VfGH vom 29.11.2010, B437/09
19222
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versetzung eines Kommandanten einer Polizeiinspektion zu einer anderen Polizeiinspektion und Einteilung als Sachbearbeiter infolge rechtskräftiger Verhängung einer Disziplinarstrafe; keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war im Bereich des Landespolizeikommandos Tirol als Postenkommandant der Polizeiinspektion Zell am Ziller (Verwendungsgruppe E2a, Funktionsgruppe 5) beschäftigt.
Mit Schreiben des Landespolizeikommandos Tirol vom wurde der Beschwerdeführer von der Absicht in Kenntnis gesetzt, ihn zur Polizeiinspektion Schwaz in Tirol zu versetzen und als Sachbearbeiter der Verwendungsgruppe E2a, Funktionsgruppe 2, zu verwenden. Gegen die geplante Maßnahme erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Einwendungen und gab mit Schriftsatz vom eine weitere Stellungnahme ab.
In der Folge erging ein an den Beschwerdeführer gerichteter, mit datierter Bescheid des Landespolizeikommandos für Tirol, in dem u.a. Folgendes verfügt wird:
"Sie werden gemäß § 38 Absatz 2
Beamtendienstrechtsgesetz 1979 ... (BDG 1979) mit Wirksamkeit vom
von Amts wegen von der Polizeiinspektion (PI) Zell am Ziller zur PI Schwaz, Bezirk Schwaz versetzt und als Sachbearbeiter (Funktionsgruppe 2) in Verwendung genommen.
Dazu wird festgestellt, dass Sie die für Ihre Versetzung maßgeblichen Gründe gemäß § 145b BDG 1979 selbst zu vertreten haben."
Begründend wird auf ein rechtskräftiges Disziplinarerkenntnis vom hingewiesen, in dem über den Beschwerdeführer eine Geldbuße in der Höhe von € 700,-- verhängt worden sei; der Beschwerdeführer sei in diesem Disziplinarerkenntnis schuldig erkannt worden, im Zeitraum von zumindest 2005 bis auf der Polizeiinspektion Zell am Ziller während der Dienstzeit mit seinen Kollegen Karten gespielt und alkoholische Getränke konsumiert bzw. zumindest dieses Verhalten als Vorgesetzter und Dienststellenleiter laufend toleriert zu haben und durch lückenhafte Kontrolle der Fahrtenbücher seiner Kontroll- und Dienstaufsichtsfunktion nicht nachgekommen zu sein. Das Landespolizeikommando für Tirol führt u.a. aus, dass die amtswegige Versetzung des Beschwerdeführers die einzige Möglichkeit sei, nach den disziplinarrechtlichen Konsequenzen, den dienstrechtlichen Maßnahmen (der Beschwerdeführer war am der Autobahnpolizeiinspektion Wiesing dienstzugeteilt worden) und der negativen medialen Berichterstattung einen geordneten und vorschriftgemäßen Dienstbetrieb auf der Polizeiinspektion Zell am Ziller sicherzustellen. Der Wille der Dienstbehörde um einen Wechsel in der Dienststellenleitung gründe sich nicht allein auf die disziplinäre Verurteilung des Beschwerdeführers, sondern auch auf den Umstand, dass die Belassung des Beschwerdeführers in der Dienststelle auf Grund der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen nicht vertretbar sei. Durch die Bewertung eines Arbeitsplatzes werde der Verantwortung des Inhabers Rechnung getragen; als Sachbearbeiter habe der Beschwerdeführer nur einen Teil jener Verantwortung zu tragen, die mit der Funktion eines Dienststellenleiters verbunden sei.
2. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt (in der Folge: Berufungskommission) vom abgewiesen.
Begründend wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"Eine Versetzung im Sinne des § 38 Abs 1 BDG liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird. Von Amts wegen ist eine Versetzung zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht; ein solches liegt gemäß § 38 Abs 3 Z 4 BDG dann vor, wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.
§ 45 BDG sieht als besondere Dienstpflichten des Vorgesetzten und des Dienststellenleiters vor, dass 'der Vorgesetzte darauf zu achten hat, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen.
