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OGH vom 16.03.1999, 14Os155/98

OGH vom 16.03.1999, 14Os155/98

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aichinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Kurt N***** wegen des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom , GZ 17 Vr 1.034/98-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Puschner zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt N***** des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Jahr 1994 in Sch***** als Bediensteter der "Stadtgemeinde Sch*****-Wasserwerk" durch Bekanntgabe der Namen jener Unternehmen, die - neben der Firma Sch***** Bau GmbH (SBG) - von der Stadtgemeinde Sch***** im Zuge der Vergabe bestimmter Bauarbeiten zur Angebotslegung eingeladen worden waren, an Mitarbeiter der bezeichneten Kapitalgesellschaft (SBG) ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes zugänglich gewordenes Geheimnis preisgegeben, wobei die Offenbarung geeignet war, ein öffentliches oder berechtigtes privates Interesse zu verletzen.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen war der Beschwerdeführer zwischen 1962 und 1994 als Betriebsleiter des Wasserwerkes Schwechat mit in diesen Bereich fallenden Auftragsvergaben der Stadtgemeinde befaßt. Im Jahr 1994 gelangten für das Projekt Sch*****-Mozartstraße im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung Leistungen über Rohrlegeinstallations-, Erd- und Baumeisterarbeiten zur Vergabe.

Hiebei wurde seitens der Stadtgemeinde eine begrenzte Anzahl von Unternehmern, darunter die SBG, schriftlich zur Angebotslegung innerhalb einer bestimmten Frist eingeladen. Die Versendung dieser Einladungen an die potentiellen Auftragnehmer nahm der Angeklagte vor. Noch vor Angeboteröffnung teilte er einem Mitarbeiter der SBG die Namen der übrigen zur Angebotsabgabe eingeladenen Firmen mit.

Kurt N***** war sich des Geheimnischarakters der ihm unmittelbar bei Ausübung seiner Amtstätigkeit bekanntgewordenen Namen der ausgewählten Unternehmer bewußt; ferner hielt er die Beeinträchtigung berechtigter wirtschaftlicher Interessen der Stadtgemeinde Sch***** - wettbewerbsorientierte Erzielung eines möglichst günstigen Angebots - durch die Offenlegung der Namensliste ernstlich für möglich und fand sich damit ab. Tatsächlich erfolgten zwischen Organen der SBG und den verratenen präsumptiven Mitbietern vor Angebotsabgabe Preisabsprachen, die es der SBG ermöglichten, als Billigstbieter den Zuschlag zu erlangen.

Die aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst (Z 9 lit a) ficht der Beschwerdeführer den Geheimnischarakter der inkriminierten Offenbarung an. Die Namen der von einer Gebietskörperschaft in einem nicht offenen Vergabeverfahren zur Angebotsabgabe eingeladenen Unternehmer unterfielen seiner Auffassung nach deshalb nicht dem Geheimnisbegriff des § 310 StGB, weil sich über diese Tatsache mit Rücksicht auf die (vom Erstgericht angeblich verkannte) Zielsetzung beschränkter Ausschreibungen - Vertragsabschluß mit ortsansässigen bzw verläßlichen Betrieben - nach § 1 NÖ Auskunftsgesetz jedermann informieren könne; tatbestandsmäßige Objektqualität komme nämlich erst den Namen jener Unternehmer zu, die aufgrund einer solchen Einladung tatsächlich (durch Einreichen eines Angebots) als Bieter auftreten.

Der Einwand versagt.

Der Angeklagte übersieht, daß das in den (gemäß Art 20 Abs 4 B-VG erlassenen) bundes- und landesgesetzlichen Regelungen statuierte subjektive Recht auf Auskunft (das auch Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung erfaßt - Mayer B-VG2 Art 20 C I 3) durch gesetzliche Verschwiegenheitspflichten beschränkt ist (Mayer aaO C I 4). In diesem Sinn postuliert § 4 Abs 1 Z 2 des (in Ausführung des Auskunftspflicht-Grundsatzgesetzes, BGBl Nr 286/1987, ergangenen) NÖ-Auskunftsgesetzes vom , LGBl Nr 76/1988, explizit einen Verweigerungsgrund bei Vorliegen eines gesetzlichen Verschwiegenheitsgebotes (hier: Art 20 Abs 3 B-VG; § 30 der NÖ GBDO 1976 idF LGBl 1995/97; siehe auch § 46 Abs 1 BDG).

Ein amtlicher Vorgang, über den sich jeder informieren kann (Leukauf/Steininger Komm3 RN 5; Bertel in WK Rz 2; Triffterer StGB-Kommentar System und Praxis III Rz 7, je zu § 310), liegt daher nicht vor.

Darüber hinaus kommt es (nach der weitgefaßten Formulierung des § 310 StGB) entscheidend allein darauf an, daß die preisgegebene amtliche Tatsache geheim, also nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich war (Leukauf/Steininger aaO; Bertel aaO; Foregger/Kodek StGB6 § 310 Anm III), diese dem Täter unmittelbar aufgrund seiner Amtsstellung bekannt wurde und die Geheimhaltung im Interesse einer Person des öffentlichen Rechts (oder der Parteien) geboten ist (Leukauf/Steininger aaO RN 8; Bertel aaO Rz 2, 4; Triffterer aaO Rz 14 ff).

