OGH vom 06.09.2005, 10ObS271/03f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria M*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeiststraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge der Revision und des Rekurses der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 8 Rs 11/03d-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 37 Cgs 103/02d-13, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revision wird hingegen Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens auf Gewährung einer Ausgleichszulage in ungekürzter Höhe aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes in diesem Umfang aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung:
Die zwischen der Klägerin und Johann M***** geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom gemäß § 55a EheG geschieden. In der anlässlich der einvernehmlichen Scheidung geschlossenen Vereinbarung verpflichtete sich Johann M*****, der Klägerin einen angemessenen Unterhalt zu bezahlen, wobei eine Festsetzung der Unterhaltshöhe vorerst nicht erfolgte, da Johann M***** damals nur eine Notstandsunterstützung bezog.
Die Klägerin lebt seit ca 14 Jahren mit Johann S***** in einer Lebensgemeinschaft. Sie bezog im Zeitraum vom 1. 9. bis eine Invaliditätspension in Höhe von EUR 239,42 monatlich sowie einen Kinderzuschuss in Höhe von EUR 27,22 monatlich. Ab Jänner 2002 bezog sie eine Invaliditätspension in Höhe von EUR 242,05 und einen Kinderzuschuss von EUR 29,07 jeweils monatlich. Johann S***** bezog im Jahr 2001 von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern eine Pension in der Höhe von EUR 575,78 und ab Jänner 2002 in Höhe von EUR 582,11 netto monatlich.
Johann S***** und die Klägerin haben einen gemeinsamen Sohn, der mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebt. Der Sohn befand sich in der Zeit vom bis im zweiten Lehrjahr und bezog eine Lehrlingsentschädigung in Höhe von EUR 400,08 monatlich netto. Auf Grund der durch den Eintritt in das zweite Lehrjahr erhöhten Lehrlingsentschädigung fiel die Richtsatzerhöhung für Kinder, deren Einkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder nicht erreicht, mit weg. Seit dem Beginn des dritten Lehrjahres mit bezieht der Sohn ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 546,48. Der Lebensgefährte der Klägerin leistet für den gemeinsamen Sohn einen monatlichen Unterhalt von EUR 72,76 an die Klägerin.
Die Klägerin und ihr Lebensgefährte leben gemeinsam in einem im Eigentum des Lebensgefährten befindlichen Eigenheim, sodass keine Miete anfällt. Die für das Haus anfallenden Kosten betragen jährlich EUR 764,-- an Gemeindeabgaben (Wasser-, Kanal- und Müllgebühren). Die Stromkosten betragen EUR 100,-- monatlich. Für das Haus fallen im Jahr EUR 676,23 an Versicherungsprämie an. Von diesen Ausgaben trägt die Klägerin die Stromkosten, während die anderen Kosten von ihr und ihrem Lebensgefährten abwechselnd getragen werden. Weiters hat der Lebensgefährte für ein Auto monatliche Leasingraten von EUR 250,-- sowie die Kosten der Versicherung für sein Moped von EUR 123,54 jährlich zu finanzieren. Die Telefonkosten in Höhe von EUR 50,-- sowie die Rundfunkgebühren in Höhe von EUR 39,-- für jeweils zwei Monate werden von der Klägerin beglichen. Die Kosten für Lebensmittel werden von der Klägerin und ihrem Lebensgefährten gemeinsam getragen. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte wirtschaften gemeinsam und teilen ihre Einkünfte miteinander.