Besondere Aufgaben der Vorgesetzten einer Polizeiinspektion sind gemäß dem Erlass Organisation und Geschäftsordnung der Polizei-/Fachinspektionen (OGO PI/FI) vom u.a., den Mitarbeitern Ziele zu setzen, die Schwerpunkte für ihre Arbeit prägnant zu bestimmen und ihnen für diese die erforderlichen Richtlinien zu geben und auch die Aufsicht und Dienstkontrolle auszuüben sowie Anerkennung und Kritik auszusprechen.
Bei der Beurteilung des allenfalls ein wichtiges dienstliches Interesse begründenden Sachverhaltes ist vorrangig auf das dienstliche Interesse abzustellen, welches insbesondere in der Erhaltung eines rechtmäßigen, aber auch eines effizienten Dienstbetriebes besteht (vgl. ). Die vom BW [Berufungswerber; Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren] innegehabte Leitungsfunktion eines Polizeiinspektionskommandanten erfordert bestimmte Fähigkeiten und persönliche Kompetenzen, wie zum Beispiel Verantwortungsbewusstsein, Vorbildfunktion und Verlässlichkeit in vergleichsweise überdurchschnittlichem Ausmaß.
Auf Grund des rechtskräftigen Disziplinarerkenntnisses vom ist bindend festgestellt, dass der BW als Leiter einer PI während der Dienstzeit mehrfach mit Untergebenen Karten gespielt und alkoholische Getränke konsumiert bzw. - wenn nicht selbst daran teilnehmend - derartiges laufend toleriert hat.
Auch wenn der BW in seinen Verfehlungen, dem Konsum bzw. der Nichtuntersagung eines 'Feierabendbiers' eine halbe Stunde vor Dienstschluss keine dramatische Dienstpflichtverletzung erkennt und er die von der Disziplinarkommission verhängte Geldbuße als zweitmildeste Disziplinarstrafe sieht, hat er sich durch diese maßgeblichen Verfehlungen - zumindest derzeit - für eine Führungsfunktion als nicht geeignet erwiesen. Alkoholkonsum während der Dienstzeit beeinträchtigt das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben, diese sind insbesondere die Durchführung des notwendigen Streifendienstes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie die Vornahme präventiver und repressiver Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung. Eine mangelnde Dienstaufsicht, die derartige Verhaltensweisen zumindest toleriert, stört das Vertrauensverhältnis zwischen dem BW und seinen Vorgesetzten und widerspricht der Erhaltung eines rechtmäßigen und effizienten Dienstbetriebes.
Wenn einer Dienststelle angeblich von diversen Seiten ein bestes Zeugnis ausgestellt wurde, lässt dies nicht zwingend den Schluss auf das Fehlen von Problemen und Mängeln in ihrer Führung zu (vgl. BerK , GZ 197,198/28-BK/06). Insofern ist das Vorbringen des BW in seiner Berufung, die Dienstaufsicht des BW sei über Jahre weg nicht beanstandet worden, es habe sogar Geldbelohnungen für den BW gegeben und Bürger, Mitarbeiter und der Bürgermeister, deren zeugenschaftliche Einvernahme beantragt worden sei, seien mit der Amtswaltung des BW zufrieden gewesen, nicht relevant. Im rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarverfahren wurden Dienstpflichtverletzungen des BW, konkret mangelnde Kontrolle und Dienstaufsicht bindend festgestellt; eine Zufriedenheit von Bürgern und Untergebenen mit einer solchen Amtsführung ist nicht geeignet, einen solchen Dienstbetrieb zu tolerieren und ein dienstliches Interesse an der Wiederherstellung eines solchen Dienstbetriebes, wie er dem Gesetz entspricht, zu entkräften.
