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VfGH vom 24.06.1998, B430/98

VfGH vom 24.06.1998, B430/98

Sammlungsnummer

15213

Leitsatz

Quasi-Anlaßfallwirkung der Aufhebung eines Teils des § 32 Abs 1 erster Satz AsylG 1997 mit E v , G31/98 ua.

Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988, ); dies trifft auch dann zu, wenn das Gesetzesprüfungsverfahren vom Verfassungsgerichtshof nicht von amtswegen eingeleitet, sondern aufgrund eines Antrages (etwa des Verwaltungsgerichtshofes oder - wie im vorliegenden Fall - des Unabhängigen Bundesasylsenates) durchgeführt wurde (s. auch dazu ).

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, stellte an das Bundesasylamt einen Asylantrag, den dieses jedoch mit Bescheid vom mit der Begründung zurückwies, daß er über Tschechien eingereist sei und daher im Sinne des § 4 Abs 2 AsylG 1997 in einem sicheren Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden könne. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb der zweitägigen Rechtsmittelfrist des § 32 Abs 1 erster Satz AsylG 1997 Berufung, die vom Unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 6. Feber 1998 abgewiesen wurde.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung in Rechten infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht wird; unter anderem wird darin vorgebracht, daß die in § 32 Abs 1 erster Satz AsylG 1997 vorgesehene zweitägige Berufungsfrist verfassungswidrig sei.

2. Aufgrund mehrerer Anträge des Unabhängigen Bundesasylsenates leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art 140 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der im § 32 Abs 1 erster Satz des AsylG 1997 enthaltenen Wendung "§4 und" ein und hob sie mit dem am heutigen Tag gefällten Erkenntnis G31/98 ua. als verfassungswidrig auf.

3. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988, ); dies trifft auch dann zu, wenn das Gesetzesprüfungsverfahren vom Verfassungsgerichtshof nicht von amtswegen eingeleitet, sondern aufgrund eines Antrages (etwa des Verwaltungsgerichtshofes oder - wie im vorliegenden Fall - des Unabhängigen Bundesasylsenates) durchgeführt wurde (s. auch dazu ).

Die nichtöffentliche Beratung im erwähnten Verfahren G31/98 ua. zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wendung "§4 und" im § 32 Abs 1 erster Satz AsylG 1997 begann am . Die vorliegende Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am ein, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

II. Die Kostenentscheidung

gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 4.500 S enthalten.

III. Von der Durchführung einer

mündlichen Verhandlung wurde in sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG abgesehen.

Fundstelle(n):
MAAAD-99509