VfGH vom 06.10.1997, B439/97
Sammlungsnummer
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Leitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des § 2a Nö AnzeigenabgabeG mit E v , G322,323/97.
Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Niederösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit je 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Das Landesabgabenamt für Niederösterreich schrieb dem Österreichischen Rundfunk mit Bescheiden vom , vom , vom und vom für die Monate April 1995 bis einschließlich April 1996 für die Verbreitung von Anzeigen durch den Rundfunk unter Berufung auf Bestimmungen des NÖ AnzeigenabgabeG, LGBl. 3705-2, darunter dessen § 2a, Anzeigenabgabe in betragsmäßig bestimmter Höhe vor. Die auf die bereits erstattete Anzeigenabgabe bezogenen Rückerstattungsanträge des Österreichischen Rundfunks wurden mit diesen Bescheiden hinsichtlich der Monate August 1995 bis April 1996 als unbegründet abgewiesen, im übrigen aber als "ins Leere gehend" bezeichnet. Mit Bescheiden vom und vom wies die Niederösterreichische Landesregierung die dagegen erhobenen Berufungen als unbegründet ab und bestätigte die erstinstanzlichen Abgabenbescheide.
Gegen diese beiden Berufungsbescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden nach Art 144 B-VG, in denen die beschwerdeführende Partei insbesondere die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung als verfassungswidrig kritisierter Bestimmungen des NÖ AnzeigenabgabeG geltend macht.
2. Aus Anlaß der Beschwerden B1439/96 und B4535/96 leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 2a NÖ AnzeigenabgabeG, LGBl. 3705-2, ein und hob sodann diese Gesetzesbestimmung mit Erkenntnis G322,323/97 vom als verfassungswidrig auf.
3. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte.
Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren
(VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im erwähnten Verfahren G322,323/97 zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 2a NÖ AnzeigenabgabeG begann am . Die Beschwerde zu B439/97 langte am , die zu B899/97 erhobene am beim Gerichtshof ein. Beide Beschwerdeverfahren waren also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; die Fälle sind somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.
Die Bescheide sind daher aufzuheben.
II. Die Kostenentscheidung
gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je 3000 S enthalten.
III. Von der Durchführung einer
mündlichen Verhandlung wurde in sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG abgesehen.
Fundstelle(n):
SAAAD-99760