Mit Bescheid vom setzte die beklagte Partei die der Klägerin gebührende Ausgleichszulage ab mit monatlich EUR 171,10 und ab mit monatlich EUR 105,84 fest und sprach aus, dass der vom bis entstandene Überbezug an Ausgleichszulage von EUR 204,41 rückgefordert werde. Weiters sprach die beklagte Partei aus, dass über die ab der Klägerin gebührende Ausgleichszulage gesondert entschieden werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren auf Zahlung der Ausgleichszulage in ungekürzter Höhe auch ab sowie auf Feststellung, dass der Rückforderungsanspruch von EUR 204,41 nicht zu Recht bestehe. Die Klägerin habe von ihrem geschiedenen Ehegatten im Hinblick auf die von ihr eingegangene Lebensgemeinschaft niemals Unterhalt bekommen, weshalb sie auch an einer Erhöhung des Einkommens ihres geschiedenen Gatten nicht partizipiere. Das Bestehen einer Lebensgemeinschaft könne in Bezug auf die Ausgleichszulage nicht als Unterhaltsverzicht gewertet werden. Ihr Lebensgefährte trage zur Bestreitung der allgemeinen Aufwendungen nur einen geringen Teil bei, während sie für den überwiegenden Teil der Lebenshaltungskosten selbst aufkomme. Es stehe ihr daher die Ausgleichszulage in ungekürzter Höhe zu.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Klägerin müsse sich einen fiktiven Unterhaltsanspruch von EUR 267,88 monatlich gegenüber ihrem geschiedenen Gatten gemäß § 294 ASVG anrechnen lassen. Weiters beantragte die beklagte Partei, die Klägerin zur Rückzahlung eines Überbezuges von EUR 204,41 zu verpflichten.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin für September 2001 eine Ausgleichszulage in Höhe von EUR 387,62, für Oktober bis einschließlich Dezember 2001 eine solche in Höhe von EUR 322,36 monatlich und für die Monate Jänner bis Oktober 2002 eine solche von jeweils EUR 337,89 abzüglich bereits geleisteter Zahlungen zu bezahlen und die Rückforderung eines Überbezuges für die Zeit vom bis in Höhe von EUR 204,41 zu unterlassen. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegenüber ihrem geschiedenen Gatten ruhe wegen der bestehenden Lebensgemeinschaft. Zwar sei dies nach der Rechtsprechung einem Verzicht gleichzuhalten und sei davon auszugehen, dass eine freiwillige Begebung des Anspruches auf Unterhalt unbeachtlich sei. Die Auswirkung des ruhenden Unterhaltsanspruches auf die Ausgleichszulagenberechnung müsse aber im Hinblick auf den Versorgungszweck der Ausgleichszulage betrachtet werden. Ein Lebensgefährte habe keinen rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch. Da durch das gemeinsame Wirtschaften eine Erleichterung in der wirtschaftlichen Lebensführung eintrete, könne dies als Äquivalent zum ruhenden Unterhaltsanspruch angesehen werden. Es müsse jedoch die Mehrversorgung durch die Lebensgemeinschaft auch im jeweils konkreten Fall vorliegen. Maßgebend für die Berechnung der Ausgleichszulage sei daher, wie die Lebensgemeinschaft in wirtschaftlicher Hinsicht ausgestaltet sei und inwieweit der Lebensgefährte zur Bestreitung der gemeinsamen Aufwendungen beitrage. Es müsse fingiert werden, dass die Lebensgefährten in aufrechter Ehe verbunden seien. Daraus sei ein fiktiver Unterhaltsanspruch gegenüber dem Lebensgefährten zu berechnen. Der fiktive Unterhaltsanspruch der Klägerin errechne sich mit EUR 51,36 monatlich für die Zeit von September bis Dezember 2001 und von EUR 50,98 monatlich ab Jänner 2002. Ausgehend vom Richtsatz bzw der Richtsatzerhöhung für Alleinstehende gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb) ASVG errechne sich ein Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für September 2001 von EUR 387,62, für die Monate Oktober bis einschließlich Dezember 2001 von EUR 322,36 und ab Jänner 2002 von EUR 337,89 monatlich.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei wegen Nichtigkeit Folge und hob das angefochtene Urteil, soweit der Klägerin eine Ausgleichszulage von EUR 337,89 monatlich für die Zeit von Jänner 2002 bis einschließlich Oktober 2002 zuerkannt wurde, als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang als unzulässig zurück. Im Übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Partei dahin Folge, dass es die beklagte Partei mittels Teilurteiles schuldig erkannte, der Klägerin zu ihrer Pension eine Ausgleichszulage in der bereits bescheidmäßig zuerkannten Höhe von EUR 171,10 für September 2001 und von EUR 105,84 monatlich für die Zeit vom bis zu bezahlen und das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Gewährung einer Ausgleichszulage in ungekürzter Höhe abwies. Im Umfang des Begehrens der Klägerin auf Unterlassung der Rückforderung eines Überbezuges von EUR 204,41 für die Monate September bis einschließlich Dezember 2001 wurde das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht verwies darauf, dass nach dem ausdrücklichen Inhalt des angefochtenen Bescheides von der beklagten Partei nur über den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für die Zeit vom bis abgesprochen worden sei; eine gesonderte Entscheidung über die ab gebührende Ausgleichszulage sei angekündigt worden. Die bloße Mitteilung über die vorschussweise Gewährung der Ausgleichszulage ab Jänner 2002 stelle nach ständiger Rechtsprechung keinen Bescheid dar und eröffne daher auch kein Klagerecht.
