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OGH 22.03.2011, 8Ob31/11h

OGH 22.03.2011, 8Ob31/11h

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Erlagssache des Antragstellers Dr. C***** P*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1) DI G***** K*****, vertreten durch Bollmann & Bollmann, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, und 2) L*****-Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Schauberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlag von 23.942,05 EUR, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 263/10b-46, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der Antragsteller (Erleger) wurde vom Erstantragsgegner mit der Errichtung und Abwicklung eines Kaufvertrags über eine Wohnung in Wien beauftragt. Im Zuge der Kaufabwicklung wurde der vereinbarte Kaufpreis auf das „Treuhand-Anderkonto“ des Erlegers überwiesen. Der Ersterlagsgegner forderte Rückzahlung, weil der Kaufvertrag nicht unterfertigt und nicht wirksam zustande gekommen sei. Für den Fall der Nichtunterfertigung des Kaufvertrags habe sich der Antragsteller zur Rücküberweisung verpflichtet.

Das Erlagsverfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang wurde zunächst der Betrag von 500.077,49 EUR gemäß § 1425 ABGB als Erlag zu Gericht angenommen. In der Folge wurde über gemeinsamen Antrag der Antragsgegner der Betrag von 476.135,44 EUR an den Erstantragsgegner ausgefolgt. Hinsichtlich des Restbetrags von 23.942,05 EUR wurde die Entscheidung über die Annahme des Erlags vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom , 8 Ob 71/09p-30, aufgehoben. Der Antragsteller habe zum Hinterlegungsantrag kein schlüssiges Vorbringen erstattet. Insbesondere habe er nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Rechtslage für ihn unklar sei und in zumutbarer Weise auch ein Anspruch der Zweiterlagsgegnerin auf den Erlagsbetrag als denkbar erachtet werden könne.

Im zweiten Rechtsgang nahm das Erstgericht den Erlag von 23.942,05 EUR erneut an. Nach dem ergänzenden Vorbringen des Erlegers sei nach Ansicht der Zweitantragsgegnerin ein gültiger Kaufvertrag zustande gekommen, weshalb sie Anspruch auf den Kaufpreis habe. Da eine Einigung über die Hauptpunkte nicht ausgeschlossen werden könne, sei von einer unklaren Rechtslage auszugehen.

Das Rekursgericht wies über Rekurs des Erstantragsgegners den Hinterlegungsantrag ab. Gleichzeitig sprach es aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Antragsteller habe auch im fortgesetzten Verfahren kein schlüssiges Vorbringen erstattet. Insbesondere habe er nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Rechtslage für ihn unklar sei, zumal er (nach den Behauptungen des Ersterlagsgegners) für den Fall der Nichtunterfertigung des Kaufvertrags die Rücküberweisung des gesamten Kaufpreises zugesagt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs“ des Antragstellers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss in der Weise abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt werde. Hilfsweise stellt er einen Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs gemäß § 63 Abs 1 AußStrG.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ergibt sich Folgendes:

1. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG idF des BudgetbegleitG 2009, BGBl I 2009/52, ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 leg cit - im Fall eines vermögensrechtlichen Streitgegenstands jedenfalls unzulässig, wenn der rekursgerichtliche Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht für zulässig erklärt hat.

Für die Qualifikation des Vorliegens eines Entscheidungsgegenstands rein vermögensrechtlicher Natur ist der im Verfahren zu beurteilende Hauptgegenstand maßgebend. Liegt ein vermögensrechtlicher Gegenstand, aber kein Geldanspruch vor, so hat das Rechtsmittelgericht einen Bewertungsausspruch zu treffen (§ 59 AußStrG: bei der in Abs 2 unterbliebenen Erhöhung auf 30.000 EUR handelt es sich um ein Redaktionsversehen, RIS-Justiz RS0125732; EvBl-LS 2011/1).

Im Erlagsverfahren nach § 1425 ABGB ist von einem in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand auszugehen (6 Ob 9/03x; RIS-Justiz RS0033575 für das Ausfolgungsverfahren; vgl auch RIS-Justiz RS0007215). Warum beim Erlag einer treuhändig übernommenen Kaufpreiszahlung von keiner rein vermögensrechtlichen Angelegenheit auszugehen sein soll, vermag der Antragsteller nicht zu begründen. Die Bewertung ergibt sich ohne jeden Zweifel aus dem noch strittigen Erlagsbetrag, weshalb das Rekursgericht zu Recht von einem Bewertungsausspruch abgesehen hat. Der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Rekursgericht entschieden hat, übersteigt 30.000 EUR nicht.

