen Fällen die bei ihr verbliebenen Abschnitte der Einzahlungsbelege durch händische Änderung der Beträge „manipuliert“. Dieses Vorgehen sei jahrelang nicht aufgefallen, weil die in der Dienststelle „Freizeit-betriebe und Hallen“ geführten Abrechnungsordner – entgegen einer Weisung des Josef H***** aus dem Jahr 2006 – bis zum Jahr 2013 keine Kopien der „Annahmeanordnungen“ enthalten hätten und so ein Vergleich der in diesen Ordnern erfassten Zahlen mit jenen der Stadtbuchhaltung (auf Basis der tatsächlich von den Kassiererinnen auf das Konto der Stadt W***** eingezahlten Beträge) nicht möglich gewesen sei.

Bereits Anfang des Jahres 2010 habe der Verdacht bestanden, eine Kassiererin des „We*****“ habe im Jahr 2009 Eintrittsgelder nicht ordnungsgemäß auf das Konto der Stadt W***** eingezahlt, sondern veruntreut. Dies habe auch Josef H***** vermutet. Am habe sich seine Vermutung auf die Person von Regina S***** und einen Betrag von etwa 48.000 Euro konkretisiert. Josef H***** habe es ungeachtet dieses Verdachts – entgegen den im Urteilstenor angeführten Dienstanweisungen und § 44 Oö Statutar-gemeinden-BedienstetenG 2002 (idF LGBl 2002/50) – unterlassen, Meldung an seinen Vorgesetzten und die in den Dienstanordnungen genannten Dienststellen zu erstatten. Er habe gewusst, dass er dadurch seine („im Zusammenhang mit dem Belegwesen und der Erstellung des Rechnungsabschlusses“ bestehende) Befugnis, als Beamter der Stadt W***** „in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, missbrauchte“. Er habe es Anfang 2010 und im August 2014 in seinen Vorsatz aufgenommen, „durch diesen Befugnismissbrauch die Stadt W***** am Recht des Gemeinderates auf ordentliche Gebarung und ordnungsgemäße Prüfung des Rechnungsabschlusses“ zu schädigen. Anfang 2010 sei sein Vorsatz überdies darauf gerichtet gewesen, dadurch „in letzter Konsequenz auch den Bund an seinem Recht auf Strafverfolgung zu schädigen“. Einen dahingehenden Schädigungsvorsatz verneinten die Tatrichter jedoch im Zusammenhang mit dem das Jahr 2014 betreffenden Vorwurf, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass Josef H***** im August 2014 davon ausgegangen sei, eine allfällige Strafbarkeit der Regina S***** sei durch die Vereinbarung schadensbereinigender Maßnahmen bereits aufgehoben. Einen auf Schädigung der Stadt W***** oder des Bundes an deren Vermögen gerichteten Vorsatz des Josef H***** verneinte das Erstgericht übrigens, weshalb es diesen Angeklagten vom Vorwurf der Veruntreuung (als Beitragstäter durch Unterlassen effektiver Kontrollen) freisprach.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II einen Rechtsfehler mangels Feststellungen auf:

Der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt setzt Fehlgebrauch der Befugnis „in Vollziehung der Gesetze“, also im Rahmen der Hoheitsverwaltung, voraus (RISJustiz RS0105870). Die Einordnung von Verwaltungshandeln als Akt der Hoheitsverwaltung – nicht der Privatwirtschaftsverwaltung – erfolgt primär danach, ob der Staat (das für ihn handelnde Organ) zur Erreichung seiner Ziele die ihm auf Grund seiner spezifischen Macht gegebene einseitige Anordnungsbefugnis gebraucht, demnach als Träger dieser besonderen Befehls- und Zwangsgewalt (imperium) auftritt. Hoheitliches Verwaltungshandeln kommt insbesondere im Einsatz bestimmter Rechtsformen (Verordnung, Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) zum Ausdruck. Darüber hinaus ist auch Verwaltungshandeln, das selbst nicht normativer Art ist, sondern entweder in tatsächlichen Verrichtungen („Realakten“) oder auch Privaten zur Verfügung stehenden (also nicht typisch hoheitlichen) Rechtsformen in Erscheinung tritt, hoheitlicher Natur, wenn es im Zusammenhang mit Hoheitsakten steht, diese also vorbereitet, begleitet oder umsetzt, (schlichte) Hoheitsverwaltung (zum Ganzen RIS-Justiz RS0130809; Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5 Rz 684 ff; Grabenwarter/Holoubek, Verfassungsrecht – Allgemeines Verwaltungsrecht3 Rz 736 ff, 953 f und 1016; zur ständigen Rechtsprechung des VfGH grundlegend VfSlg 3.262).