In der Sache selbst führte das Berufungsgericht aus, der Lebensgefährte der Klägerin habe ein deutlich höheres Einkommen als diese und stelle ihr zu Wohnzwecken sein Eigenheim zur Verfügung. Beide wirtschafteten auch gemeinsam und teilten sich die Kosten für die gemeinsame Lebensführung. Gerade dadurch träten Synergieeffekte auf, die im Sinne der Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung zu sehen seien. Berechne man den fiktiven Unterhaltsanspruch nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten entwickelt habe, bleibe der vom Erstgericht errechnete Geldunterhaltsanspruch über. In konsequenter Fortführung des Gedankens, dass eine in Lebensgemeinschaft lebende Versicherte nicht besser gestellt sein dürfe als wäre sie verheiratet, müsse überprüft werden, welche Auswirkungen die Anwendung des Familienrichtsatzes auf die Lebensgemeinschaft hätte. Für September 2001 habe der Familienrichtsatz S 12.037,-- zuzüglich S 898,-- für den Sohn, somit S 12.935,-- (= EUR 940,02) betragen. Die Differenz zu den Einkommen der Klägerin und ihres Lebensgefährten (EUR 239,42 und EUR 575,78) betrage EUR 124,82. Von Oktober bis einschließlich Dezember 2001 falle die Richtsatzerhöhung für den Sohn weg, sodass sich die Differenz mit EUR 59,56 errechne. Diese Beträge lägen unter denen, welche die beklagte Partei der Klägerin zubillige und in deren Umfang das Urteil des Erstgerichtes mangels Bekämpfung in Rechtskraft erwachsen sei. Die durch die Lebensgemeinschaft eingetretene Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung stelle daher ein Äquivalent für den ruhenden Unterhaltsanspruch dar. Daraus folge, dass die Klägerin durch die von der beklagten Partei vorgenommene Anrechnung des ruhenden Unterhaltsanspruches der Klägerin gegen ihren geschiedenen Gatten, der im Ergebnis zu einer höheren Ausgleichszulage für die Klägerin führe, jedenfalls nicht beschwert sei, weshalb das Ersturteil mittels Teilurteiles im Sinne der bereits bescheidmäßig zuerkannten Leistungen abzuändern sei.