2. Wie schon dargelegt, wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 die Wertgrenze (für die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses) in § 62 Abs 3 und 5 AußStrG von 20.000 EUR auf 30.000 EUR angehoben. Gemäß Art 5 Z 1 und 2 iVm Art 16 Abs 1 und 4 des Budgetbegleitgesetzes 2009 ist die Wertgrenzenerhöhung mit in Kraft getreten und anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung der zweiten Instanz nach dem gelegen ist.

Nach dem eindeutigen Wortlaut ist für die Heranziehung der erhöhten Wertgrenzen auf das Datum der jeweils angefochtenen zweitinstanzlichen Entscheidung und nicht auf jenes einer allfälligen Vorentscheidung im ersten Rechtsgang bzw „auf die erste im Verfahren ergangene Entscheidung zweiter Instanz“ abzustellen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist ein Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Garantien der Fairness und der Waffengleichheit iSd Art 6 Abs 1 EMRK nicht ersichtlich, zumal die Anfechtungsmöglichkeiten der Parteien zum jeweils relevanten Verfahrenszeitpunkt vollkommen identisch sind.

Da die hier angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts nach dem ergangen ist und der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteigt, kommt ein außerordentlicher Revisionsrekurs nicht in Betracht. Die Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs ist daher nicht gegeben.

3. In einem solchen Fall kann die betroffene Partei aber gemäß § 63 Abs 1 AußStrG einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Dieser Antrag ist gemäß § 63 Abs 2 AußStrG beim Gericht erster Instanz einzubringen und vom Rekursgericht zu behandeln. Diese Vorgangsweise ist auch dann einzuhalten, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird. Der Oberste Gerichtshof wäre erst dann zur Entscheidung berufen, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 63 Abs 3 AußStrG aussprechen sollte, dass das ordentliche Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt selbst in Fällen, in denen der Rechtsmittelwerber keinen förmlichen Antrag nach § 63 Abs 1 AußStrG auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Gericht zweiter Instanz gestellt hat, weil es sich dabei um einen verbesserungsfähigen Mangel handelt (RIS-Justiz RS0109623; vgl auch RS0109501). Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller ohnedies auch einen (subsidiären) Antrag nach § 63 Abs 1 gestellt.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Dr. Dehn als weitere Richter in der Erlagssache des Antragstellers Dr. C***** P*****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1) DI G***** K*****, vertreten durch Bollmann & Bollmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, und 2) L*****Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Schauberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlag von 23.942,05 EUR, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 263/10b-46, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 84 Nc 5/08w-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Erstantragsgegner die mit 1.400,04 EUR (darin enthalten 233,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller (Erleger) wurde als Treuhänder im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Kaufvertrags über eine Wohnung in Wien tätig. Im Zuge der Kaufabwicklung überwies der Erstantragsgegner den Betrag von 495.000 EUR auf das „Treuhand-Anderkonto“ des Erlegers. In der Folge forderte der Erstantragsgegner unter Hinweis auf eine Verpflichtungserklärung des Antragstellers Rückzahlung, weil der Kaufvertrag nicht fristgerecht unterfertigt worden sei. Die Zweiterlagsgegnerin sprach sich (zunächst) gegen die Ausfolgung des Erlagsbetrags an den Erstantragsgegner aus.

Der Antragsteller beantragte, 495.000 EUR zuzüglich angereifter Zinsen abzüglich KESt und Kontospesen zum Erlag anzunehmen. Der Ersterlagsgegner habe ihn als Rechtsanwalt, Vertragserrichter und Treuhänder mit der Abwicklung des Kaufs einer (näher bezeichneten) Wohnung beauftragt. Im Rahmen der Kaufabwicklung habe dieser den Kaufpreis von 495.000 EUR überwiesen. Da sich die beiden Erlagsgegner über die Formulierung einiger Nebenpunkte nicht hätten einigen können, habe ihn der Ersterlagsgegner zur Rückzahlung des Treuhanderlags aufgefordert. Demgegenüber habe die Zweiterlagsgegnerin als Begünstigte erklärt, dass ein gültiger Kauf vorliege und ihr der Kaufpreis zustehe. Im zweiten Rechtsgang ergänzte der Antragsteller sein Vorbringen dahin, dass die Zweiterlagsgegnerin den Kaufpreis aufgrund einer Einigung über die Hauptpunkte eines Kaufvertrags begehre und er als Treuhänder im Fall der Rücküberweisung des Erlagsbetrags an den Ersterlagsgegner der Gefahr einer weiteren (doppelten) Beanspruchung ausgesetzt sei. Dazu werde auf die schriftliche Anbotsannahme (Beilage ./4) und das Anspruchsschreiben der Zweiterlagsgegnerin hingewiesen.