Hoheitliches und damit im Sinn des § 302 Abs 1 StGB tatbildliches Handeln hat der Oberste Gerichtshof nach diesem Ansatz wiederholt auch bei Buchungsvorgängen im Rahmen der Kassen- und Buchführung einer Gemeinde bejaht (17 Os 45/14t, EvBl 2015/109, 760 = JBl 2016, 341 [Wessely]; 17 Os 36/15w; 17 Os 14/16m), dabei aber zwischen dem wirtschaftlichen Vorgang (etwa der Auszahlung einer Subvention als Akt der Privatwirtschaftsverwaltung [vgl 17 Os 45/14t und 17 Os 14/16m]) und dessen Darstellung in der Buchhaltung (als Umsetzung des Voranschlags und Vorbereitung des Rechnungsabschlusses im Rahmen der Hoheitsverwaltung) unterschieden.

Der Betrieb des „We*****“ ist – wie das Erstgericht zutreffend erkannte (US 21 und 62) – der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für in diesem Zusammenhang gesetzte (oder unterlassene) Kontrollmaßnahmen durch Dienstvorgesetzte. Dennoch legten die Tatrichter Josef H***** Missbrauch seiner Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften „in Vollziehung der Gesetze“ zur Last, weil ihm im Tatzeitraum – gemäß den „haushaltsrechtlichen Festlegungen zum Voranschlag“ – „im Zusammenhang mit dem Belegwesen und der Erstellung des Rechnungsabschlusses insofern eine Funktion“ zugekommen sei, als er berechtigt und verpflichtet gewesen sei,„Auszahlungen und Annahmen durch die Unterfertigung von Auszahlungs- und Annahmeanordnungen anzuordnen“ (US 19 und 22). Nach den (oben wiedergegebenen) Feststellungen bestätigte Josef H***** mit Unterfertigung der (hier relevanten) von der Stadtbuchhaltung (auch hinsichtlich der Voranschlagsstellen) bereits vorbereiteten Annahme-anordnungen der Sache nach jedoch lediglich, dass es sich bei den von Kassiererinnen (tatsächlich) eingezahlten Beträgen um (übrigens ohne Bindung an den Voranschlag einzuhebende Hengstschläger, 12. Teil, Gemeindehaushaltsrecht Rz 2, 99 und 145, in Pabel {Hrsg} Gemeinderecht; Neuhofer, Gemeinderecht2, 500) Einnahmen aus dem Betrieb des „We*****“ handelte. Eine Anordnungskompetenz im Hinblick auf die (hoheitliche) Verbuchung der Vorgänge ergibt sich daraus nicht. Vielmehr lässt das konstatierte Anweisungsrecht des Beschwerdeführers erkennen, dass ihm– zufolge des im Gemeinderecht verankerten Grundsatzes der Trennung von Anweisungsbefugnis und Zahlungsvollzug (vgl Hengstschläger, 12. Teil, Gemeindehaushaltsrecht Rz 167 ff, in Pabel [Hrsg] Gemeinderecht; Neuhofer, Gemeinderecht2, 501 und 504) – eine Kompetenz im Rahmen der Kassen- und Buchführung gerade nicht zukam (in diesem Sinn auch die vom Gemeinderat der Stadt W***** beschlossenen haushaltsrechtlichen Festlegungen ON 233 S 15, 37, 59, 78, 98 und 117 und die Aussage des Zeugen Johann E***** ON 144 S 47).

Josef H***** hatte daher zusammengefasst – nicht anders als etwa die Mitangeklagte Regina S***** – bloß für die ordnungsgemäße Abwicklung der (privat)wirtschaftlichen Vorgänge, nicht für deren buchhalterische Darstellung, zu sorgen. Eine Befugnis, Amtsgeschäfte im Rahmen der Hoheitsverwaltung vorzunehmen, kam ihm somit im hier relevanten Zusammenhang nicht zu.