Hinsichtlich des Rückforderungsbegehrens der beklagten Partei sei bisher völlig ungeklärt geblieben, aus welchen Gründen die Klägerin der beklagten Partei zur Rückzahlung des Überbezuges verpflichtet sein solle. Im fortgesetzten Verfahren werde daher mit den Streitteilen, insbesondere der beklagten Partei, zu erörtern sein, worauf der Rückzahlungsanspruch gestützt werde. In Frage kämen eine vorschussweise Zahlung oder ein Rückforderungstatbestand gemäß § 107 ASVG, wobei im angefochtenen Bescheid eine Verletzung der Meldevorschriften durch die Klägerin als Begründung für die Rückforderung angegeben werde.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision gegen das Teilurteil und der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig seien, weil zur Frage der im Ausgleichszulagenrecht heranzuziehenden Unterhaltsansprüche gegenüber geschiedenen Ehegatten bei Aufnahme einer Lebensgemeinschaft durch den Unterhaltsberechtigten insbesondere nach der Aufhebung der Bestimmungen über die Pauschalanrechnung (§ 294 ASVG) durch den Verfassungsgerichtshof noch keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Während die Aufhebung des Ersturteiles betreffend die Ausgleichszulage für die Monate Jänner bis Oktober 2002 als nichtig und die Zurückweisung der Klage in diesem Umfang als unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, bekämpft die Klägerin den klageabweisenden Teil des Teilurteils und den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes mit Revision und „Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) mit dem Antrag, das Ersturteil in Ansehung der Entscheidung über den Zeitraum September 2001 bis einschließlich Dezember 2001 und über das Rückforderungsbegehren wiederherzustellen. Hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei hat sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittel sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und teilweise, im Sinne des im Hinblick auf das Teilurteil hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Zur Frage, welchen Einfluss das Eingehen einer Lebensgemeinschaft auf Unterhaltsansprüche hat, vertritt die seit der Entscheidung SpR 38 neu = SZ 27/134 stRsp die Auffassung, dass das Eingehen einer Lebensgemeinschaft durch den Unterhaltsberechtigten zum Ruhen des Unterhaltsanspruches gegenüber dem geschiedenen Gatten auf die Dauer der Lebensgemeinschaft führt, und zwar unabhängig davon, ob der geschiedene Ehegatte seinen Unterhalt ganz, zum Teil oder gar nicht vom Lebensgefährten bezieht. Diese Auffassung wird in der jüngeren Rechtsprechung vor allem damit begründet, dass ein in Lebensgemeinschaft lebender Geschiedener nicht besser gestellt sein dürfe als ein Wiederverheirateter, dessen Unterhaltsanspruch nach § 75 EheG erlischt (vgl Stabentheiner in Rummel, ABGB3 II/4 § 75 EheG Rz 2 mwN). An dieser Auffassung hat die Rechtsprechung trotz der im neueren Schrifttum erhobenen Kritik (vgl dazu die Nachweise bei Stabentheiner aaO Rz 2) festgehalten (vgl RIS-Justiz RS0047108 - zuletzt etwa 3 Ob 204/99t). In der Lehre wird demgegenüber teilweise die Auffassung vertreten, dass es für das Ruhen des Unterhaltsanspruches keine explizite Rechtsgrundlage gebe und das Eingehen einer Lebensgemeinschaft generell nur im Rahmen der durch Leistungen des Lebensgefährten verminderten Bedürftigkeit Einfluss auf den Unterhaltsanspruch habe (vgl dazu die bei Stabentheiner aaO Rz 2 angeführten Literaturmeinungen). In diesem Sinne wurde auch in der Rechtsprechung bereits entschieden, dass die Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber einem Kind, das eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich danach richtet, inwieweit dem unterhaltsberechtigten Kind tatsächlich Unterhalt von seinem Lebensgefährten zufließt. In diesem Umfang vermindert sich der Anspruch gegenüber den Eltern. Wenngleich die Lebensgemeinschaft anders als die Ehe keinen Unterhaltsanspruch gegen den Partner begründet und der Lebensgefährte anders als ein Ehepartner nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, so ist doch bis zum Beweis des Gegenteiles davon auszugehen, dass Lebensgefährten gemeinsam wirtschaften und demnach auch ihre Einkünfte miteinander teilen (SZ 70/225 = EvBl 1998/54). Im vorliegenden Fall muss zu dieser Frage inhaltlich aber nicht abschließend Stellung genommen werden, da hier vorrangig die Frage des Einflusses einer Lebensgemeinschaft auf den Anspruch auf Ausgleichszulage zu beurteilen ist.