Nach Maßgabe dieser objektivierten Umstände kommt den Verhaltensweisen und Unterlassungen des BW somit jener Grad von Art und Schwere zu, der zur Versetzung im dienstlichen Interesse berechtigt (u.a. BerK , GZ 68/43-BK/04). Die erwiesenen Verfehlungen haben berechtigt das Vertrauen seiner Vorgesetzten in den BW als Führungskraft hinsichtlich der selbständigen Leitung der Polizeiinspektion Zell am Ziller gestört und begründen ein Abzugsinteresse von dieser Dienststelle. Auch der Vergleich mit anderen dienst- oder disziplinarrechtlichen Verfahren, wie es der BW durch die Aktenvorlage im Fall des Postenkommandanten von Matrei angeregt hat, könnte zu keinem anderen Ergebnis führen.
Der Schutzzweck der §§38ff BDG ist darin gelegen, Beamte vor sachlich nicht gerechtfertigten Personalmaßnahmen zu bewahren. Die Versetzung darf nicht belastender sein, als es das dienstliche Interesse erfordert. Sie darf nicht die Funktion einer Bestrafung erlangen - dies gilt sowohl für die Art der dem Beamten zuzuweisenden Verwendung, als auch für die Wahl seines künftigen Dienstortes (u.a. BerK , GZ 197,198/28-BK/06). Im konkreten Fall, in dem über den BW eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen eine Belassung in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint, ist die Versetzung an einen anderen Dienstort von Amts wegen gemäß § 38
Abs4 BDG ... auch dann zulässig, wenn sie für ihn einen wesentlichen
wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde (vgl. BerK , GZ 33/9-BK/08).
Die Zuweisung einer höherwertigen Funktion, die mit der Leitung oder Stellvertretung einer Polizeidienststelle verbunden ist, ist aufgrund des kritikwürdigen Verständnisses des BW zu seiner Rolle als Vorgesetzter derzeit nicht vereinbar (u.a. BerK , GZ 66/9-BK/05). Da die Zuweisung einer Leitungsfunktion als Kommandant oder Stellvertreter einer Polizeiinspektion nicht in Betracht zu ziehen war, hat die Dienstbehörde erster Instanz die Prüfung eines Verweisungsarbeitsplatzes nachvollziehbar auf die Position eines Sachbearbeiters beschränkt.
Bezüglich der Wahl des neuen Dienstortes des BW ist festzuhalten, dass die Berufungskommission in mehreren Entscheidungen (u.a. BerK , GZ 44/18-BK/02 oder , GZ 83/11-BK/07) ausgesprochen hat, dass die Bewältigung einer täglichen Fahrtstrecke von rund 50 Kilometern einem als dienstfähig anzusehenden Beamten zumutbar ist. Für die Ausübung eines politischen Mandats als Bürgermeister [Anm.: der Beschwerdeführer übt die Funktion eines Bürgermeisters aus] sieht das BDG die Möglichkeit der Dienstfreistellung und der Außerdienststellung vor.
Insgesamt liegt für den BW bei der Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes als Sachbearbeiter auf der PI Schwaz daher keine Doppelbestrafung vor und ist die Dienstbehörde ihrer Fürsorgepflicht nachgekommen.
Zum Berufungsgrund der Nichtigkeit des Bescheides der Dienstbehörde erster Instanz wird festgestellt, dass ein von einem vermeintlich befangenen Organ erlassener Bescheid nicht mit Nichtigkeit behaftet ist (siehe ). § 7 AVG kennt keine Regelung, wonach dann, wenn der Leiter einer Behörde sich wegen Befangenheit seines Amtes zu enthalten hätte, auch sämtliche Beamte dieser Behörde ausgeschlossen wären (vgl. Slg 10601 A). Das Vorliegen eines Befangenheitsgrundes von Bgdr. Z, der den erstinstanzlichen Bescheid gezeichnet hat, wird vom BW auch nicht behauptet."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte, gemäß Art 4 7. ZPEMRK nicht wegen derselben Sache zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Der Beschwerdeführer bringt dazu im Wesentlichen Folgendes vor:
"...1. Die belangte Behörde sieht die Voraussetzungen des § 38 (3) Z 4 BDG gegeben und in diesem Sinne die Belassung des Beschwerdeführers an der Polizeiinspektion Zell am Ziller nicht vertretbar.
Gleichzeitig beruft sie sich auf § 45 BDG.