Das Erlagsverfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang wurde vom Erst- und vom Rekursgericht zunächst der Betrag von 500.077,49 EUR gemäß § 1425 ABGB als Erlag zu Gericht angenommen. In der Folge wurde über gemeinsamen Antrag der Antragsgegner (ON 8) der Betrag von 476.135,44 EUR an den Erstantragsgegner ausgefolgt. Hinsichtlich des Restbetrags von 23.942,05 EUR wurde die Entscheidung über die Annahme des Erlags vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom , 8 Ob 71/09p-30 aufgehoben. Der Antragsteller habe zum Hinterlegungsantrag kein schlüssiges Vorbringen erstattet. Insbesondere habe er nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Rechtslage für ihn unklar sei und in zumutbarer Weise auch ein Anspruch der Zweiterlagsgegnerin auf den Erlagsbetrag als denkbar erachtet werden könne.

Im zweiten Rechtsgang nahm das Erstgericht den Betrag von 23.942,05 EUR erneut zum Erlag an. Nach dem ergänzenden Vorbringen des Erlegers sei nach Ansicht der Zweitantragsgegnerin ein gültiger Kaufvertrag zustande gekommen, weshalb diese Anspruch auf den Kaufpreis habe. Da eine Einigung über die Hauptpunkte nicht ausgeschlossen werden könne, sei von einer unklaren Rechtslage auszugehen.

Das Rekursgericht wies über Rekurs des Erstantragsgegners den Hinterlegungsantrag ab. Der Antragsteller habe auch im fortgesetzten Verfahren kein schlüssiges Vorbringen erstattet. Insbesondere habe er nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Rechtslage für ihn unklar sei, zumal er - nach den Behauptungen des Ersterlagsgegners - für den Fall der Nichtunterfertigung des Kaufvertrags die Rücküberweisung des gesamten Kaufpreises zugesagt habe. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht zunächst für nicht zulässig.

Über Auftrag des Obersten Gerichtshofs (ON 53), den Rechtsmittelschriftsatz des Antragstellers ON 49 als Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs gemäß § 63 Abs 1 AußStrG zu behandeln, sprach das Rekursgericht nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die relevierten Unklarheiten im Vorbringen des Erlegers im Wesentlichen auf der Bedachtnahme des Vorbringens des Ersterlagsgegners beruhten.

Gegen die Abweisung des Erlagsantrags richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers, mit dem er die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts anstrebt.

Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Ersterlagsgegner, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu den Grundlagen der Schlüssigkeitsprüfung der Voraussetzungen für einen Erlag nach § 1425 ABGB eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

1. Die Ausführungen des Antragstellers zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und zur Aktenwidrigkeit sind, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht berechtigt.

Die Heranziehung des vom Erleger angesprochenen „Streitakts“ als Bescheinigungsmittel vermag fehlendes Vorbringen nicht zu ersetzen (vgl RIS-Justiz RS0017844). Bei der Beurteilung des Vorbringens des Erlegers als „unscharf“ durch das Rekursgericht handelt es sich um eine rechtliche Würdigung.

2.1 Die zur Anwendung gelangenden rechtlichen Grundsätze wurden bereits in der (im ersten Rechtsgang ergangenen) Entscheidung 8 Ob 71/09p dargelegt. Demnach ist die Hinterlegung nach § 1425 ABGB auf die Schuldbefreiung des Erlegers gerichtet. Vom Erlagsgericht ist nur eine Schlüssigkeitsprüfung zu den Erlagsvoraussetzungen, insbesondere zum Erlagsgrund und zum Erlagszweck, vorzunehmen. Wird ein Erlagsgesuch mit einem Prätendentenstreit begründet, so müssen auch die Angaben des Erlegers über die auf den Erlagsgegenstand geltend gemachten Ansprüche rechtlich schlüssig sein. Bei einer Mehrzahl von Erlagsgegnern sind die Voraussetzungen für den Gerichtserlag hinsichtlich jedes einzelnen Erlagsgegners darzulegen (RIS-Justiz RS0033597; RS0113469; 1 Ob 78/09s; 6 Ob 71/11a). Der Erlagsantrag ist abzuweisen, wenn nach der Schlüssigkeitsprüfung aus den Angaben des Erlegers hervorgeht, dass der von ihm benannte Erlagsgegner nicht Gläubiger sein kann (6 Ob 308/02s; Reischauer in Rummel3 § 1425 ABGB Rz 17).