Was den Einfluss einer Lebensgemeinschaft auf die Ausgleichszulage betrifft, hat der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 10 ObS 244/98z(SSV-NF 12/96 = ZAS 1999/11 [Brodil] = DRdA 1999/20 [Kerschner]) und 10 ObS 301/98g dahingehend Stellung genommen, dass das Ruhen des Unterhaltsanspruches infolge Eingehens einer Lebensgemeinschaft ausgleichszulagenrechtlich für ihre Dauer dem Verzicht auf Unterhaltsansprüche gleichzuhalten sei, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Geschiedene tatsächlich in dieser Lebensgemeinschaft versorgt werde. Eine schuldlos geschiedene Frau, die eine Lebensgemeinschaft eingehe, müsse sich daher trotz Ruhens ihres Unterhaltsanspruches den fiktiven Unterhalt ihres geschiedenen Gatten im Rahmen der Pauschalanrechnung nach § 294 Abs 1 lit b ASVG anrechnen lassen. Dadurch solle verhindert werden, mit Rücksicht auf den Ausgleichszulagenanspruch in Lebensgemeinschaft lebende Pensionisten besser zu stellen als wiederverheiratete Pensionisten. Wenngleich ein Lebensgefährte nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sei, sei doch zu unterstellen, dass Lebensgefährten gemeinsam wirtschaften und demnach auch ihre Einkünfte miteinander teilen. Die durch eine Lebensgemeinschaft tatsächlich eintretende Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung stelle demnach ein Äquivalent für den ruhenden Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehegatten dar.
Diesen Ausführungen ist Brodil in seiner Glosse zu ZAS 1999/11, 117 ff auch insoweit entgegengetreten, als nach seiner Auffassung der Gesetzgeber die Lebensgemeinschaft offenkundig nur in wenigen spezifischen Fällen der Ehe gleichstelle und eine solche Gleichstellung im Ausgleichszulagenrecht nicht vorgesehen sei. Dies werde zudem durch den Wortlaut des § 294 ASVG untermauert, der bloß bestehende Unterhaltsansprüche einer Pauschalanrechnung unterwerfe. Sei der Unterhaltsanspruch während der Lebensgemeinschaft aber juristisch gar nicht existent, könne er auch nicht angerechnet werden. Neben diesen Einwänden von Brodil ist vor allem auch zu berücksichtigen, dass der Verfassungsgerichtshof mit seinen Erkenntnissen vom , G 26/00 (= VfSlg 15.819) und vom , G 104/00 (= VfSlg 16.089) die pauschalierte Anrechnung des Unterhaltsanspruches bei nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (§ 294 Abs 1 lit a ASVG) und bei geschiedenen Ehegatten (§ 294 Abs 1 lit b ASVG) für die Berechnung der Ausgleichszulage als verfassungswidrig aufgehoben hat. Infolge Wirksamwerdens der Aufhebung der pauschalierten Anrechnung des Unterhaltsanspruches gegenüber einem geschiedenen Ehegatten mit Kundmachung des Erkenntnisses vom , G 104/00, am , BGBl I 2001/37, ist die aufgehobene Bestimmung auf Sachverhalte, die ab dem verwirklicht wurden, nicht mehr anzuwenden (SSV-NF 15/118). Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates ist seither bei der Festsetzung der Ausgleichszulage auf Unterhaltsansprüche, die nicht der Pauschalanrechnung des § 294 Abs 1 lit c ASVG (= Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben), unterliegen, nur insoweit Bedacht zu nehmen, als sie auch tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden (SZ 2002/118; SSV-NF 16/97 ua). Die in SSV-NF 12/96 noch vertretene Auffassung, der gegen den geschiedenen Ehegatten wegen Eingehens einer Lebensgemeinschaft ruhende Unterhaltsanspruch sei dennoch im Rahmen der Pauschalanrechnung nach § 294 Abs 1 lit b ASVG auf einen Anspruch auf Ausgleichszulage anzurechnen, kann daher jedenfalls seit der mittlerweile erfolgten Aufhebung dieser Pauschalanrechnung durch den Verfassungsgerichtshof nicht mehr fortgeschrieben werden.
