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OGH vom 04.05.1999, 10ObS27/99i

OGH vom 04.05.1999, 10ObS27/99i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wilhelm Koutny und Mag. Dr. Walter Zeiler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erika B*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Alfred Hammerer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Rückersatz der Ausgleichszulage (Streitwert S 86.384,10), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 12 Rs 159/98h-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 11 Cgs 57/97g-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Wie bereits im Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom dargelegt wurde, betrifft das hier zu beurteilende Klagebegehren nur die Frage der Verpflichtung zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung (§ 65 Abs 1 Z 2 ASGG), sodaß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig ist. Das Berufungsgericht hat mit Beschluß vom sein Urteil durch den Ausspruch ergänzt, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG nicht zulässig sei. Die Klägerin vertritt demgegenüber in ihrer Ergänzung der Revision vom die Ansicht, daß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne dieser Gesetzesstelle wird jedoch in den Ausführungen der Klägerin nicht dargetan.

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Klägerin aufgrund der Bestimmung des § 76 Abs 1 GSVG zum Rückersatz des im Hinblick auf den von der Klägerin nicht bekanntgegebenen Bezug einer Unfallrente entstandenen Überbezuges an Ausgleichszulage in Höhe von S 86.384,10 an die beklagte Partei verpflichtet ist. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SSV-NF 10/36 = SZ 69/88 zu der vergleichbaren Bestimmung des § 72 Abs 1 BSVG dargelegt, daß auf unrichtige Angaben, die nicht den Fortbestand, sondern die erstmalige Festsetzung sozialversicherungsrechtlicher Leistungen betreffen, die im § 18 BSVG (entspricht inhaltlich dem § 20 GSVG) vorgesehene Meldepflicht nicht anzuwenden ist. Unrichtige Angaben des Versicherten im Zuge der erstmaligen Feststellung der Leistung stellen somit keine Verletzung der in § 76 Abs 1 erster Satz GSVG erfaßten Meldepflicht des § 20 GSVG dar. Das Berufungsgericht hat daher im folgenden geprüft, ob sich die beklagte Partei - wie in ihrem angefochtenen Bescheid und im gegenständlichen Verfahren geschehen - auf das Vorliegen bewußt unwahrer Angaben oder die bewußte Verschweigung maßgebender Tatsachen mit Erfolg berufen kann. Daß im konkreten Fall objektiv unrichtige Angaben gemacht wurden, bedarf keiner weiteren Erörterung und wird auch von der Klägerin nicht weiter bestritten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen liegen aber auch subjektiv, also bewußt, unrichtige Angaben vor. So wurde die Klägerin bei der Überprüfung zur erstmaligen Festsetzung einer Ausgleichszulage im September 1991 anhand eines Formulars der beklagten Partei unter anderem ausdrücklich danach gefragt, ob sie Pensionen/Renten einer anderen in- oder ausländischen Pensions- bzw Unfallversicherungsanstalt bezieht. Die Klägerin hat bei Ausfüllung dieses Formulars lediglich ihren Bezug von Notstandshilfe angegeben, die Fragestellung nach einem Unfallrentenbezug jedoch durchgestrichen und damit verneint, obwohl ihr nach ihrer eigenen Aussage damals bewußt war, daß sie von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt eine Unfallrente bezieht. Auch anläßlich einer im November 1995 erfolgten Überprüfung des Ausgleichszulagenanspruches der Klägerin hat diese bei unverändert gebliebener Fragestellung den seit einem im Jahr 1984 erlittenen Arbeitsunfall bestehenden Bezug einer Unfallrente nicht angegeben.

Gemäß § 87 Abs 4 ASGG darf in Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 2 eine Klage wegen des Bestehens einer Rück- oder Kostenersatzpflicht des Klägers nur abgewiesen werden, wenn der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Pflicht beweist. Nach § 1297 ABGB wird aber auch vermutet, daß jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sei, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Diese Bestimmung ist eine an der allgemeinen Lebenserfahrung orientierte Vermutung, welche zu einer vollen Beweislastumkehr führt (vgl 7 Ob 614/86 und 2 Ob 93/88 in RIS-Justiz RS0026200).

Nach der vom Berufungsgericht ausdrücklich übernommenen, vom Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung getroffenen negativen Feststellung konnte nicht festgestellt werden, daß die Klägerin bei Unterfertigung der Ausgleichszulagenüberprüfungsbögen psychisch oder physisch nicht in der Lage gewesen wäre, die Formulare der Sachlage entsprechend auszufüllen. Soweit die Klägerin in ihrer Revision in diesem Zusammenhang eine angebliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt, bekämpft sie inhaltlich in nicht zulässigerweise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen und die Richtigkeit dieser von den Vorinstanzen getroffenen negativen Feststellung. Auch angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen bereits das Berufungsgericht verneint hat, wie hier die Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Verschuldensfähigkeit der Klägerin, können im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74 mwN). Damit ist aber die Vermutung des Vorhandenseins der gewöhnlich vorauszusetzenden Fähigkeiten im Sinne des § 1297 ABGB bei der Klägerin nicht widerlegt, sodaß entsprechend dieser Vermutung davon auszugehen ist, daß die Klägerin durchaus in der Lage gewesen wäre, die Frage nach den Einkünften im Formular der beklagten Partei wahrheitsgemäß zu beantworten. Daran vermag auch die rechtsirrige Auffassung der Klägerin, eine Unfallrente stelle kein Einkommen eines Ausgleichszulagenbeziehers dar, nichts zu ändern, weil die Klägerin in dem von der beklagten Partei verwendeten Formular klar und unmißverständlich nach Einkünften aus Renten einer Unfallversicherungsanstalt gefragt wurde.

Alle diese dargelegten Erwägungen hat auch das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt, sodaß sich mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG die außerordentliche Revision als unzulässig erweist.