Dem Schuldner wird im Allgemeinen auch in solchen Fällen die Hinterlegung nach § 1425 ABGB zugestanden, in denen er Gefahr läuft, aufgrund der Ansprüche mehrerer potenzieller Gläubiger doppelt beansprucht zu werden (8 Ob 37/09p). In diesem Sinn kann etwa ein Treuhänder bei Auftreten eines Konflikts zwischen den Treugebern und einer unklaren Sach- oder Rechtslage zur gerichtlichen Hinterlegung des Treuguts berechtigt sein, vor allem dann, wenn unklar ist, ob die Ausfolgungsbedingungen erfüllt sind (RIS-Justiz RS0010415; 9 Ob 101/06b; 1 Ob 89/08g).

2.2 Richtig ist grundsätzlich, dass die Schlüssigkeit nur aufgrund der Behauptungen des Erlegers zu prüfen ist, und zwar auch wenn behauptet wird, der Erleger mache unrichtige oder unvollständige Angaben (6 Ob 308/02s). Einer von mehreren Erlagsgegnern kann demnach nur geltend machen, dass das tatsächlich erstattete Vorbringen des Erlegers über ein - mit dem eigenen Ausfolgeanspruch konkurrierendes - Recht unschlüssig sei (1 Ob 322/01m).

Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Erleger reine Phantasiebehauptungen aufstellen kann. So mangelt es zunächst im Fall der Offenkundigkeit fehlender Voraussetzungen an der Schlüssigkeit des Erlagsbegehrens (Reischauer in Rummel aaO Rz 17). Weiters sind aktenkundige Tatumstände zu berücksichtigen, sofern unter Zugrundelegung des Vorbringens der Parteien an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen. In diesem Sinn kann auch zu berücksichtigen sein, dass der Inhalt einer Urkunde mit dem Vorbringen des Erlegers in unlösbarem Widerspruch steht (vgl RIS-Justiz RS0017844; RS0037915).

2.3 Die Schlüssigkeitsprüfung bezieht sich vor allem auf die Prüfung der rechtlichen Plausibilität der (zu berücksichtigenden) Angaben des Antragstellers zu den Erlagsvoraussetzungen, im gegebenen Zusammenhang insbesondere darüber, dass ihm bei den mehreren Forderungsprätendenten die Ermittlung des wirklich Berechtigten nicht ohne weiteres zumutbar sei. Der Antragsteller muss daher plausibel machen, welcher Anspruch der Zweiterlagsgegnerin als (berechtigter) Forderungsprätendentin auf den Erlagsbetrag zusteht und warum die Sach- oder Rechtslage (im mehrpersonalen Schuldverhältnis: vgl Stabentheiner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 1425 Rz 18; Reischauer aaO Rz 5) für ihn unklar ist.

3.1 Der Erleger hat vorgebracht, dass er vom Ersterlagsgegner mit der Abwicklung des Kaufs einer Wohnung beauftragt und der Kaufpreis von diesem im Zuge der Kaufabwicklung überwiesen worden sei. Da sich die beiden Erlagsgegner über einige Nebenpunkte nicht hätten einigen können, verlange der Ersterlagsgegner die Rückzahlung des Erlags, wogegen sich die Zweiterlagsgegnerin ausgesprochen habe. Nach dem ergänzenden Vorbringen des Erlegers verlange die Zweiterlagsgegnerin den Kaufpreis aufgrund einer Einigung über die Hauptpunkte eines Kaufvertrags, weshalb bei Rücküberweisung an den Ersterlagsgegner für ihn die Gefahr einer doppelten Beanspruchung bestehe. Dazu verwies er auf die „schriftliche Anbotsannahme“ vom (Beilage ./4) zum Kaufanbot des Ersterlagsgegners.

