OGH vom 09.11.1999, 10ObS273/99s

OGH vom 09.11.1999, 10ObS273/99s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienreichter Dipl. Ing. Walter Holzer und MR Mag. Gerhard Puschner (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margrith P*****, vertreten durch Dr. Michael Gschnitzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84 - 86, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 32/99y-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 42 Cgs 269/98w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 10a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr 2001/83 des Rates vom geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr 1247/92 des Rates vom , in Verbindung mit Anhang IIa dahin auszulegen, dass das Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz in seinen Geltungsbereich fällt und folglich eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2a der Verordnung darstellt, so dass auf den Fall einer Person, die - wie die Klägerin - nach dem die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung erfüllt, auschließlich die durch Artikel 10a der Verordnung geschaffene Koordinierungsregelung anzuwenden ist?

II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt. Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Revisionsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Text

Begründung:

I. Der Sachverhalt.

Die am geborene Klägerin, eine österreichische Staatsangehörige, ist seit ihrer Geburt schwer körperbehindert. Sie bezieht seit dem Jahr 1974 eine Waisenpension von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (in Hinkunft: Beklagte) und seit 1996 eine weitere Waisenpension von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter. Die Beklagte gewährte ihr seinerzeit einen Hilflosenzuschuss und seit (Inkrafttreten des Bundespflegegeldgesetzes BGBl 1993/110, - BPGG) ein Pflegegeld, zuletzt bis Januar 1997 ein solches der Stufe 7 von monatlich ATS 21.074. Ihre Pflegebedürftigkeit ist unbestritten.

Als die Klägerin im Januar 1997 ihren ständigen Aufenthalt von Österreich in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlegte, wo sie sich bald darauf mit einem deutschen Staatsangehörigen verehelichte, sprach die Beklagte mit Bescheid aus, dass ihr ab mangels gewöhnlichen Aufenthalts im Inland kein Pflegegeld mehr gebühre. Die Beklagte stellte jedoch einen Betreuungsauftrag für die Allgemeine Ortskrankenkasse Bayern aus, wonach der Klägerin sämtliche Sachleistungen aus dem Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung nach deutschem Recht zur Verfügung zu stellen waren. Deshalb erhielt die Klägerin seit von der deutschen Pflegekasse ein monatliches Pflegegeld in der Pflegestufe III von DM 1.300.

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (in Hinkunf kurz: EuGH) mit Urteil vom , Rs C-160/96 - Molenaar, Slg 1998, I-880, entschieden hatte, dass es sich beim deutschen Pflegegeld nicht um eine Sachleistung, sondern um eine Geldleistung handelt, die ins Ausland exportiert werden muss, stellte die zuständige deutsche Pflegekasse die Zahlung des Pflegegelds mit ein. Dem Widerspruch der Klägerin wegen Ablehnung der weiteren Pflegegeldzahlung über den hinaus wurde mit der Begründung nicht stattgegeben, dass für die Zahlung des Pflegegelds künftig der österreichische Träger zuständig sei. Wegen der aufschiebenden Wirkung wurde der Klägerin das Pflegegeld allerdings noch im November 1998 ausbezahlt.

Am beantragte die Klägerin nunmehr von der Beklagten die Zuerkennung des Pflegegelds. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass gemäß § 3 BPGG Anspruch auf Pflegegeld nur für Personen bestehe, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Pflegegeld der Stufe 7 ab . Sie brachte vor, ein Umzug nach Österreich sei ihr nicht zumutbar; die Einstellung des Pflegegelds bedeute für sie eine unzumutbare Härte. Auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Normen stehe ihr das österreichische Pflegegeld auch bei einem dauernden Auslandsaufenthalt zu.