In der Entscheidung 10 ObS 185/01f (JBl 2002, 189), die noch einen Anspruch auf Ausgleichszulage für einen Zeitraum vor dem Wirksamwerden der Aufhebung der pauschalierten Anrechnung des Unterhaltsanspruches gegenüber einem geschiedenen Ehegatten zum Gegenstand hatte, hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, dass dem Ausgleichszulagenwerber im Hinblick auf den Versorgungszweck der Ausgleichszulage der Nachweis fehlenden oder zu geringen Einkommens bzw der Uneinbringlichkeit auch bei der Lebensgemeinschaft möglich sein müsse, wobei den antragstellenden Lebensgefährten die Beweislast treffe. Hiefür biete sich die entsprechende Anwendung der Regelung des § 294 Abs 3 Satz 2 ASVG an, wonach die in § 294 Abs 1 ASVG vorgesehene pauschale Zurechnung des Unterhaltsanspruches zum Nettoeinkommen durch eine Zurechnung der tatsächlichen Leistungen ersetzt werde, wenn die Unterhaltsforderung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches offenbar aussichtslos oder unzumutbar sei. Es sei daher vor allem zu erheben, wie die Lebensgemeinschaft in wirtschaftlicher Hinsicht ausgestaltet sei und inwieweit der Lebensgefährte der Klägerin zur Bestreitung der gemeinsamen Aufwendungen beitrage.
Nach der Ansicht von Resch, Rechtsfragen der Ausgleichszulage, DRdA 2000, 370 ff [379], ist die in der Rechtsprechung vorgenommene analoge Anwendung des Ausgleichszulagenrechtes der Ehegatten im Fall des Eingehens einer Lebensgemeinschaft nicht unplausibel, da der Ausgleichszulagenwerber mit dem Behaupten der Lebensgemeinschaft bereits eingestehe, dass er mit dem Lebensgefährten in einer Wirtschaftsgemeinschaft lebe. Freilich müsse eine solche Analogie dann konsequent sein und das ganze System der Ausgleichszulage, insbesondere auch die Anwendung des Familienrichtsatzes, miteinschließen. Damit gehe aber die Analogie bereits sehr weit. Auch Brodil verweist in seiner Glosse zu ZAS 1999/11, 119 darauf, dass bei einer analogen Anwendung des Ausgleichszulagenrechtes für Ehegatten im Fall des Eingehens einer Lebensgemeinschaft konsequenterweise auch auf die Einkommensverhältnisse des Lebensgefährten abzustellen sei und die Einkünfte beider Lebensgefährten dem erhöhten Familienrichtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit aa iVm § 292 Abs 2 ASVG zu unterwerfen seien. Eine so komplexe Erstreckung der Rechtsfolgen für „echte" Ehegatten auf Lebensgefährten könne aber wohl nicht durch Analogie, sondern im Kontext mit den bestehenden Sondernormen für Lebensgefährten nur durch gesetzgeberische Anordnung geschehen.
Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Im Bereich des ASVG wurde durch die 29. ASVG-Nov (BGBl 1973/31) ein eigener „Familienrichtsatz" für Ehepaare, die im gemeinsamen Haushalt leben, geschaffen (§ 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG). Seine Schaffung stand im Zusammenhang mit der ebenfalls neuen Bestimmung des § 292 Abs 2 ASVG, wonach das Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zur Gänze dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten hinzuzurechnen ist. Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, werden somit vom Gesetzgeber auch im Ausgleichszulagenrecht als Wirtschaftsgemeinschaft behandelt (SSV-NF 15/59 mwN).
Der Gesetzgeber hat bei der Prüfung eines allfälligen Anspruches auf Notstandshilfe neben der Berücksichtigung von Einkommen des Ehegatten auch eine Berücksichtigung des vom Lebensgefährten des Arbeitslosen erzielten Einkommens unter Maßgabe bestimmter Freigrenzen vorgesehen (vgl § 36 Abs 2 und 3 AlVG; § 6 NotstandshilfeVO idF BGBl II 2001/490). Demgegenüber hat der Gesetzgeber bei der Ausgleichszulage darauf verzichtet, das Einkommen des Lebensgefährten anzurechnen, und somit eine Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei der Prüfung des Anspruches auf Ausgleichszulage nicht vorgesehen (vgl auch Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft - ein Überblick, NZ 1995, 49 ff [54 FN 57] mwN). Im Ausgleichszulagenrecht fehlt es daher nach Auffassung des erkennenden Senates an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dem Ausgleichszulagenwerber das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten nach der Art einer zwischen Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, bestehenden engen Wirtschaftsgemeinschaft zuzurechnen. Die Klägerin besäße als Lebensgefährtin auch keinen Rechtsanspruch auf Zuwendungen gegenüber ihrem Lebensgefährten. In Betracht kommt im Falle einer Lebensgemeinschaft daher nur die Berücksichtigung im Einzelnen festgestellter, bedarfmindernder Zuwendungen des Lebensgefährten (vgl dazu auch die Rechtsprechung des VwGH zum Sozialhilferecht - E. vom , Zl 98/03/0079 mwN ua).