3.2 Nach diesen Behauptungen besteht der Erlagsgrund in der Unsicherheit darüber, ob zwischen den Erlagsgegnern ein gültiger Kaufvertrag zustande kam. Laut Vorbringen des Erlegers leitet die Zweitertragsgegnerin ihren Anspruch aus dem von ihr behaupteten Zustandekommen des Kaufvertrags ab.

Nach der Aktenlage (ON 8) erweist sich dieses Vorbringen jedoch als unschlüssig, zumal die Zweiterlagsgegnerin gerade nicht von einem wirksamen Kaufvertrag ausgeht und dementsprechend der Ausfolgung eines Teilbetrags (476.135,44 EUR) an den Ersterlagsgegner zugestimmt hat. Dazu hat sie vorgebracht, dass der Ersterlagsgegner als Käufer vom Kaufvertrag mit ihr zurückgetreten sei, weshalb sie die Aufrechnung des Zinsenschadens in Höhe von 23.942,05 EUR mit dem Erlagsbetrag erkläre und der Ausfolgung des Restbetrags ausdrücklich zustimme. Demnach erhebt die Zweiterlagsgegnerin keinen Anspruch mehr auf den Kaufpreis.

3.3 Davon abgesehen hat sich der Erleger auf die „schriftliche Anbotsannahme“ der Zweiterlagsgegnerin vom (Beilage ./4) berufen. Dazu ergibt sich aus seinem Vorbringen, dass er schon am vom Ersterlagsgegner als Vertragserrichter und Treuhänder mit der Abwicklung des Wohnungskaufs beauftragt worden sei. Dem Vorbringen lässt sich aber nicht entnehmen, wann der Ersterlagsgegner sein Angebot in welcher Form unterbreitet hat und ob, gegebenenfalls unter welchen Bedingungen, er am noch daran gebunden war. Außerdem ergibt sich aus der „Anbotsannahme“ vom , auf die sich der Erleger ausdrücklich beruft, dass die Annahme durch den Erleger mit dem Hinweis „Vollmacht erteilt“ erklärt wurde. Zur Vollmachtsproblematik hat sich der Erleger aber nicht geäußert. Das Gleiche gilt schließlich für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des BTVG und das sich daraus ergebende Schriftlichkeitsgebot, worauf im zugrunde liegenden Kaufanbot des Ersterlagsgegners Bezug genommen wird.

3.4 Aufgrund des Vorbringens des Erlegers und seine Berufung auf § 1425 ABGB (ausdrücklich ON 32, 3) kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Erleger einen Erlag mit schuldbefreiender Wirkung anstrebt. Dazu hat der Oberste Gerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass der Widerrufsvorbehalt des Erlegers grundsätzlich mit der schuldbefreienden Wirkung eines Erlags nach § 1425 ABGB nicht vereinbar ist bzw in einem Spannungsverhältnis steht. Schon das Rekursgericht hat dazu auf die Rechtsprechung verwiesen, die den Erlag unter Widerrufsvorbehalt zwar gestattet, diesem aber keine schuldbefreiende Wirkung zubilligt (RIS-Justiz RS0033540; vgl Reischauer aaO Rz 30 mwN). Trotz dieser Darlegungen hat der Erleger an seiner „Ausfolgungsbedingung“, die einem Widerrufsvorbehalt gleichkommt, festgehalten. Mit seinem Argument, dass die Bedingung „die Zahlung des Treuhandbetrags über den Erleger an den Ersterlagsgegner sichern solle“, vermag er die Bedenken nicht zu entkräften.

4. Da der Erlagsantrag somit auch im zweiten Rechtsgang (mehrfach) unschlüssig geblieben ist, hat das Rekursgericht den Erlagsantrag zu Recht abgewiesen. Auf die Formulierung des Begehrens (vgl 6 Ob 9/03x; Reischauer aaO Rz 37) muss nicht mehr eingegangen werden.

5. Zusammenfassend ergibt sich: Bei der Schlüssigkeitsprüfung der Voraussetzungen zu einem Erlagsbegehren nach § 1425 ABGB sind aktenkundige Tatumstände zu berücksichtigen, sofern unter Zugrundelegung des Vorbringens der Parteien an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen. Ebenso kann zu berücksichtigen sein, dass der Inhalt einer Urkunde mit dem Vorbringen des Erlegers in unlösbarem Widerspruch steht.

Die Entscheidung des Rekursgerichts steht mit den relevanten Grundsätzen im Einklang. Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 erster Satz AußStrG.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Zivilverfahrensrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2011:0080OB00031.11H.0322.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAD-99675