Sämtliche dieser Kriterien sind hier gegeben: Die Namen jener von der Stadtgemeinde Sch***** zur Angebotslegung eingeladenen Firmen waren nach den - vom Nichtigkeitswerber in seinem weiteren Vorbringen prozeßordnungswidrig vernachlässigten - erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen (US 4) "geheim", sohin keineswegs einer unbeschränkten Personenanzahl bekannt und dem Angeklagten (als Beamten) ausschließlich durch Erfüllung seiner amtlichen Aufgaben im Bereich des Wasserwerkes Sch***** zugänglich. Ferner bestand an der Geheimhaltung der in Aussicht genommenen Bieter ein grundlegendes öffentliches Interesse. Zielsetzung des Vergaberechtes ist es, für den Bereich von Auftragsleistungen für die öffentliche Hand eine gleichmäßige Ausschreibung und Vergabe unter Beachtung der Grundsätze eines freien und lauteren (fairen) Wettbewerbs sowie der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter sicherzustellen (Punkt

1.3.1. der ÖNORM A 2050; Huber BVergG KK S 29 ff; Oberndorfer/Straube Vergabe- und Verdingungswesen Komm2 A 2050, Abschnitt 1.4., S 13 ff). Die Hintanhaltung von Preisabsprachen bildet einen der Kernpunkte des Vergabeverfahrens, weshalb durch strenge Verfahrensvorschriften Preisvergleiche vor Anbotsöffnung vermieden werden sollen (1.7.4.3. der ÖNORM A 2050; vgl ausdrücklich auch - in bezug auf Vergaben des Bundes - § 45 Abs 2 BVergG, BGBl I Nr 56/1997 sowie 972 BlgNR 18. GP, 60; ferner §§ 14 Abs 1, 17 Abs 2 des wenn auch zur Tatzeit noch nicht in Geltung gestandenen NÖ VergG, LGBl 1995/84). Aus diesem Grund fallen - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - nicht nur Auskünfte über einlangende Angebote (vgl auch 4.1.2. der ÖNORM A 2050), sondern auch Mitteilungen über Anzahl und Namen der eingeladenen Unternehmer in einem nicht offenen Verfahren unter die Geheimhaltungspflicht (vgl 1.5.2.2. der ÖNORM A 2050). Die Preisgabe der im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung eingeladenen Firmen ist nämlich generell geeignet, Absprachen zu ermöglichen und damit den Wettbewerb durch Preisbildungsverzerrungen zu beeinträchtigen. Da für die Erfüllung des in Rede stehenden Tatbestandes bereits die abstrakte Eignung der Offenbarung des Amtsgeheimnisses zur Verletzung eines öffentlichen Interesses genügt, eine (im konkreten Fall durch Bieterabsprachen erfolgte) tatsächliche Beeinträchtigung derartiger Interessen hingegen nicht erforderlich ist (Bertel aaO Rz 6; Mayerhofer StGB4 E 12 a; Bertel/Schwaighofer BT II3 Rz 4, je zu § 310), versteht sich die objektive Eignung des inkriminierten Verhaltens des Angeklagten iS des Anwendungsbereiches des § 310 Abs 1 StGB von selbst.

Soweit der Angeklagte rügt, "daß das angefochtene Urteil keine Feststellungen darüber enthält, ob nicht allgemein bekannt ist, wer bei beschränkten Ausschreibungen eingeladen wird", und in diesem Zusammenhang auf die Angaben der Beschuldigten Barbara T***** und des Zeugen Erwin W***** verweist, ist er einerseits auf die gegenteilige Urteilsannahme (US 4), aber auch darauf zu verweisen, daß diese mit den Depositionen der Genannten - wie der Oberste Gerichtshof nach Beischaffung fehlender Teile des Protokolls über die Hauptverhandlung vom (Kopie ON 20 des Vr-Aktes) feststellen konnte (§ 285f StPO; siehe 14 Os 155/98-8) - durchwegs in Einklang steht (S 189 ff und 199 ff), sodaß die der Sache nach monierte gesonderte Erörterung (Z 5) dieser Beweisergebnisse unterbleiben durfte.

Der subsidiär erhobene Einwand des Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes durch Handeln in Ausübung einer Amts- oder Dienstpflicht nach § 1 NÖ Auskunftsgesetz (Z 9 lit b) scheitert an der schon dargelegten Einschränkung der Auskunftspflicht, ganz abgesehen davon, daß sich weder aus der Verantwortung des Angeklagten noch aus sonstigen Verfahrensergebnissen Hinweise auf eine derartige Rechtfertigung ergeben, sodaß Tatsachenfeststellungen in dieser Richtung nicht geboten waren und der diesbezügliche Beschwerdeeinwand eine unzulässige Neuerung bedeutet (Mayerhofer StPO4 § 281 E 15a f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Kurt N***** nach §§ 37 Abs 1, 310 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 600 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen.

Dabei wertete es keinen Umstand als erschwerend; den bisher ordentlichen Lebenswandel berücksichtigte es hingegen als mildernd.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit der er die Herabsetzung sowohl der Anzahl als auch der Höhe der Tagessätze und die bedingte Nachsicht der (gesamten) Geldstrafe anstrebt.

Der Berufung zuwider sind die vom Erstgericht angenommen Strafzumessungsgründe ausschließlich zum Nachteil des Berufungswerbers dahin zu ergänzen, daß der Geheimnisverrat zu einer Preisabsprache der Bieter geführt hat.

Das Erstgericht hat auch die Höhe des einzelnen Tagessatzes der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten entsprechend festgesetzt.

Der über die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB hinausgehenden Milderung der Unrechtsfolge durch bedingte Nachsicht (auch nur eines Teils) der Geldstrafe stehen nach Lage dieses Falles generalpräventive Erwägungen entgegen.

Der Berufung war daher gleichfalls der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.