In diesem Sinne hat der erkennende Senat in der Entscheidung 10 ObS 196/03a vom (RdW 2004/224) allgemein darauf hingewiesen, dass es sich auch bei der Ausgleichszulage um keine Versicherungsleistung im engeren Sinn, sondern um eine Leistung mit Fürsorge-(Sozialhilfe-)charakter handelt, und deshalb sämtliche Einkünfte des Pensionsberechtigten in Geld- oder Geldeswert im Sinn des § 292 Abs 1 bis 3 ASVG, die nicht im Abs 4 dieser Gesetzesstelle aufgezählt sind, bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen sind. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob sie dem Empfänger für oder ohne eine Gegenleistung zukommen. Im konkreten Fall war daher die der damaligen Klägerin im Rahmen ihrer Lebensgemeinschaft regelmäßig gewährte freie Station (freies Quartier und freie Verpflegung) als Sachbezug mit Versorgungscharakter mit dem im § 292 Abs 3 ASVG hiefür für maßgeblich erklärten Bewertungssatz zu berücksichtigen. Dies ist auch sachgerecht, da sich derjenige, der über eine solche freie Station verfügt, den dafür notwendigen Geldaufwand erspart, und eine solche Person bei Vernachlässigung dieses Sachbezuges im Gesamteinkommen daher wirtschaftlich besser gestellt wäre als eine andere Person, die über einen solchen Sachbezug nicht verfügt. Es wurde weiters darauf hingewiesen, dass auch in der Lehre in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten wird, dass tatsächliche „Unterhaltsleistungen" eines Lebensgefährten nach § 292 ASVG auf die Ausgleichszulage anzurechnen sind, wobei allfällige Sachbezüge nach dem zweiten Satz in Abs 3 dieser Bestimmung zu bewerten sind (Pfeil, Der praktische Fall: Ausgleichszulagenanspruch und Auslandsaufenthalt, DRdA 1998, 214 ff [215]; vgl überdies in diesem Sinne auch SZ 70/225 betreffend den Unterhaltsanspruch eines Kindes, das eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sowie die bei Stabentheiner aaO Rummel, ABGB3 § 75 EheG Rz 2 zitierten Lehrmeinungen betreffend den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten, der eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist).
Im vorliegenden Fall ist unbestritten davon auszugehen, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte gemeinsam wirtschaften und demnach auch ihre Einkünfte miteinander teilen. Für die Beurteilung des Anspruches der Klägerin auf Ausgleichszulage ist daher maßgebend, inwieweit sie im strittigen Zeitraum vom bis ihren Unterhaltsbedarf mindernde Zuwendungen von ihrem Lebensgefährten erhalten hat. Diese Frage wird mit den Parteien im fortzusetzenden Verfahren zu erörtern sein. Nach den bisher getroffenen Feststellungen kommt der Sachbezug eines freien Wohnrechtes in Betracht, da die Klägerin im Haus ihres Lebensgefährten über eine unentgeltliche Wohngelegenheit verfügt. Damit erspart sie sich den dafür notwendigen Geldaufwand. Die Klägerin wäre daher bei Vernachlässigung des Wohnrechtes im Gesamteinkommen besser gestellt als eine andere Person, die über eine solche Wohngelegenheit nicht verfügt (vgl SSV-NF 6/141; 3/23; 3/36 ua). Nach § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG gilt für die Bewertung der Sachbezüge, soweit nicht Abs 8 anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit näher angeführten Modifikationen. Das Verfahren ist somit auch im Hinblick auf den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für den strittigen Zeitraum vom bis noch nicht spruchreif. Erst nach der endgültigen Feststellung der Höhe eines Anspruches der Klägerin auf Ausgleichszulage für diesen Zeitraum wird auch die Frage einer Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich eines allfälligen Überbezuges der Klägerin für diesen Zeitraum beurteilt werden können.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.