Damit scheidet auch tatbildlicher Befugnisfehlgebrauch des Beschwerdeführers durch das angelastete Unterbleiben einer Meldung an Vorgesetzte (oder bestimmte Dienststellen) im Hinblick auf eine behördliche Anzeigepflicht wegen der von ihm im Jahr 2010 vermuteten Straftaten aus. Nach § 78 StPO ist eine Behörde oder öffentliche Dienststelle zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltshaft verpflichtet, wenn ihr der Verdacht einer Straftat bekannt wird, die „ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft“. Mit dieser (durch das StPRÄG 1993 eingeführten) Formulierung sollte die Pflicht – daran lassen die Gesetzesmaterialien (unter anderem mit Verweis auf die „Brisanz“ wegen der Rechtsprechung, wonach eine Verletzung dieser Pflicht Missbrauch der Amtsgewalt sein könne vgl RIS-Justiz RS0117254; idS bereits SSt 26/44) keinen Zweifel – die Adressaten „nur im Rahmen der jeweiligen hoheitlichen Befugnisse“ treffen (so ausdrücklich JAB 1157 BlgNR 18. GP, 8; ähnlich EBRV 924 BlgNR 18. GP, 20; 1387 BlgNR 18. GP, 3 [zu § 45 Abs 3 BDG];Einführungserlass zum StPRÄG 1993, JABl 1994/6, 25; Schwaighofer, WKStPO § 78 Rz 12 und 15; Fabrizy, StPO12§ 78 Rz 3; aA Schick, Opferschutzrechte als Schutzrechte des Beschuldigten, RZ 1994 208 212 f).

Dass Josef H***** Anfang 2010 – aus anderen Gründen als vom Erstgericht (zu Unrecht) vermuteter Aufgabenerfüllung im Rahmen der Gemeindebuchhaltung – der Verdacht einer Straftat im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit bekannt geworden sei (vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Dienstrecht der Beamten4, 257 f; 13 Os 38/00; vgl auch RISJustiz RS0130807), hat das Erstgericht nicht festgestellt.

Soweit § 44 Oö. Statutargemeinden-BedienstetenG 2002 (idF LGBl 2002/50) und im Urteil erwähnte (bloß im Innenverhältnis wirksame vgl etwa Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5 Rz 935) Dienstanweisungen eine weitergehende Meldepflicht von Beamten (Abteilungsleitern) an den Vorgesetzten oder bestimmte Dienststellen (bei Wahrnehmung von „Unregelmäßigkeiten“ auch außerhalb der Hoheitsverwaltung) vorsehen, ist dies unter dem Aspekt von Strafbarkeit nach § 302 Abs 1 StGB ohne Bedeutung, weil diese bloß interne Meldepflicht insoweit keinen Bezug zu einer der Behörde (oder öffentlichen Dienststelle) zukommenden Befugnis zu hoheitlichem Handeln (im Außenverhältnis) aufweist (vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 256 f; EBRV 1387 BlgNR 18. GP, 3).

Der aufgezeigte Rechtsfehler erforderte die Aufhebung des Schuldspruchs II, demgemäß auch des Strafausspruchs, des Kostenausspruchs und des Adhäsionserkenntnisses (RIS-Justiz RS0101303; Ratz, WKStPO § 289 Rz 7) hinsichtlich Josef H*****, ohne dass es einer Erörterung seines weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte Josef H***** und – soweit sie diesen Angeklagten betrifft – die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Da nach der Aktenlage Feststellungen, die einen Schuldspruch in Ansehung des hier gegenständlichen Sachverhalts (auch wegen einer anderen strafbaren Handlung) tragen könnten, in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs II mit Freispruch in der Sache selbst zu entscheiden (RIS-Justiz RS0118545; Ratz, WKStPO § 288 Rz 24).

Die Privatbeteiligte Stadt W***** war mit ihren gegen Josef H***** gerichteten Ansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Darauf war sie mit ihrer Berufung gegen das Josef H***** betreffende Adhäsionserkenntnis zu verweisen.

Das Erstgericht verhängte über Regina S***** eine (unbedingte) Freiheitsstrafe von 30 Monaten. Dabei erachtete es die „äußerst häufige“ Tatwiederholung während eines langen Tatzeitraums (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), die teilweise Schadensgutmachung (im Ausmaß von etwa 23.000 Euro [§ 34 Abs 1 Z 14 StGB]) und das „weitgehend vorliegende reumütige Geständnis“ (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) mildernd.

Regina S***** strebt mit ihrer Berufung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren teilbedingte Nachsicht an; die Staatsanwaltschaft begehrt eine Erhöhung der unbedingten Freiheitsstrafe. Keiner der Berufungswerber reklamiert das Vorliegen vom Erstgericht nicht berücksichtigter (besonderer) Strafzumessungsgründe.

Angesichts der im angefochtenen Urteil zutreffend angeführten Strafzumessungsgründe erscheint dem erkennenden Senat die vom Erstgericht verhängte Strafe schuldangemessen.