Das Erstgericht wies dieses Begehren ab, weil die Klägerin keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe. Das österreichische Pflegegeld sei eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne des Artikels 10a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und im Anhang IIa ausdrücklich angeführt. Es sei daher - von einer hier nicht vorliegenden Ausnahme (Unfallversicherung) abgesehen - nur bei Wohnsitz in Österreich zu gewähren und nicht in das Gebiet eines anderen Mitgliedstatts zu exportieren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte das angefochtene Urteil. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und sah sich mit Rücksicht auf das - Snares, Slg 1997, I-6082, nicht veranlasst, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige und zulässige Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Sie beantragt - nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH - die Abänderung im Sinne einer Zuerkennung des Pflegegelds der Stufe 7 ab . Unbestritten ist, dass die Klägerin seit Jänner 1997 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof sieht sich aus folgenden Erwägungen veranlasst, den EuGH um eine Vorabentscheidung zu der oben formulierten Frage zu ersuchen:

1. Die nationale Regelung.

Am ist mit dem Bundespflegegeldgesetz, BGBl 1993/110 - BPGG, der Kernbereich einer umfassenden Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich in Kraft getreten. Bis dahin gab es für Pflegebedürftige zahlreiche bundes- und landesgesetzliche Regelungen mit verschiedenen Anspruchvoraussetzungen und unterschiedlichen Leistungen. So wurde Beziehern einer Pension, die - wie die Klägerin - derart hilflos waren, dass sie ständig der Wartung und Hilfe bedurften, zu der Pension ein Hilflosenzuschuss gewährt. Ziel der Neuordnung der Pflegevorsorge war es, bundesweit einheitliche und am Pflegebedarf orientierte Geldleistungen für alle Gruppen behinderter und pflegebedürftiger Menschen zu sichern und durch den Ausbau der Pflegestrukturen die Bereitstellung der erforderlichen Sachleistungen zu gewährleisten. Zu diesem Zweck haben sich Bund und Länder verpflichtet, ein umfassendes System der Pflegevorsorge zu schaffen, mit dem erstmals die Pflegebedürftigkeit als eigenständiges soziales Risiko anerkannt wurde. Seiner Kompetenz entsprechend hat der Bund durch das BPGG für jene Personen, die auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften schon bisher Anspruch auf pflegebezogene Geldleistungen hatten, ein nach dem Bedarf abgestuftes Pflegegeld vorgesehen. Für die übrigen pflegebedürftigen Personen ist die Gewährung entsprechender Pflegegelder durch weitgehend gleichartige Landesgesetze sichergestellt: Personen, die keine der angeführten Pensionen oder Renten beziehen - das sind im Wesentlichen die mitversicherten Angehörigen und die Empfänger von Leistungen der Länder wie zum Beispiel Landespension oder Sozialhilfe - leisten die Länder grundsätzlich auf Grund gleicher Regelungen wie der Bund das Pflegegeld.

Die Zuordnung nach Kompetenzbereichen hat auch zur Folge, dass Bund und Länder den Aufwand für das Pflegegeld aus ihren jeweiligen Haushalten zu tragen haben. Von den quantitativ zu vernachlässigenden Pflegefällen aus Risken der gesetzlichen Unfallversicherung (zB Arbeitsunfällen) abgesehen, handelt es sich beim Pflegegeld nach dem BPGG um keine Versicherungsleistung: Es wird unabhängig von der Höhe und Dauer allenfalls gezahlter Versicherungsbeiträge gewährt. Wenngleich das BPGG die Gewährung von Pflegegeld den Trägern der gesetzlichen Pensions- und Unfallversicherung übertragen hat, handelt es sich dabei um Leistungen des Bundes, weil der Aufwand an Pflegegeld und der entsprechende Anteil an den Verwaltungskosten den Pensionsversicherungsträgern aus Bundesmitteln in Form eines Kostenersatzes abgegolten wird (§ 23 BPGG). Um die Finanzierung dieser Leistung aus dem Budget zu ermöglichen, kam es allerdings 1993 zu einer Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge von 7,1 auf 7,9 % insbesondere auch bei Pensionsbeziehern. Dadurch sollte der Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung verringert werden, wodurch wieder Mittel frei wurden, die eine Bedeckung der neuen Leistungen aus dem Budget ermöglichten. Insgesamt haben sich damit die Beiträge der Versicherten in der Krankenversicherung von ca ATS 82 Mrd im Jahr 1992 auf ATS 89 Mrd im Jahr 1993 erhöht. Dadurch sind indirekt - weil gleichzeitig der von den Pensionsversicherungen an die Krankenversicherungsträger zu zahlende Krankenversicherungsbeitrag herabgesetzt wurde - Mittel für das Pflegegeld frei geworden, für das 1994 ein Mehraufwand von ca ATS 7,9 Mrd erwartet wurde.