Damit vermengt sie zwei völlig unterschiedliche gesetzliche Tatbestände, die weder rechtlich noch tatsächlich zusammenhängen.
In § 38 BDG geht es um eine Änderung hinsichtlich der Dienststelle.
§ 45 BDG beschreibt die Dienstpflichten des Vorgesetzten und des Dienststellenleiters.
Verletzung von Dienstpflichten gemäß § 45 BDG berühren noch lange nicht die Frage, ob dem Belassen an der Dienststelle etwas entgegensteht. Wer als Vorgesetzter nicht geeignet ist, braucht noch lange nicht als Mitglied der Dienststelle ungeeignet sein.
Die belangte Behörde zeigt keinen Sachverhalt auf und stellt keine Überlegungen an, warum die im Disziplinarerkenntnis festgestellte Nachlässigkeit des Beschwerdeführers als Vorgesetzter erforderlich mache, ihn von der Dienststelle abzuziehen und an eine
andere zu versetzen. Sie zeigt nicht auf ... und konkretisiert durch
nichts, warum die hierarchische Veränderung mit einer geografischen einhergehen müsste.
Der Beschwerdeführer war wohl zu wenig streng zu seinen Untergebenen. Ihm wurde aber weder im Disziplinarverfahren ein Vorfall angelastet, der irgendeinen Schaden oder eine konkrete negative Konsequenz nach sich gezogen hätte. Und auch die belangte Behörde geht offensichtlich nicht von einem solchen aus. Der Beschwerdeführer war 'nur' nachlässig dabei, bei seinen Untergebenen immer für Disziplin zu sorgen. Das mag dazu geführt haben, dass seine Vorgesetzten das Vertrauen in ihn in seiner Funktion als Postenkommandant verloren. Der Vertrauensverlust in seine Postenkommandanten-Eignung mag rechtfertigen, ihn als Postenkommandant zu entheben und in eine andere Verwendung zu nehmen. Dieser Vertrauensverlust kann aber nicht begründen, ihn von Zell am Ziller nach Schwaz zu versetzen.
Gegen ihn besteht keinerlei Vorwurf, er habe ein Verhalten gesetzt, wodurch der Dienstbetrieb intern oder extern gelitten habe oder auch nur Gefahr für die ordentliche Abwicklung der dienstlichen Tätigkeiten bestünde oder auch nur bestanden habe.
Gegen ihn besteht kein Vorwurf von Unstimmigkeiten gegenüber den anderen Mitgliedern der Dienststelle.
Gegen ihn besteht kein Vorwurf von Unstimmigkeiten zwischen ihm persönlich oder durch ihn verursacht zwischen der Dienststelle im Verhältnis zur betreuten Bevölkerung.
Seine Versetzung stellt eine überschießende Reaktion dar. Sie kann nur als Pönalisierung verstanden und erklärt werden.
Derartige Sanktionierung ist umso unverständlicher, als offensichtlich auch die Disziplinarbehörde sein Fehlverhalten als nur gering ansah, wenn sie mit einer Geldbuße von EUR 700,00 das Auslangen fand.
Im angefochtenen Bescheid ... spricht die belangte Behörde
von Berechtigung zur Versetzung.
Damit verkennt sie die rechtliche Lage. § 38 BDG räumt nicht eine Berechtigung ein, sondern beschreibt einen rechtlichen Tatbestand, der bei tatsächlicher Verwirklichung gesetzliche Folgen nach sich zieht.
Die Formulierung im Bescheid bestätigt das, was der Beschwerdeführer von Anfang an moniert hat; dass ein Organ der Dienstbehörde den persönlichen Anspruch erhebt, den Beschwerdeführer von der Dienststelle und dem Dienstposten zu entfernen.
Die belangte Behörde übersieht, dass Vertrauensentzug ein wichtiges dienstliches Interesse an der Versetzung nicht begründen kann. Anderenfalls wäre der Beamte Entschlüssen, Gesinnungen und Gesinnungsänderungen neuer Vorgesetzter in der Frage seiner Versetzung ausgeliefert; selbst wenn diese Entschlüsse, Gesinnungen oder Gesinnungsänderungen durch nur in der subjektiven Sphäre des Vorgesetzten eingetreten und daher der Rechtskontrolle unzugängliche Momente bewirkt wären. (VwGH 92/12/0130)
...2. Selbst wenn die Abberufung des Beschwerdeführers als Postenkommandant gerechtfertigt sein sollte, kann damit nicht ohne weiteres, insbesondere ohne Darstellung einer Begründung, die Änderung der Funktionsgruppe [einhergehen].