Nach dem Urteilssachverhalt habe Regina S***** der Stadt W***** durch die vom Schuldspruch I erfassten Handlungen einen Vermögensschaden von insgesamt 383.714,03 Euro zugefügt, wovon sie 22.931,10 Euro gutgemacht habe (US 60 f). Den von der Privatbeteiligten aus dem Titel des Schadenersatzes (ON 236 S 87) geltend gemachten Anspruch anerkannte die Angeklagte Regina S***** unter Berufung auf einen Beschluss des Gemeinderats der Stadt W***** vom nicht. Nach dessen– im Urteil festgestelltem (US 23 f) – Wortlaut „verzichtet“ die Stadt W***** auf Ersatzansprüche, die ihr „gegenüber einer oder mehreren Personen, welche als Organe der Stadt W***** gehandelt haben“, aufgrund verschiedener, einzeln angeführter (etwa § 3 AHG) oder „sonstigen Rechtsvorschriften“ zustehen „und nicht durch eine entsprechende Versicherung abgedeckt sind“, unter im Beschluss näher genannten Umständen (etwa wenn – wie im Anlassfall – „die Höhe des Ersatzanspruches der Stadt W***** das Ausmaß von zwei Monatsbezügen des Ersatzpflichtigen übersteigt, hinsichtlich des Betrages, der dieses Ausmaß übersteigt“). Das Erstgericht begründete die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg damit, dass zu klären sei, ob Regina S***** aus diesem Beschluss „ein subjektives Recht ableiten kann“. Dafür sei „eine historische Interpretation des Beschlusses erforderlich“. Weiters „könnten die Fragen, ob ein allfälliger Verzicht gegenüber Regina S***** wirksam erklärt worden ist bzw. ob sie eine derartige Erklärung allenfalls angenommen hat, von rechtlicher Bedeutung sein“. Die dafür erforderlichen Beweisaufnahmen würden aber (im Sinn des § 366 Abs 2 letzter Halbsatz StPO) die Entscheidung in der Schuld- und der Straffrage erheblich verzögern (US 61).

Der Berufungswerberin ist zuzugestehen, dass schon der (in der Hauptverhandlung vorgetragene [ON 237 S 29]) Inhalt des Amtsberichts, welcher der Beschlussfassung des Gemeinderats unmittelbar voranging, nahelegt, dass sich der Beschluss nicht auf (wie hier) vorsätzliche Schadenszufügung bezieht, wird doch dort ausdrücklich auf die Vertragsbedingung einer (damals bestehenden) Amtshaftpflicht-Versicherung verwiesen, nach welcher der Versicherer auf die Geltendmachung des (auf ihn übergegangenen) Regressanspruchs (vgl § 3 Abs 1 AHG) verzichtet, „sofern nicht eine vorsätzliche Rechtsverletzung durch das Organ vorliegt“. Für Regressforderungen, „die sich nicht auf das Amtshaftungsgesetz, sondern auf andere Rechtsvorschriften“ stützen, wurde „ein analoger Verzicht der Stadt W***** auf Ersatzforderungen gegenüber ihren Organen“ für notwendig erachtet (ON 226 S 2 f).

Selbst bei einer (von den Tatrichtern offenbar für möglich gehaltenen) Auslegung des Gemeinderatsbeschlusses dahingehend, dass auch Ersatzansprüche aus vorsätzlicher Schadenszufügung ausgeschlossen sein sollten, wäre aber– der Ansicht des Erstgerichts zuwider – keine weitere Beweisaufnahme dazu erforderlich gewesen, ob ein solcher „Verzicht“ (der Sache nach ein Haftungsausschluss) Regina S***** gegenüber durch Vertrag (etwa anlässlich des Dienstvertragsabschlusses) rechtswirksam wurde (vgl zur Rechtsnatur des Verzichts als – annahmebedürftiger – Vertrag RISJustiz RS0034122, RS0014090; Griss/P. Bydlinski in KBB5§ 1444 Rz 2 und 5). Ein Haftungsausschluss für vorsätzliche Schadenszufügung (hier durch Begehung einer Straftat) wäre nämlich jedenfalls sittenwidrig und daher nichtig (RIS-Justiz RS0016582, RS0038178; Krejci in Rummel/Lukas, ABGB4§ 879 Rz 123; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4§ 879 Rz 11g).

Die Ergebnisse des Strafverfahrens boten daher eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung des geltend gemachten privatrechtlichen Anspruchs, weshalb der Privatbeteiligten in Stattgebung ihrer Berufung (§ 366 Abs 2 und 3 StPO) der im Spruch ersichtliche Betrag zuzusprechen war.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00012.17V.0925.000
Schlagworte:
Strafrecht

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