Für den weitaus überwiegenden Teil (nämlich ca 85 %) der Personen, die Pflegegeld erhalten, stellt das BPGG die rechtliche Basis dar.

Nach § 1 BPGG hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Pflegegeld. Zu den Anspruchsberechtigten gehören nach § 3 BPGG im Wesentlichen Personen, die nach bundesgesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf eine Pension oder Rente, einen Ruhe- oder Versorgungsgenuss haben. Das Pflegegeld ist also als Annexleistung zu anderen Leistungen ausgestaltet. Gewisse nicht der gesetzlichen Pensionsversicherung unterliegende Personengruppen können durch Verordnung in den anspruchsberechtigten Personenkreis durch Verordnung einbezogen werden; Voraussetzung für die Erlassung einer solchen Verordnung ist das Vorliegen eines der Gesamtfinanzierung des BPGG vergleichbaren Beitrages der einzubeziehenden Personengruppen zu dem durch die Einbeziehung entstehenden Mehraufwand (§ 3 Abs 4, jetzt § 3 Abs 5 BPGG).

Anspruchsvoraussetzungen sind nach § 4 BPGG ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) für mindestens sechs Monate wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung, Pflegebedarf von mehr als 50 Stunden monatlich und gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich. Die Ursachen der Behinderung (hohes Alter, Unfall, Erkrankung, angeborene Behinderung) sind belanglos. Eine Einzellfallbeurteilung erfolgt lediglich hinsichtlich der Frage des Ausmaßes der Pflegebedürftigkeit, aber auch hier wird den Entscheidungsträgern kein Ermessensspielraum eingeräumt, da die Beurteilung des Pflegebedarfs in einer Einstufungsverordnung detailliert geregelt ist. Das Pflegegeld ist je nach erforderlichem Pflegebedarf in 7 Stufen gegliedert und wird 12mal jährlich ohne Abzüge ausgezahlt. Die Höhe des Pflegegeldes liegt zwischen ATS 2.000 (Stufe 1) und ATS 21.074 (Stufe 7). Das sonstige Einkommen des Pflegebedürftigen, also seine finanzielle Bedürftigkeit, ist auf die Höhe des Pflegegeldes ohne Einfluss.

Die Zahl der Bezieher von Pflegegeld nach dem BPGG betrug 1995:

271.253, 1996: 262.220, 1997: 258.268 und 1998: 262.574.

2. Die Gemeinschaftsregelung.

Die herrschende Auffassung in Österreich begreift das Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG) als beitragsunabhängige Sonderleistung gemäß Artikel 4 Absatz 2a und Artikel 10a der bereits zitierten Verordnung (EWG) Nr 1408/71. Nach dem Artikel 10a Absatz 1 erhalten die Personen, für die diese Verordnung gilt, die in Artikel 4 Absatz 2a aufgeführten beitragsunabhängigen Sonderleistungen in bar ausschließlich in dem Wohnmitgliedsstaat gemäß dessen Rechtsvorschriften, sofern diese Leistungen in Anhang IIa aufgeführt sind.

Im Anhang IIa "Beitragsunabhängige Sonderleistungen" ist unter K. Österreich lit b) aufgeführt: "Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz mit Ausnahme von Pflegegeld, das von einem Träger der Unfallversicherung in Fällen gewährt wird, in denen die Behinderung durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde."

In den Urteilen vom , Rs C-20/96 - Snares, Slg 1997, I-6082, und vom , Rs C-297/96 - Partridge, Slg 1998, I-3467, hat der Gerichtshof entschieden, dass die Eintragung des Rates in den Anhang IIa ein hinreichendes Kriterium für die Beitragsunabhängigkeit der betreffenden Leistungen "Disability Living Allowance" (Unterhaltsbeihilfe für Behinderte, DLA) bzw "Attendance Allowance" (Pflegegeld für Behinderte, AA) darstellt. Diese beiden britischen Leistungen sind daher nich zu exportieren.