Die belangte Behörde zeigt allerdings nicht auf, warum der Beschwerdeführer nicht weiterhin in der Funktionsgruppe 5 verwendet werden könnte.
Die Ausführung der belangten Behörde, sie sei möglichst schonend für den Beschwerdeführer vorgegangen, erschöpft sich in dieser kategorischen Behauptung. Sie zeigt keine Abwägungen und bedachten Alternativen auf. Diese Begründung ist nicht überprüfbar. Sie beschränkt sich auf eine bloße Leerformel."
Die Berufungskommission als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie mit näherer Begründung die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. §§38 und 40 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979, BGBl. 333, § 38 idF BGBl. I 123/1998, § 40 idF BGBl. 550/1994, lauten - auszugsweise - wie folgt:
"Versetzung
§38. (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.
(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.
(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor
...
4. wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.
(4) Bei einer Versetzung an einen anderen Dienstort von Amts wegen sind die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse des Beamten zu berücksichtigen. Eine Versetzung ist - ausgenommen in den
Fällen des Abs 3 Z 4 sowie in jenen Fällen, in denen abweichend
vom Abs 3 Z 4 noch keine rechtskräftige Disziplinarstrafe verhängt worden ist - unzulässig, wenn sie für den Beamten einen wesentlichen wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde und ein anderer geeigneter Beamter, bei dem dies nicht der Fall ist, zur Verfügung steht.
(5) ...
(6) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und seiner neuen Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung.
(7) Die Versetzung ist mit Bescheid zu verfügen; in diesem ist festzustellen, ob der Beamte die für die Versetzung maßgebenden Gründe gemäß §§141a, 145b oder 152c BDG 1979 zu vertreten hat oder nicht. Eine Berufung gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Der vom Beamten zuletzt innegehabte Arbeitsplatz darf bis zur Rechtskraft des Bescheides nicht auf Dauer besetzt werden.
(8) ..."
"Verwendungsänderung
§40. (1) Wird der Beamte von seiner bisherigen unbefristeten oder befristeten Verwendung abberufen, so ist ihm gleichzeitig, wenn dies jedoch aus Rücksichten des Dienstes nicht möglich ist, spätestens zwei Monate nach der Abberufung eine neue Verwendung in seiner Dienststelle zuzuweisen. § 112 wird hiedurch nicht berührt.
(2) Die Abberufung des Beamten von seiner bisherigen Verwendung ist einer Versetzung gleichzuhalten, wenn
1. die neue Verwendung der bisherigen Verwendung des Beamten nicht mindestens gleichwertig ist oder
2. durch die neue Verwendung eine Verschlechterung für die Beförderung des Beamten in eine höhere Dienstklasse oder Dienststufe zu erwarten ist oder
3. dem Beamten keine neue Verwendung zugewiesen wird.
(3) Die neue Verwendung ist der bisherigen Verwendung gleichwertig, wenn sie innerhalb derselben Verwendungsgruppe derselben Funktions- oder Dienstzulagengruppe zugeordnet ist.
(4) ..."
1.2. Die Absätze 1 und 2 des mit "Dienstpflichten des Vorgesetzten und des Dienststellenleiters" überschriebenen § 45 BDG 1979 lauten wie folgt:
"§45. (1) Der Vorgesetzte hat darauf zu achten, daß seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Mißstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen. Er hat das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter nach Maßgabe ihrer Leistungen zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken, daß sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht.
(2) Der Leiter einer Dienststelle oder eines Dienststellenteiles hat außerdem für ein geordnetes Zusammenwirken der einzelnen ihm unterstehenden Organisationseinheiten zum Zwecke der Sicherstellung einer gesetzmäßigen Vollziehung sowie einer zweckmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Geschäftsgebarung zu sorgen."