Hingegen hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom , Rs C-160/96 - Molenaar, Slg 1998, I-880, entschieden, dass es gegen die Artikel 19 Absatz 1, 25 Absatz 1 und 28 Absatz 1 der Verordnung verstößt, den Anspruch auf eine Leistung wie das deutsche Pflegegeld, die eine Geldleistung bei Krankheit darstellt, davon abhänig zu machen, dass der Versicherte in dem Staat wohnt, in dem er der Versicherung angeschlossen ist. Das deutsche Pflegegeld ist demnach eine Leistung der sozialen Sicherheit, die auch dann gebührt, wenn sich der Anspruchsberechtigte dauernd in einem anderen Mitgliedsstaat aufhält.

3. Zur Vorlagefrage.

In einem Teil des österreichischen Schrifttums wird die Meinung vertreten, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (insbesondere auch in den Urteilen Snares und Partridge) die Einordnung des Pflegegeldes nach dem Bundespflegegeldgesetz durch Eintragung in den Anhang IIa der Verordnung keine konstitutive Wirkung besitze und das Pflegegeld in Wahrheit keine beitragsunabhängige Sonderleistung darstelle. Dazu werden zwei Argumente ins Treffen geführt: Erstens wird auf die oben dargestellte mittelbare Finanzierung des Pflegegeldes durch eine Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages hingewiesen und daraus abgeleitet, dass das Pflegegeld selbst als Annexleistung mittelbar durch Beiträge finanziert sei. Zweitens wird aus den ebenfalls oben geschilderten Ausnahmen von Personen, die selbst nicht dem System der gesetzlichen Pensionsversicherung unterliegen (§ 3 Abs 2 und 3 BPGG) geschlossen, dass Pflegegeld nur jenen Personen zukommen solle, die zuvor zum System beigetragen hätten. Erwerbstätige hingegen, die dem Pensionsversicherungsrecht fergeblieben seien, müssten sich erst in das System "einkaufen" (§ 3 Abs 4, jetzt § 3 Abs 5 BPGG), weshalb die Leistung nicht mehr beitragsunabhängig sei.

Das überwiegende östereichische Schrifttum steht auf dem gegenteiligen Standpunkt und betrachtet das Pflegegeld als beitragsunabhängige Sonderleistung, die auf Grund der Eintragung im Anhang IIa von der Exportverpflichtung ausgenommen sei.

Nach Artikel 177 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) sind alle Gerichte der Mitgliedsstaaten, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, also insbesondere der Oberste Gerichtshof, zur Anrufung des EuGH verpflichtet, wenn sich eine entscheidungserhebliche Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts stellt.

Im vorliegenden Fall liegt eine Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Frage der Exportpflicht des Pflegegeldes nach dem österreichischen Bundespflegegeldgesetz nicht vor. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist angesichts der im österreichischen Schrifttum vertretenen unterschiedlichen Meinungen auch nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bliebe ("acte clair").

Von Interesse ist hier besonders, dass das Landesgericht Feldkirch in einer vergleichbaren Sache den Gerichtshof bereits im März 1999 angerufen und ihm folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (Aktenzeichen 33 Cgs 7/99b):

"Verstößt es gegen Artikel 19 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71

... in der derzeit gültigen Fassung, den Anspruch auf die Leistung

von Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz ... davon abhängig zu

machen, dass der Pflegebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat?"

Diese Sache ist unter der Rechtssachennummer C-215/99 in das Register des Gerichtshofs (Register Nr 593.671) eingetragen. Ein Urteil ist bisher nicht ergangen.

Der Oberste Gerichtshof stellt ein inhaltlich im Wesentlichen gleichartiges Ersuchen um Vorabentscheidung, orientiert sich aber bei Formulierung der Vorlagefrage an den Urteilen Snares und Partridge.

II. Die Aussetzung des Revisionsverfahrens bis zur Beendigung des Vorabentscheidungsverfahrens beruht auf § 90a Gerichtsorganisationsgesetz (GOG).