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (zu den §§38, 40 BDG 1979 vgl. VfSlg. 14.573/1996, 16.336/2001 mwH) und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1982, 14.573/1996).
Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor.
Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass das Ermittlungsverfahren mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet wäre; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Berufungskommission
stelle keine Überlegungen an, weshalb das im Disziplinarerkenntnis
festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers als Vorgesetzter seine
Versetzung erforderlich mache, trifft nicht zu. Die
Berufungskommission legt nämlich dar, dass die "erwiesenen
Verfehlungen ... das Vertrauen seiner Vorgesetzten in den
[Beschwerdeführer] als Führungskraft hinsichtlich seiner
selbständigen Leitung der Polizeiinspektion Zell am Ziller gestört
[haben] und ... ein Abzugsinteresse von dieser Dienststelle
[begründen]"; darüber hinaus wird im erstinstanzlichen Bescheid - den
die Berufungskommission durch die Abweisung der Berufung des
Beschwerdeführers bestätigt hat - auf die "negative... mediale...
Berichterstattung" hingewiesen, nach der die Versetzung des Beschwerdeführers die einzige Möglichkeit sei, einen geordneten Dienstbetrieb auf der Polizeiinspektion Zell am Ziller sicherzustellen.
Die Auffassung der Berufungskommission, die mangelnde Dienstaufsicht durch den Beschwerdeführer störe das Vertrauensverhältnis zwischen diesem und seinen Vorgesetzten und widerspreche der Erhaltung eines effizienten Dienstbetriebes, ist jedenfalls vertretbar. Damit ist der Berufungskommission aus der Sicht des Gleichheitssatzes aber auch nicht entgegenzutreten, wenn sie das Vorbringen des Beschwerdeführers, Bürger und Mitarbeiter seien mit seiner Amtsführung zufrieden gewesen, für nicht relevant ansieht.
Wenn der Beschwerdeführer aus dem von ihm in seiner Beschwerde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (, 92/12/0130) folgert, dass "Vertrauensentzug ein wichtiges dienstliches Interesse an der Versetzung nicht begründen kann", so ist ihm entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis einen Vertrauensentzug nur dann als zur Begründung eines wichtigen dienstlichen Interesses an der Versetzung ungeeignet qualifiziert hat, wenn es an einer ordnungsgemäßen Feststellung von Tatsachen fehlt, die den Schluss rechtfertigen, dass ein Beamter in seiner Verwendung seine Aufgaben nicht erfüllen will oder kann. Das ist aber hier nicht der Fall, zumal das Fehlverhalten des Beschwerdeführers im rechtskräftigen Disziplinarerkenntnis (vgl. ) festgestellt wurde.
Die Berufungskommission hat in ihrer auf § 38 Abs 3 Z 4 BDG 1979 gestützten Entscheidung nicht nur die über den Beschwerdeführer rechtskräftig verhängte Disziplinarstrafe berücksichtigt, sondern auch dargetan, dass nach der Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Dienstpflichtverletzungen seine Belassung in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint. Wenn die Berufungskommission dabei im Verhalten des Beschwerdeführers eine Verletzung der in § 45 BDG 1979 normierten Dienstpflichten des Vorgesetzten und des Dienststellenleiters erblickt, so ist dies nicht als unvertretbar zu werten.
Auch die Erwägungen der Berufungskommission zur Zuweisung des Beschwerdeführers an einen gegenüber seiner bisherigen Verwendung niedriger bewerteten Arbeitsplatz sind jedenfalls nicht denkunmöglich.
3. Im Hinblick auf die Ausführungen zur behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz ist auch auszuschließen, dass der Beschwerdeführer durch den von ihm bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt wurde.
4. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, durch den angefochtenen Bescheid in dem ihm gemäß Art 4 7. ZPEMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Verbot der Doppelbestrafung verletzt zu sein, geht schon deshalb ins Leere, weil die mit dem bekämpften Bescheid getroffene Verfügung keine Strafe darstellt (s. VfSlg. 18.429/2008 mwH).
5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.